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Menschmaschine: Eine Szene aus „Last Hero Inuyashiki“.
© 2015 Hiroya Oku. All rights reserved.

Mangaserie „Last Hero Inuyashiki“: Eine Frage der Menschlichkeit

Brutale Cyborg-Fantasien und brisante Gesellschaftskritik: Die Mangaserie „Last Hero Inuyashiki“ verhandelt die Frage: Was macht einen Menschen aus?

Mit der bislang nicht abgeschlossenen Serie „Last Hero Inuyashiki“ holt Egmont Manga den Zeichner Hiroya Oku auf den deutschen Markt zurück, nachdem dessen in Japan 37 Bände umfassendes, vielfach für Fernsehen und Kino adaptiertes Science-Fiction-Werk „Gantz“  hierzulande 2003 nach nur fünf Bänden eingestellt worden war. Der 1967 geborene Künstler ist spezialisiert auf Seinen-Mangas, Comics für Erwachsene, und brilliert auch in seinem aktuellen Werk, das in seinem Heimatland längst ein Bestseller ist, mit einer Mischung aus brutalen Cyborg-Fantasien und brisanter Gesellschaftskritik. 

Der 58 Jahre alte Ichiro Inuyashiki ist kein Held. Von der eigenen Familie geringgeschätzt und vom eigenen Körper im Stich gelassen, blickt der alte Herr auf ein belangloses Leben zurück. Auf dem Zenit seines Selbstmitleides fällt ihm dann jedoch buchstäblich der Himmel – in Form einer außerirdischen Lebensform – auf den Kopf. Leider wird seine Existenz dabei vollständig ausgelöscht.

Die Aliens beschließen kurzerhand, ihn und ein weiteres, wesentlich jüngeres Individuum, das ebenfalls betroffen war, nur äußerlich zu reparieren und das Innere jeweils neu zu konstruieren, um sämtliche Spuren ihres unglücklichen Besuchs zu verwischen. Dafür stehen allerdings nur Waffeneinheiten zur Verfügung, mit denen die Zerstörung der Erde nur eine Frage der Zeit ist.

In der Tradition von Astro Boy

Herrn Inuyashiki, der immer noch sämtliche Erinnerungen an sein Leben hat, bleibt sein neues Ich nicht lange verborgen und er hadert trotz gottgleicher Superheldenkräfte mit seiner neuen Existenz. Nach einem selbstlosen Einsatz, bei dem er das Leben eines Obdachlosen rettet, findet er jedoch eine neue Bestimmung und fühlt – vielleicht sogar zum ersten Mal in seinem Leben – dass er ein Mensch ist.

Gottgleiche Superheldenkräfte: Eine Szene aus „Last Hero Inuyashiki“.
Gottgleiche Superheldenkräfte: Eine Szene aus „Last Hero Inuyashiki“.
© 2015 Hiroya Oku. All rights reserved.

Ein ungewöhnlicher Held in Tradition des berühmten Astro Boy aus der Feder Osamu Tezukas benötigt natürlich einen ebenso bizarren Antagonisten. Hiroya Oku hat nicht umsonst eine zweite Figur in den Alien-OP geschickt, die nicht halb so ehrbare Absichten wie Herr Inuyashiki hegt. So entspinnt sich ein erbarmungsloser Zweikampf zwischen den Roboterkopien, die beide mit dem so brutal übergestülpten Dasein als Menschmaschine hadern.

Der Künstler porträtiert ganz nebenbei das Leben zweier durchschnittlicher, emotional vernachlässigter Charaktere und diskutiert das Thema Menschlichkeit so nicht nur im Hinblick auf die zwei humanoiden Roboter und ihre Rechte sondern auch unter dem Aspekt einer oberflächlichen, gnadenlos erfolgs- und prestigeorientierten Gesellschaft.

Spannend, wenn auch ein wenig repetitiv

Seine Beobachtungen verpackt Hiroya Oku wie schon in „Gantz“ im flüssigen Erzählstil actionreicher Gut-versus-Böse-Blockbuster in kompromisslose, blutige aber ebenso detailreiche Bilder. In den disziplinierten, sehr großzügig aufgebauten Seitenlayouts kombiniert er Fotohintergründe mit handgezeichneten Lebewesen sowie digital erstellter Robotertechnik und kühlen, schematischen Kulissen.

Für die Flugszenen – Herr Inuyashiki besitzt neben enormen Kräften, einem außerordentlichen Gehör und vielem mehr selbstverständlich auch eine Art Raketenantrieb – nutzte der Zeichner Aufnahmen, die mithilfe einer Drohne und eines Helikopters gemacht wurden, um Start, Landung und Flugzeit möglichst wirklichkeitsnah darzustellen.

Neues Ich: Der rüstige Held der Reihe auf dem Cover des ersten Bandes.
Neues Ich: Der rüstige Held der Reihe auf dem Cover des ersten Bandes.
© Egmont

Superhelden in diesem fortgeschrittenen Alter sind selten auf dem Comicparkett anzutreffen, die Bekanntschaft mit Herrn Inuyashiki empfiehlt sich jedoch nicht nur aus diesem Grund für Fans des Zeichners sowie – bei Affinität zu japanischer Erzählkunst – genialer Autoren wie Frank Miller.

Letztlich ist die zunehmend spannendere, wenn auch ein wenig repetitive Serie „Last Hero Inuyashiki“ ein mit barbarischen Morden und sexueller Gewalt angefüllter Horrortrip durch die moralischen Abgründe der menschlichen Gesellschaft. Hiroya Oku setzt dieser Finsternis aber auch einen reizvollen Helden als Hoffnungsschimmer entgegen.

Hiroya Oku: Last Hero Inuyashiki, Egmont Manga, bislang 6 Bände, je 194 S., 9, 99 €

Interessante Interviews mit dem Künstler finden sich auf der Egmont-Seite unter diesen Links:
http://www.egmont-manga.de/cyborg-genie-mangaka/
http://www.egmont-manga.de/hollywood-meets-manga/

Einen Tagesspiegel-Artikel über den Siegeszug des Manga in Deutschland, der vor gut 25 Jahren begann, finden Sie unter diesem Link.

Sabine Scholz

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