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Der Schriftsteller Rafik Schami
© imago/VIADATA

Autobiografie von Rafik Schami: Endlich frei

Rafik Schami erzählt in seinem neuen Buch "Ich wollte nur Geschichten erzählen" von seinem Leben als Exilautor.

Als Rafik Schami am 19. März 1971 mit einem Flugzeug in Frankfurt am Main landete, flüsterte er vor sich hin: „Ana hurr“ – „Ich bin frei“. Seitdem feiert er diesen Tag als zweiten Geburtstag, einen Tag, an dem er überdies begann, festes Mitglied der deutschen Literatur zu werden. Sein neues Buch heißt „Ich wollte nur Geschichten erzählen. Mosaik der Fremde“, und darin erzählt er von seinem Leben als Exilschriftsteller, der Syrien verlassen musste, weil die Zensur ihn am Schreiben hinderte.

Das Leben ähnele „eher einem Mosaikgemälde. Je näher man kommt, umso sichtbarer werden die Bruchlinien, umso charaktervoller die einzelnen Steine“, schreibt Schami. Weshalb sein Buch auch keine durchgehende Biografie geworden ist, sondern ein Band mit Geschichten. Bei seiner Ankunft in Frankfurt hatte er einen „Schatz aus Papier“, dabei, darunter „zwei fast fertige Romane: ,Eine Hand voller Sterne‘ und ,Erzähler der Nacht‘, sowie der Entwurf des Romans ,Die dunkle Seite der Liebe‘, der mich 33 Jahre begleiten sollte, bevor er 2004 erschien“.

Ein Grundübel arabischer Gesellschaften ist für Schami die Sippe. Sie herrsche wie im 7. Jahrhundert und ähnele einer Pyramide, deren Spitze mehr Anstrengungen von der Basis verlange, um Milch und Honig fließen zu lassen. Wer dies kritisiert, wird zum Staatsfeind, da er durch Pro und Kontra die Basis und damit die Stabilität der Pyramide gefährde. Bricht die Basis auseinander, flacht die Spitze ab. „Davor haben die Spitzenvorsteher mehr Angst als davor, einen Krieg zu führen oder Teile des Landes zu verlieren. Daher bekämpfen die arabischen Diktatoren die Oppositionellen in ihrem Land mehr als den ,Erzfeind‘ Israel. In Syrien richten sich 15 Geheimdienste gegen das Volk und eine einzige, unfähige Abteilung gegen Israel. Da erkennt man ganz einfach, wo der Feind der Sippe ist.“

Rafik Schami blickt auch auf den deutschen Literaturbetrieb

Seit über 40 Jahren wird Syrien vom Assad-Clan beherrscht. In seiner ersten Zeit in Deutschland erschütterte Schami die Ahnungslosigkeit und Unkenntnis der Intellektuellen in Deutschland, die Ignoranz der moskautreuen Linken, die es sich mit dem damals sozialistischen Assad-Regime nicht verderben wollte.

Getroffen hat ihn auch die Ignoranz arabischer Verlage. Niemand wollte seine Texte nach seiner Ankunft in Deutschland drucken. Von der eigenen Sprache abgekoppelt zu sein kam einer zweiten Exilierung gleich. Also musste Schami Deutsch lernen. Zum besseren Verständnis der deutschen Sprache und ihrer Feinheiten schrieb er die „Buddenbrooks“ von Hand ab. Die Exilliteratur sei „Entwicklungshelferin sowohl für das Ursprungs- als auch das Exilland“.

Die neue Freiheit bereitet auch Probleme. Zurückgebliebene Autoren fühlten ihre Unterwerfung, die moralische Deformierung noch intensiver. Rafik Schami verschafft mit seinem Buch Einblicke in den deutschen Literaturbetrieb und erzählt von den Mühen, als Exilautor Fuß zu fassen und sich gegen falsche Freunde und Widersacher zu wehren. Seine Bücher erscheinen übrigens nun auch auf Arabisch, in einem libanesischen Verlag. Es besteht also Hoffnung.

Rafik Schami: Ich wollte nur Geschichten erzählen. Mosaik der Fremde. Koedition von Hirnkost, Berlin 2017, Verlag Hans Schiler, Berlin/Tübingen 2017. 172 Seiten, 18 €.

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