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In der Kritik. Gabriela Maria Schmeide spielt die Lehrerin Frau Müller.
© Constantin

Komödie "Frau Müller muss weg": Dresdner Wutbürger

Elternaufstand in einer Grundschule: Sönke Wortmanns Komödie „Frau Müller muss weg“.

Das Elternteil ist dem Elternteil ein Wolf, das ist spätestens seit „Der Gott des Gemetzels“ auch filmisch bekannt. Wie Roman Polanskis Adaption des Theatertextes von Yasmina Reza beruht Sönke Wortmanns neues Schelmenstück „Frau Müller muss weg“ auf einer Bühnenvorlage. Das Kammerspiel findet hier jedoch nicht in der privaten Wohnstube, sondern direkt im Klassenzimmer statt. Denn besonders bissig zeigt sich das Tier immer dann, wenn es eines seiner Jungen in Gefahr vermutet – und die lauert beim zeitgenössischen Großstadtwolf neben prügelnden Mitschülern vor allem in Gestalt zukunftsentscheidender Schultypenzuweisung.

So finden sich an einem Samstagnachmittag fünf Elternteile in einer Dresdner Grundschule ein. Zunächst noch geeint durch die gemeinsame Mission sind sie gekommen, der Lehrerin (Gabriela Maria Schmeide) ihrer größtenteils gymnasialempfehlungsgefährdeten Sprösslinge endgültig das Vertrauen zu entziehen. Überfordert sei die gute Frau Müller ja schon eine ganze Weile, das sei offensichtlich, und während das mit dem Basteln in den ersten Klassen noch gut geklappt habe, sei es nun an der Zeit, die Klasse abzugeben – ihr selbst, aber vor allem den Karrieren der Kinder zuliebe.

Sönke Wortmann entwirft ein eher zahmes Sittengemälde

Die selbstbewusst Empörten wedeln mit der Unterschriftenliste der gesamten Elternschaft, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Doch als die gar nicht so verhuschte Pädagogin ihre nicht gerade rosige Sicht auf Können, Charakter und Sozialverhalten der Kleinen darlegt, löst sich das einheitsstiftende Feindbild auf, und die Gruppe beginnt, sich selbst zu zerfleischen.

Apropos Einheit: Als „Wessiarsch“ werde ihr Sohn beschimpft, klagt die aus Köln zugezogene Hausfrauenmutter weinend. Was Karrieremutti Jessica (Anke Engelke) natürlich bloß ein überhebliches Lächeln entlockt. Überhaupt sind die Protagonisten komödienüblich als Typisierungen gezeichnet. Da wären noch der musisch begabte, aber arbeitslose Idealist (Justus von Dohnányi), dessen rhetorisch verbesserungswürdige Litaneien über sein armes Töchterchen Wortführerin Jessica ein besonderer Dorn im stets nur auf das eigene Kindeswohl gerichteten Wölfinnenauge sind. Außerdem noch der zur Kölnerin gehörende Mann, dessen familiäre Interessen sich aufs Geldverdienen und Männlichaussehen beschränken. Und die Mutter des Klassenbesten, deren aufmerksame Art verständlich macht, warum ihr Sohn keine Notensorgen hat – was sie allerdings gar nicht so schlimm fände.

Einen angenehm selbstironischen, aber keineswegs entlarvend bösen Blick auf die Eltern schulpflichtiger Kinder wirft dieses insgesamt zahme Sittengemälde nach einem Stück von Lutz Hübner, das Wortmann vor drei Jahren schon am Grips Theater inszenierte. Die klamaukigen Eskalationen bleiben vorhersehbar. Gemeinheiten: ja, wirklich Giftiges: nein. „Pegida“-Töne etwa sind nicht zu vernehmen, zumal keines der gezeigten Mittelstandselternteile einen Migrationshintergrund hat, der über die deutsch-deutsche Grenze hinausginge. Der Titelsong passt: „Lass doch der Jugend ihren Lauf“, das heißt so viel wie „Entspann dich mal“. Sicher nicht der schlimmste Erziehungsstil. Harmlos, sympathisch, ein bisschen gleichgültig. Kuschelklassenkampf statt Revolution. Schafe im Wolfspelz.

In 13 Berliner Kinos

Julia Dettke

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