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Michael Glawogger.
© dpa
Update

Zum Tod von Michael Glawogger: Ende einer Weltreise

Er ging in nigerianische Schlachthöfe, traf Prostituierte in Bangladesch. Jetzt ist der international renommierte österreichische Filmemacher Michael Glawogger unvermutet in Liberia an Malaria gestorben. Ein Nachruf.

Seit 3. Dezember war er im VW-Bus unterwegs mit seinem Kamera- und seinem Tonmann in Afrika, aufgebrochen zu einer einjährigen Weltreise für seinen Film "Untitled - Der Film ohne Namen". In einem „SZ“-Blog dokumentierte er einzelne Stationen; der letzte, gesendet vor zwei Wochen aus Galahun in Sierra Leone, beginnt so: „Und dann war es mit einem Mal klar: die ganze Stadt schlief. Er fand kein Geschäft, in dem jemand wach gewesen wäre. Er sah keine Veranda, auf der man nicht friedlich schlummerte, und keine Seele, die nicht träumte.“

In der dritten Person schrieb Michael Glawogger diese insgesamt 15 Texte, und in der Vergangenheitsform. Und nicht nur in diesem Zusammenhang wirkt die Nachricht von seinem plötzlichen Tod – in der Nacht zu Mittwoch starb er in Liberia an Malaria – so hellseherisch ausbelichtet, ja, überwirklich wie viele Szenen seiner Filme. Der rastlose Bildersucher: unvermutet erloschen auf der stillen Jagd zu neuen Tableaus, die die Welt nicht erklären, aber erzählen, auf unverwechselbar eigene Weise.

„Keine Seele, die nicht träumte“: Vielleicht lässt sich so auch Glawoggers Zugang zu den Menschen deuten, denen er in seiner fulminanten Trilogie über die globale Arbeitswelt – „Megacities“ (1998), „Workingman's Death“ (2005) und „Whores' Glory“ (2011) – ein Denkmal setzte. Seine kommentarfreien Dokumentar-Essays führten zu den Ärmsten der Armen in Bombay, Mexiko City, New York und Moskau, zu nigerianischen Schlachthofarbeitern, zu Schwefelträgern in Indonesien oder Prostituierten in Bangladesch. Dabei vermied er Sozialkritik ebenso wie Ästhetisierung, die ihm oft vorgeworfen wurde. Eher filmte er wie aus dem Inneren der geschunden träumenden Seele seiner Figuren. Dass Not und Armut oft mit leuchtenden Farben einhergehen: Glawoggers Schuld ist es nicht.

Diese Trilogie, vielfach preisgekrönt, wird bleiben. Niemand, der sie sah und sich nicht erinnert. 1959 in Graz geboren, hat Glawogger nach einem Studium am San Francisco Art Institute und der Wiener Filmakademie auch Spielfilme gedreht („Slumming“, "Nacktschnecken", „Das Vaterspiel“), Glück brachten sie ihm eher selten: Für "Die Ameisenstraße" wurde er 1995 beim Saarbrücker Max-Ophüls-Filmfest ausgezeichnet. Der Filmemacher, Drehbuchautor und Kameramann aus Österreich war und blieb Weltreisender, albträumend, träumend.

Die Branche ist bestürzt und fassungslos. Der Produzent Danny Krausz, ein Freund und enger Wegbegleiter Glawoggers über Jahrzehnte, schreibt: "Glawo, Dein so unerwarteter und tragisch früher Tod reißt ein ewiges Loch in unsere Filmlandschaft." Roland Teichmann, Direktor des Österreichischen Filminstituts, nennt ihn "einen unserer profiliertesten Filmemacher, einen, der sich nie einordnen ließ und der ein filmisches Werk hinterlässt, das in den Kanon des Weltkinos eingegangen ist". Bundesminister Josef Ostermayer würdigte Glawogger als Regisseur, der es verstand, "Menschen mit seinen Filmen gleichermaßen zu berühren, zu unterhalten, aber auch aufzurütteln und auf Missstände aufmerksam zu machen".

Zuletzt sah man auf der Berlinale Bilder von Glawogger, einen Beitrag im 3D-Architekturfilm "Kathedralen der Kultur", an dem auch Wim Wenders mitwirkte. Glawogger porträtierte für die Dokumentation die Russische Nationalbibliothek in St. Petersburg. "Bibliotheken", sagte er dazu, "sind vollgepackt mit Möglichkeiten an Ideen und Gedanken; sie sind materialisierte Mannigfaltigkeit." Wieder hatte er sich als Reisender aufgemacht, als Globetrotter in der Welt des Geistes. "Kathedralen der Kultur" kommt Ende Mai in die deutschen Kinos, mit den nun letzten Kinobildern von Michael Glawogger. Er wurde 54 Jahre alt.

Der ORF 1 zeigt in memoriam Glawogger am Mittwoch, den 23.4., den Dokumentarfilm "Megacities" (21.55 Uhr). Am 25.4. läuft in ORF 3 Glawoggers psychedelische Gangsterkomödie "Contact High" von 2009. Am 27.4. im ORF 2 dann "Workingman's Death" (23.50 Uhr) und am 28.4. um 0:00 "Das Vaterspiel", nach Josef Haslingers Roman, und im Anschluss "Whores' Glory", ebenfalls ORF 2.

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