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Die russische Nationalbibliothek in St. Petersburg, im Beitrag von Michael Glawogger.
© Wolfgang Thaler /Filmverleih

Architekturfilm in 3-D: Ich bin ein Haus ohne Gesicht

Wim Wenders’ Gemeinschafts-Doku „Kathedralen der Kultur“ feiert in der Special-Reihe der Berlinale ihre Weltpremiere

Häuser sind viel toleranter, als Menschen es je sein werden: Sie gewähren uns Obdach – wie schon so vielen vor uns – und fragen nicht weiter, wer wir sind. Sie setzen uns nie vor die Tür. Und wir? Nehmen sie oft kaum wahr, diese passiven Gehäuse unserer täglichen Geschäfte. Es sei denn, wir stehen mit jenem großäugigen Sightseeing-Blick vor ihnen und denken schon wieder statt an sie nur an uns: Wer hat das gebaut, wann und warum?

Menschen sehen Häuser. Damit, glaubte Wim Wenders, müsse nun endlich Schluss sein, wenigstens einen Film lang. Ab sofort blicken die Häuser zurück, sie schauen uns an und sagen, was sie von uns halten. Vielleicht sogar, wer wir sind. Die Idee kam Wenders, als er 2011 einen 3-D-Film für die Architektur-Biennale in Venedig machte: „If Buildings Could Talk“. Der Regisseur ahnte gleich, dass nicht jedes Haus mit jedem sprechen würde, also lud er andere ein, es mit ihm gemeinsam zu versuchen. Und zwar in 3-D, denn welches Sehen könnte der Architektur, dieser Raumkunst, mehr entsprechen als das räumliche?

Michael Glawogger porträtierte die Russische Nationalbibliothek

Ich bin ein Haus ohne Gesicht, gesteht das Centre Pompidou in Paris. Es spricht ganz offen über seine Hässlichkeit, obgleich es mit seiner Entstehungsidee, eine Kulturmaschine zu sein, von Anfang an sympathisierte. Der Brasilianer Karim Ainouz hielt mit der Kamera einen Tag in seinem Leben fest. Und Robert Redford brachte das Salk-Institut in der kalifornischen Wüste zum Sprechen. 1959 bat der berühmte Virologe Jonas Salk den Architekten Louis Kahn, ihm – und der Wissenschaft – ein Haus zu bauen und wusste auch schon welches: eins, in dem Picasso sich wohlgefühlt hätte! Michael Glawogger porträtierte die Russische Nationalbibliothek und Michael Madsen unterhielt sich in 3-D mit dem norwegischen Halden-Gefängnis.

„Kathedralen der Kultur“ heißt das sehenswerte Gemeinschaftswerk. Einst war die Kirche der überindividuelle, nicht zweckhafte Raum per se. Er bekam zunehmend Konkurrenz durch jene Räume, in denen der Mensch nicht den Herrn, sondern sich selbst verehrte. Bibliotheken, Opernhäuser, Konzertsäle. Wenders porträtierte die Berliner Philharmonie, schon weil sie selbst wie Stein gewordene Musik ist.
12.2., 15 Uhr, 13.2., 10 Uhr (HdBF)

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