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Amerikanerin mit deutschen Wurzeln. Hilary Hahn, hier 2013 bei einem Konzert in der Hamburger Laeiszhalle.
© Imago

Geigerin Hilary Hahn beim DSO: Eine unglaubliche Frau!

Die Geigerin Hilary Hahn gastiert mit Beethovens Violinkonzert beim DSO - und das Publikum in der Berliner Philharmonie liegt ihr zu Füßen.

Diese Frau ist einfach unglaublich. Blickt selbstbewusst und souverän in den Saal, als habe sie noch nie auch nur eine Sekunde ohne Publikum zugebracht. Versenkt sich dann aber auf derart innige Weise ins Geigenspiel, als habe sie ihr Dasein ganz im Gegenteil bislang als Eremitin gefristet. Intimität und Entäußerung, Glamour und l’art pour l’art, Außenwelt und Innenwelt, bei Hilary Hahn fällt es in eins. Noch bei den wildesten Läufen in Beethovens Violinkonzert verhilft sie jedem einzelnen Ton zu seinem Recht, nie verschleift sie auch nur ein Intervall. Eine Meisterin der Klarheit, der Nuance – aber eben auch der Verführung.

Fast möchte man sich wehren gegen so viel Perfektion. Allein ihr makelloses Legato und die Flächigkeit des Larghetto, der Mut, mit dem Deutschen Symphonie Orchester unter Leonard Slatkin die Zeit schier anzuhalten! Slatkin, ihr stets zu Diensten, betont die ersten Taktteile zwar allzu sehr, was dem D-DurKonzert gehörige Erdenschwere verleiht. Aber dann geht Hahn in die Knie, hebt die Schwerkraft auf, lässt den Gesang ihrer Violine in vollendeter Schönheit in schwindelnde Höhen steigen und beseelt das totgespielte Stück, als erklinge es zum ersten Mal. Das Publikum in der restlos ausverkauften Philharmonie liegt ihr zu Füßen. Etliche sind wegen ihr gekommen, ganz besonders ihr zuliebe, diesem Star und ihrer Kunst, sich das Kindliche zu bewahren und doch mit ihrem Spiel von Reife zu künden. So veredelt sie das klassische Repertoire ebenso in ihren Interpretationen, wie sie sich um vergessene Partituren und Neutöner verdient macht.

Hilary Hahn spielt hochschwanger. Bald pausiert sie eine Weile

Hochschwanger ist sie auch noch. Am Donnerstag tritt sie in Wien zum letzten Mal vor der Geburt ihres ersten Kindes auf, jedenfalls laut Tourneeplan. Im März hatte die 35-jährige Amerikanerin mit deutschen Wurzeln, sonst strikt auf die Wahrung ihrer Privatsphäre bedacht, die Neuigkeit via Facebook mitgeteilt. Fröhlich, ausgelassen und zugleich der Freude über ihr neues Mozart-Vieuxtemps-Album Ausdruck verleihend. So hält Hilary Hahn das Heft in der Hand; auch den Fingersatz des Medien-Instrumentariums beherrscht sie perfekt.

Unglaublich, diese Frau. Nach der Pause ist sie gleich wieder da, hat sich umgezogen, sitzt jetzt in Block A, offenbar neugierig auf Josef Suks „Asrael“-Symphonie. Ein Requiem ohne Worte, ausgerechnet, zum Tod von Suks Schwiegervater Dvorák 1904 und dessen Tochter ein Jahr darauf, Suks erst 27-jähriger Gemahlin Otilie. Eine Stunde dauert die fünfsätzige Mammut-Symphonie, dieses mit reichlich Unisono-Pathos, apokalyptischen Gewaltmärschen und Bläserchorälen gespickte, an Dvorák, Mahler, Ravel gemahnende Trauer-Manifest. Das DSO schwächelt nicht eine Sekunde bei diesem Trumm von Lamento, stürzt sich vor allem in die schrillen, schrundigen Passagen des Scherzos und lässt sich von Slatkin immer wieder willig zum Fortissimo-Tremolo verleiten. Trauer als unerschütterlich fixe Idee, als quälende Geisterbeschwörung – und der Tod eine Endlosschleife? Wenigstens gönnt Suk seinem Schmerz einen Pianissimo-Schluss, es ist eine Erlösung.

Christiane Peitz

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