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Derzeit präsentiert sich das Gelände rund um die Philharmonie noch als Wüstenei. Doch immerhin wird jetzt endlich etwas getan.
© Lichtschwaermer

Neue Flaniermeile: Ende der Ödnis auf dem Kulturforum

Auf der Karajan-Promenade: Endlich wird sichtbar, was für eine fantastische neue Freifläche rund um die Philharmonie entsteht.

Noch ist der Weg zum neuen Stadtbalkon etwas mühsam. Wer vom Potsdamer Platz kommt, muss erst einmal an der ehemaligen Scharounstraße entlang, die sich derzeit als sandige Wüste präsentiert, wo jede Menge Rohre darauf warten, im Boden verbaut zu werden. Auf der Höhe des Kammermusiksaal-Eingangs geht es dann linker Hand den schmalen Korridor zwischen den Bauzäunen hindurch, schließlich muss der Besucher noch einen weiteren Schlenker machen, um die Absperrungen vor dem Kupferstichkabinett zu umrunden.

Dann aber ist das Ziel erreicht: Leicht erhöht steht man auf der Aussichtsplattform, die sich jetzt an die problematische Schräge der Museums-Piazzetta anschließt, und überblickt das Gelände. Im Hintergrund ragen die Bürotürme des Potsdamer Platzes in den Berliner Himmel, die Mitte dieser Vedute bildet das vertraute Dachgebirge der beiden Konzertsäle. Im Vordergrund aber wird jetzt endlich sichtbar, dass hier Großes passiert.

Das Ende der ewigen Ödnis auf dem Kulturforum ist in greifbare Nähe gerückt. Bald schon wird sich das Gelände rund um die Philharmonie in eine Folge von Freiflächen verwandeln, die wirklich zum Verweilen einladen. Den als Fußgängerzone gestalteten Zugang von Norden her haben die Menschen bereits begeistert angenommen. Tagsüber lagern Touristengruppen auf dem Rasen, die eine Pause beim Sightseeing einlegen. Abends hetzen Besucher nicht mehr so schnell wie möglich zum Eingang der Philharmonie, wie früher, als hier noch ein Parkplatz war, stattdessen wandeln sie entspannt dem Klassikerlebnis entgegen.

So freundlich soll die Atmosphäre bis zum Jahresende Schritt für Schritt auf dem gesamten Areal werden. Die Karajan-Straße ist bereits in ihrer Breite halbiert worden, für Reisebusse, Taxis und Pkw, die Personen mit eingeschränkter Beweglichkeit direkt vor der Tür abliefern wollen, sind Parkbuchten eingerichtet. Schlanke Laternen-Stelen wechseln sich an der Bordsteinkante ab mit Eichen, von denen fünf neu gepflanzt worden sind. Jede einzelne wurde liebevoll in der Baumschule ausgesucht von den Mitarbeitern von „Grün Berlin“, dem städtischen Unternehmen, das für die Umbaumaßnahmen am Kulturforum zuständig ist.

Italienisches Flair auf dem Scharounplatz

Wenn demnächst die zusätzlichen Rasenflächen ausgerollt und die Fahrradständer installiert sind, wird es zwischen Philharmonie und Kammermusiksaal eine veritable Promenade geben. An sie wird sich ein weiter Stadtplatz anschließen, fast 40 Meter breit und 150 Meter lang, hellgrau gepflastert. Wie die zuletzt schrecklich verwahrloste Straße, die zuvor hier entlanglief, wird auch die neu entstehende Flanierfläche nach Hans Scharoun benannt sein. Im Schritttempo darf der 200er-Bus dort fahren, um seine Fahrgäste abzusetzen, die zu den Museen und den Konzertsälen wollen und irgendwann auch zur neuen „Kunstscheune“, die Herzog & de Meuron südlich anschließen. Darüber hinaus sind Fahrzeuge hier unerwünscht.

Wenn es den Anrainer-Institutionen gelingt, das Bezirksamt Tiergarten davon zu überzeugen, Streetfood-Wagen auf dem neuen Areal zuzulassen, bei denen man Getränke und Snacks kaufen kann, könnte an warmen Sommerabenden auf dem künftigen Scharounplatz ein italienisches Flair entstehen. Die neuen Anlagen vor der Piazzetta jedenfalls laden dazu ein.

Neben den Treppen zu den beiden Stadtbalkonen gibt es dort auch Stufen, die so breit angelegt sind, dass man sich darauf zum Picknicken niederlassen kann, ohne dem Vordermann die Schuhe in den Rücken zu bohren. Das Wiener Museumsquartier, das in den letzten Jahren zum öffentlichen Wohnzimmer für die Bewohner der österreichischen Hauptstadt geworden ist, stand Pate für diesen Abschnitt des Projekts.

Ein doppelter Grund zur Freude

Ein Ende des Schattendaseins schließlich ist auch für den so genannten „Philharmonischen Garten“ in Sicht, jenes Kraut-und-Rüben-Gelände auf der Rückseite des Konzertsaals. Alles Gestrüpp hat „Grün Berlin“ hier entfernen lassen, die Erdwälle wurden ganz neu modelliert und frisch bepflanzt, mit Sträuchern, Ahorn, Eichen und Götterbäumen. Die originalen Gitter-Sitzbänke aus den späten Siebzigerjahren sind gerade zur Aufarbeitung in der Werkstatt, durch zusätzliche Rampen wird das achteckige, vom Philharmonie-Logo inspirierte Areal künftig sogar barrierefrei zugänglich sein.

Lange, sehr lange mussten die Kulturbürger warten, bis das Elend an ihrem Forum endlich angegangen wurde. Die Ära von Claudio Abbado ist darüber verstrichen, ebenso die Zeit von Simon Rattle als Chefdirigent. Dass es jetzt klappt, passgenau zum Amtsantritt von Kirill Petrenko bei dem Spitzenorchester, ist ein doppelter Grund zur Freude.

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