Die Identitäre Bewegung: Eine neurechte Spaßguerilla
Die Identitäre Bewegung besitzt über 400 eingetragene Mitglieder. Die machen mit fragwürdigen Aktionen - wie zuletzt im Gorki - immer öfter auf sich aufmerksam.
Ein schwarzer Kreis auf gelbem Grund, darin ein schwarzer Winkel. Er steht für Lambda, den elften Buchstaben des griechischen Alphabets. Die knallige Flagge, die am Montagabend im Berliner Maxim-Gorki-Theater hochgehalten wurde, vermischt die Zeichen von Hoch- und Popkultur. Sie steht für die Identitäre Bewegung, eine relativ neue Organisation mit Drang zur Agitation. Im Gorki-Theater hat sie zum ersten Mal eine deutsche Bühne erobert.
Der Journalist und Verleger Jakob Augstein und die Theologin Margot Käßmann sprachen gerade über ein Aufregerthema, vielleicht das Aufregerthema dieses langen Sommers, die Burka, als ein Dutzend junge Männer und Frauen aufsprangen, „Heuchler“ zu skandieren begannen und Schilder reckten, auf denen noch einmal derselbe Vorwurf stand. Die Veranstaltung, live im Radio übertragen, stand vor dem Abbruch, dann wurden die Störer aus dem Saal geleitet. Eigentlich hatte das Gespräch unter der Überschrift „Was uns der Glaube heute zu sagen hat“ gestanden. Stattdessen glaubten Rechtsextreme etwas zu sagen zu haben.
Die schwarzgelbe Fahne spielt auf die Comicverfilmung „300“ an, in der tapfer sterbende Spartaner einer Streitmacht der Perser trotzen. So wollen die Identitären ihre Heimat verteidigen, gegen Einwanderer und Kulturvermischung. Entstanden ist die Bewegung in Frankreich, über Österreich kam sie nach Deutschland, wo sie 2014 als Verein eingetragen wurde und bis zu 400 Anhänger hat. Die Identitären tarnen sich als Spontis, sie benutzen alte linke Agitationsformen. Allerdings versteht die rechte Spaßguerilla schnell keinen Spaß mehr. In Wien stürmten Aktivisten eine Aufführung von Elfriede Jelineks Theaterstück „Die Schutzbefohlenen“, in Bayern stellten sie als Symbol gegen die „Islamisierung“ ein Gipfelkreuz auf, an der Loreley am Rhein platzierten sie ein Schild mit der Aufschrift „Integration ist ein Märchen“. In Berlin besetzten sie das Brandenburger Tor.
Die Gorki-Aktion bezeichnet die „Identitäre Bewegung Deutschland“ auf ihrer Facebook-Seite als „Ästhetische Intervention Nummer 1“. Der halbironische Tonfall knüpft an Verlautbarungen des Zentrums für Politische Schönheit an. Nur, dass Philipp Ruch und seine Mitstreiter nicht gegen, sondern für Flüchtlinge kämpfen. Ein Vorgänger der Identitären Bewegung Deutschland nannte sich „Sarrazin-Bewegung“. Ein ehemaliger SPD-Senator als Galionsfigur der Ganzrechten. Deutschland schafft sich ab? Rassismus ist unkaputtbar.
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