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Die US-amerikanische Popsängerin Kesha, aufgenommen am 12.10.2012 im Soho House in Berlin.
© dpa

Kesha Rose Sebert: Ein Star verglüht in Zeitlupe

Neue Talente verheizt die US-Musikindustrie gnadenlos. In dem sich immer schneller drehenden Karussell sieht sich Pop-Sternchen Kesha als Opfer eines machthungrigen und gewaltbereiten Produzenten. Ist ihre Klage nur Taktik, um sich aus einem Knebelvertrag frei zu boxen?

Am Anfang klingt es wie ein Märchen aus der Welt des Pop. Kesha Rose Sebert soll eigentlich Psychologie studieren, als sie die High School besucht. Doch als Star-Produzent Dr. Luke ihre Demo-Aufnahme hört und zum Telefon greift, soll sich Seberts Leben schlagartig ändern. Kurz nach ihrem 18. Geburtstag bricht sie die Schule ab, unterschreibt einen Plattenvertrag und zieht von Nashville im ländlichen Tennessee nach Los Angeles. Ihr altes Leben lässt sie als neue Sängerin „Ke$ha“ zurück. Nun warten Glitzer, Geld und Glamour. Aber L.A. ist für Neulinge ein hartes Pflaster, und Dr. Luke entpuppt sich als machthungriger, sexistischer und gewaltbereiter Unterdrücker - jedenfalls, wenn man Keshas Anklage glauben will.

In ihrem 2014 begonnenen Rechtsstreit gegen ihren Entdecker und langjährigen Produzenten haben sich nun prominente Kolleginnen wie Taylor Swift, Ariana Grande, Lady Gaga und Kelly Clarkson eingeschaltet. Die Vorwürfe wiegen schwer. Über zehn Jahre soll Luke, der mit bürgerlichem Namen Lukasz Gottwald heißt, die Newcomerin sexuell bedrängt und psychisch terrorisiert haben.

Mit der auch als K.-o.-Tropfen bekannten Droge GHB soll er sie bewusstlos gemacht und vergewaltigt haben, bevor sie der Anklage zufolge nackt in einem Hotelzimmer aufwacht und verzweifelt ihre Mutter anruft. In einem anderen Fall soll er sie im Flugzeug unter Drogen sexuell bedrängt haben. Wie es in Gerichtsdokumenten heißt, droht der Produzent immer wieder, Keshas Karriere, Familie und ihr ganzes Privatleben zu zerstören, wenn die Sache ans Licht kommt.

Sie sei ein "fetter Kühlschrank"

Texte, Gesang, Kleidung, Körper und Auftreten - Luke soll alles an der inzwischen 28-jährigen Kesha beleidigt haben, bis sie sich „komplett wertlos“ fühlt. Sie sei ein „fetter Kühlschrank“, der endlich abnehmen müsse, habe er gesagt. Kurz vor Weihnachten 2013 kommt nach Angaben von Keshas Mutter der Crash: Sie bekommt einen Anruf der mittlerweile angeblich bulimischen Tochter, die beichtet, wie häufig sie sich in letzter Zeit übergeben habe. Wenige Wochen später lässt sie sich für zwei Monate in einer Klinik für Essstörungen behandeln.

Nun will sie aus dem indirekt mit Sony geschlossenen Vertrag aussteigen, um den Alptraum zu beenden. Der im Business bekannte Dr. Luke, der ein Händchen für Hits hat und mit Britney Spears und Kelly Clarkson dicke Erfolge eingefahren hat, will die Klage nicht auf sich sitzen lassen. Keshas Vorwürfe seien „glatte Lügen“, um Verhandlungen im Plattenvertrag zu erzwingen oder vorzeitig auszusteigen, teilt seine Anwältin mit. Luke schießt mit einer Gegenklage in New York wegen Vertragsbruchs zurück und verklagt Keshas Mutter Pebe Sebert gleich mit. „Ich habe Kesha nicht vergewaltigt und ich habe nie Sex mit ihr gehabt“, schreibt er auf Twitter.

„Ich habe drei Schwestern und eine Tochter und einen Sohn mit meiner Freundin und eine feministische Mutter, die mich richtig erzogen hat.“ Er und die Sängerin seien lange Zeit Freunde gewesen und hätten eine Menge Songs zusammen aufgenommen. „Oft war es gut, aber manchmal gab es kreative Differenzen.“ Dass sich die Zusammenarbeit der beiden schwierig gestaltet, scheint trotz der Erfolge der Alben „Animal“ (2010) und „Warrior“ (2012) kein Geheimnis. Das blonde Partygirl, wie Kesha sich mit ihrem Dance-Pop verkauft, sei „schwer zu bändigen“, schreibt der „New Yorker“ unter Berufung auf Dr. Luke 2013.

Zum umstrittenen Songtext gezwungen?

Über ihren Song „Die Young“ (auf Deutsch: „Stirb jung“), den Radiosender nach dem Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown aus dem Programm streichen, sagt Kesha, sie sei zu dem umstrittenen Text „gezwungen“ worden. Später rudert sie allerdings zurück. Bis ein Machtwort gesprochen ist, könnten Monate vergehen. Da Keshas Antrag auf einstweilige Verfügung mangels ausreichender Beweise abgewiesen wurde, muss sie den Vertrag mit Luke vorerst einhalten. Das heißt: Noch mindestens vier weitere Alben aufnehmen, auf denen Luke mit mindestens sechs Titeln als Produzent mitwirkt.

Dazu fühlt sich das Pop-Girl aus Tennessee nicht in der Lage und sieht den großen Traum einer musikalischen Karriere schon in Zeitlupe platzen. Zwar hat Grammy-Gewinnerin Taylor Swift 250 000 Dollar gespendet, um ihre Kollegin zu unterstützen, und bei einer Online-Aktion kamen bislang weitere 20 000 Dollar zusammen. Doch Keshas großer Hit „Tik Tok“ liegt schon jetzt mehr als sechs Jahre zurück. Musikalisch scheint sie wie von der Bildfläche verschwunden. Für ein Comeback wäre ein echter Knaller nötig - und möglicherweise auch ein neuer Produzent. (dpa)

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