75. Geburtstag: Donald Duck: Die Erben der Anas Erectus
Vor 75 Jahren tauchte Donald Duck das erste Mal in der Öffentlichkeit auf. Für manche seiner Fans ist der Erpel mehr als nur eine Kunstfigur.
Vielleicht war er schon immer da. Oder zumindest schon seit Hunderttausenden, vielleicht gar Millionen von Jahren. Prähistorische Versteinerungen zeigen: Schon die ersten Flugechsen hatten einen ungewöhnlich breiten, markanten Schnabel, der einem merkwürdig bekannt vorkommt.
Auch die gefundenen Überreste von Anas Erectus, der ersten aufrecht gehenden Ente, die die Erde vor 1,5 Millionen Jahren bevölkerte, lassen nur einen Schluss zu: Donald Duck und seine Ahnen leben auf diesem Planeten bereits mindestens so lange wie der Mensch und seine Vorfahren.
Wer das nicht glaubt, kann sich durch die Forschung der Gruppe "InterDuck" eines Besseren belehren lassen. Diese Vereinigung mit Sitz in Berlin hat seit Anfang der 1980er Jahre die Ver-Entung der Welt in all ihren Facetten erforscht. Dabei sind die Künstler mit offensichtlichem Hang zu skurrilem Humor auf zahllose überzeugend wirkende Beweisstücke gestoßen, die nahelegen, dass die Ahnen von Donald und Co. im Laufe der Zeit in allen Kulturen und an fast allen Orten der Welt stärker gewirkt haben, als die klassische Wissenschaft es bislang wahrhaben will.
Dötzi, Duck-Anch-Amun und eine Nofretete mit Entenkopf
Neben besagten Versteinerungen legen die InterDuck-Aktivisten in der Wanderausstellung "Duckomenta" etliche Kunstwerke und Dokumente vor, um ihre Weltsicht zu belegen:
Duck-Anch-Amun findet man da und eine Nofretete mit Entenkopf; die Venus von Willendorf erinnert ebenfalls frappierend an einen Vogel und wird als früher Beleg des bei Enten bis heute geltenden Schönheitsideals interpretiert, der Fettbürzeligkeit; mumifizierte Reste des Erpels "Dötzi", die sich im Gletschereis fanden, legen ebenfalls eine bedeutende Rolle der Entenvögel in der Kulturgeschichte nahe.
Aus späteren Epochen findet man in dieser Sammlung, die in Kürze beim Ehapa-Verlag als opulent illustrierter Katalog unter dem Titel "Art of the Duckomenta" erscheint, unter anderem: Leonardos Mona Lisa mit Schnabel, Tischbeins Goethe mit unverkennbarer Ähnlichkeit zu einem gewissen Dagobert Duck, und gar ein Foto, das bei der ersten Mondlandung 1969 aufgenommen wurde: Es zeigt den Fußabdruck des ersten Astronauten auf dem Erdtrabanten, der eindeutig als Entenfuß mit Schwimmhäuten zu identifizieren ist.
Der Katalog zur Sammlung von Duck-Kunstwerken und Dokumenten erscheint zu einem besonderen Zeitpunkt: Donald Duck, die wohl berühmteste Ente der Welt, wird in diesen Tagen 75 Jahre alt. So will es zumindest die offizielle Duck-Geschichtsschreibung, wie sie vom Egmont-Ehapa-Verlag vertreten wird, der die Geschichten von Donald und seinen kaum minder berühmten Verwandten aus Entenhausen seit Jahrzehnten in Deutschland herausgibt.
Schnell stahl die Ente der Maus die Schau
Hier wird der Geburtstag des vom Schicksal gebeutelten Stehauf-Erpels auf den 7. Juni 1934 datiert. Damals tauchte die menschelnde Ente zum ersten Mal auf der Kinoleinwand auf, in einem kurzen Zeichentrickfilm aus den Disney-Studios namens „The Wise Little Hen“. Darin spielte der jähzornige Kerl im blauem Matrosenanzug noch eine Nebenrolle. Aber schon kurze Zeit später wurde er zum Publikumsliebling, der seinem lebenslangen Konkurrenten Micky Maus die Schau stahl, erst auf der Leinwand und ab 1936 auch in eigenständigen Comic-Serien.
Eine andere, ebenfalls unter vielen seiner Anhänger populäre Schöpfungsgeschichte datiert Donald Ducks Geburtstag auf den 13. März 1934.
Diese Sichtweise wird nicht nur durch den Kurzfilm "Donald's Happy Birthday" von 1949 bestätigt, in dem das Datum explizit genannt wird. Vor allem sehen viele Donald-Fans das Nummernschild seines kleinen, roten Autos als Beleg: Es trägt die Nummer 313, im angloamerikanischen Raum die Datumsangabe für den 13. März.
Wieder andere Donald-Anhänger verweisen darauf, dass die Figur bereits in einer kurzen Disney-Geschichte von 1931 erwähnt wurde, während in manchen Comic-Geschichten gar das Jahr 1920 als sein Geburtstag angegeben wird. Die am Anfang erwähnte Duckomenta-Forschung legt allerdings noch weit frühere Zeiten als Ursprungsepoche des Erpels nahe.
Auch wenn der wahre Geburstag des zu Wutausbrüchen neigenden, ständig klammen Cholerikers wohl nie eindeutig zu ermitteln sein wird - alles weitere zu seinem Leben und seiner Welt ist in den vergangenen Jahrzehnten so ausführlich erforscht worden wie wohl bei keiner anderen Comic- oder Zeichentrickfigur.
Wo liegt eigentlich Entenhausen?
Eine der letzten Lücken wurde kürzlich von Jürgen Wollina geschlossen, einem aus Berlin stammenden und Bayern lebenden Kartographen. Er ist Mitglied einer Organisation, in der sich besonders leidenschaftliche Donald-Anhänger zusammengeschlossen haben: Der Deutschen Organisation der nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus, kurz D.O.N.A.L.D. Ihre Mitglieder forschen nach der wahren Größe Donalds, sie überlegen, ob Entenhausen eigentlich in unserer Welt oder doch eher in einem Paralleluniversum existiert, und sie versuchen zu ergründen, wie es kommt, dass in Entenhausen das überwiegende Verwandtschaftsprinzip die Veronkelung ist, wie auch im Falle Donalds, der mit seinen Neffen Tick, Trick und Track unter einem Dach wohnt.
Donaldist Jürgen Wollina hat nun in akribischer Recherchearbeit den ersten vollständigen Stadtplan Entenhausens erarbeitet - ein Mammutwerk, das ihn mehr als 13 Jahre lang beschäftigte (einen ausführlichen Bericht darüber finden Sie hier). Der Plan, der nach kurzer Zeit jetzt bereits in der zweiten Auflage gedruckt wurde, beantwortet die Frage nach Donald Ducks Herkunft zumindest in geographischer Hinsicht in erschöpfender Weise - auch wenn er nach wie vor nicht wirklich verrät, wo auf dem Globus denn die Heimat der Familie Duck liegt.
Die am östlichen Stadtrand erkennbaren Rocky Mountains legen allerdings nahe, dass das im englischen Original als "Duckburg" bezeichnete Städtchen an der US-Westküste zu suchen ist - oder in einem Paralleluniversum, das der US-Westküste zumindest äußerlich ähnelt.
Der Stadtplan Entenhausens basiert wie alles bei den Donaldisten, auf der Arbeit von Carl Barks, jenem Disney-Zeichner, der die wichtigsten Comic-Geschichten von Donald und seinen Weggefährten von 1942 an schrieb und zeichnete und die Figuren und ihr Universum so vielschichtig entwickelte und nachhaltig prägte wie kein zweiter. Die Donald-Geschichten aus jenen rund 25 Jahren, in denen Barks Charaktere wie Onkel Dagobert, die Panzerknacker, Daniel Düsentrieb oder Gundel Gaukeley schuf, bilden bis heute den Kanon der Donaldisten - insgesamt mehr als 6000 Seiten.
Für die Donaldisten existiert Entenhausen wirklich
"Barks war einer der größten Erzähler des zwanzigsten Jahrhunderts", urteilt Andreas Platthaus, Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und einer der promintesten Donaldisten. Doch damit nicht genug. Für Platthaus und seine rund 700 Mitstreiter ist der 1901 geborene Barks kein Comic-Zeichner, sondern ein Dokumentarist: "Donaldisten betreiben ihre Wissenschaft auf Grundlage der Hypothese, dass Entenhausen wirklich existiert", erklärt Platthaus.
Mit dieser radikalen Sicht sind die Donaldisten allerdings international weitgehend alleine, auch wenn Barks weltweit Anhänger hat. Die deutsche Besonderheit erklärt Platthaus damit, dass man eben nicht nur Carl Barks' Arbeit verehre, sondern diese auch nur in der deutschen Übersetzung durch Erika Fuchs akzeptiert. Die 1906 geborene und 2005 gestorbene Kunsthistorikerin übersetzte seit Erscheinen der ersten deutschen Ausgabe der Zeitschrift "Micky Maus" 1951 alle Entenhausen-Comics von Barks ins Deutsche und fand dafür in ihrer Nachdichtung einen so eigenständigen Ton, "dass die deutschen Donaldisten nur diese Textfassung als authentisch anerkennen", wie Platthaus sagt. Von Fuchs stammen lautmalerische Begriffe wie „Seufz!“, „Zack!“ oder „Grübel, Grübel!“.
Dass der ewige Pechvogel Donald Duck unter den vielen gezeichneten Figuren aus dem Disney-Universum bis heute der Populärste ist, führen auch weniger dogmatische Anhänger des Erpels vor allem auf das Wirken von Barks zurück. Dass Barks die anfangs eher schlichte Figur mit sie viel Einfühlungsvermögen entwickelte, lag wohl auch daran, dass der Zeichner "eine Wesensverwandtschaft mit dem launigen Erpel entdeckte", wie Comic- Experte Andreas C. Knigge im Vorwort zu einem Jubiläumsband mit Donald-Geschichten aus den vergangenen 75 Jahren schreibt. „Donald habe ich immer am liebsten gezeichnet, denn mit ihm ließ sich eine Menge anstellen", habe Barks einmal festgestellt. "Jeder Mensch unterliegt Stimmungsschwankungen, auch ich bin an einem Tag euphorisch, am anderen eher depressiv gestimmt. Und Donald ging es ebenso, ihn konnte ich fühlen, er war ein Stück von mir selbst und verhielt sich oft so, wie auch ich es tue.“
Eine neue Zeichnergeneration wahrt die Tradition
Nach dem Ende der Ära Barks haben sich andere Autoren und Zeichner der Ducks und ihrer Welt angenommen. Für Donaldisten wie Platthaus ist deren Arbeit kaum der Erwähnung wert, aber aus Sicht von Andreas C. Knigge, der sich als Comic-Verleger und Autor diverser Fachbücher einen Namen gemacht hat, ist "eine neue Zeichnergeneration bravourös in Barks’ Fußstapfen getreten".
US-Zeichner wie William van Horn und Don Rosa, der aus Argentinien stammende Daniel Branca und Vicar aus Chile, sowie Daan Jippes und Mau Heymans aus den Niederlanden, Marco Rota aus Italien und aus Finnland Kari Korhonen - die alle in einem jetzt bei Ehapa erschienenen Jubiläumsband vereint sind - haben für Knigge dazu beigetragen, dass Donald Duck "zum Weltbürger geworden ist".
Allerdings zu einem, dessen Abenteuer in Europa heutzutage mehr Leser haben als in seinem Ursprungsland.
Während in den USA neue Donald-Geschichten kaum noch publiziert werden, haben sich vor allem in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Foren für Donald und seine Weggefährten dauerhaft etabliert, die zum 75. Geburtstag mit diversen Sonderausgaben ihre wichtigste Figur ehren: Neben der Kinderzeitschrift "Micky Maus Magazin", die redaktionelle Beiträge und Comics kombiniert und derzeit um die 270.000 Hefte pro Woche verkauft, sind vor allem die "Lustigen Taschenbücher" weiterhin populär (monatlich 250.000 verkaufte Exemplare), dazu kommen die monatlichen Donald-Duck-Sonderhefte mit jeweils mehr als 40.000 verkauften Heften sowie diverse Sammlerausgaben in Buchform vor allem für erwachsene Donald-Fans.
Dass die Ente es bis heute schafft, Comicfans unabhängig von ihrem Alter zu erfreuen, hängt wohl auch damit zusammen, dass jene Zeichner, die heute den Stift führen, sich im Einklang mit den Vorgaben von Disney und Egmont-Ehapa vor allem als Wahrer der Tradition sehen, wie sie von Altmeister Barks geprägt wurde.
„Es ist wichtig, dass Donald so wenig wie möglich verändert wird“, erklärte der Zeichner Vicar dem Tagesspiegel im Interview, als er vor fünf Jahren zum 70. Donald-Geburtstag in Berlin zu Besuch war. So habe er sich in gut 30 Jahren, in denen er Donald-Geschichten zeichnet, nur eine Abweichung von der traditionellen Szenerie erlaubt: „Ich zeichne heute mehr Autos in den Straßen als früher.“ Ansonsten sollte man Donald äußerlich sein Alter nicht anmerken, findet Vicar: „Er ist unsterblich, damit unsere Kinder und Enkel über seine Geschichten genauso lachen können wie wir. “
Mehr über die Jubiläumsausgaben mit Donald-Geschichten im Internet unter www.ehapa.de. Mehr über die Donaldisten unter www.donald.org, hier kann man auch den Stadtplan Entenhausens bestellen. Mehr über die Duckomenta-Ausstellung unter www.duckomenta.de.
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