Zum Tod von Schauspielerin Anna Karina: Ein Spiel von Liebe und Freiheit
Galaktische Produktivität: Anna Karina war in den 1960er Jahren der Liebling der Nouvelle Vague. Jetzt ist sie mit 79 Jahren gestorben.
Es waren Männer, die hinter der Kamera standen und das Geschehen dirigierten, Regisseure wie Jacques Rivette, Francois Truffaut, Jean-Luc Godard, Eric Rohmer und auch Claude Chabrol. Linker Intellekt und Machismo bestimmte die sechziger Jahre, aber die Nouvelle Vague war – nicht nur in der Grammatik – weiblich.
Ihr schönstes Gesicht war Anna Karina. Die dann einige Jahre mit dem Grübler Godard verheiratet war.
Das Paar schrieb Filmgeschichte, in wenigen Jahren nur. Revolutionen sind verdichtete Zeit, und so ist es auch in der Kunst, die ohnehin, wenn sie gelingt und überdauert, Zeit und Geist komprimiert, das Komische und das Tragische.
Für „Eine Frau ist eine Frau“ wurde Anna Karina 1961 auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären als beste Schauspielerin ausgezeichnet. Godards charmantester Film, eine Pariser Beziehungskomödie, verdankt Anna Karina alles.
Anna Karinas Kamerablick war berühmt
Die verliebte Kamera geht immer wieder auf ihr Gesicht, sie blickt verliebt zurück. Junge Menschen, nett, chaotisch, mit einer fröhlichen Libido. Liebe tut nicht weh, sehr französisch. Zuvor hatte Anna Karina in Godards „Le petit soldat“ eine Geheimagentin gespielt, der Film war eine subversive Beschäftigung mit dem Algerienkrieg und in Frankreich eine Weile verboten.
Schlag auf Schlag: 1962 dreht Godard „Vivre sa vie“ (Die Geschichte der Nana S.), was als sein erster Film-Essay gilt. Anna Karina, in der Rolle einer Prostituierten, ist das Modell für alle möglichen Gefühlslagen, die durchprobiert werden – schon deutlich dunkler.
Die Produktivität jener Jahre wirkt heute galaktisch. Ein epochaler Film folgte auf ein bahnbrechendes Pop-Album. Godards „Pierrot le fou“ (1965) mit Anna Karina und Jean-Paul Belmondo zeigt vielleicht am stärksten, wie lange das alles her ist: Sie singen, sie lieben sich, sie spielen mit Sprengstoff und Terror, und es gibt noch eine bürgerliche Gesellschaft, aus der man ausbrechen will, nicht ohne den traditionellen Bildungsschatz zu zitieren.
Es sind ihre erotischsten Einstellungen – wenn sie aus einem Roman oder Gedichtband vorliest. Godard zelebrierte diese langen Momente. Liebeserklärungen an Anna Karina, Hass auf die Verhältnisse.
Da tanzen sie am Strand, fahren mit dem Auto herum, philosophieren im Grunde darüber, wie man ein junges Leben am lässigsten wegwirft.
Sie sang Chansons von Serge Gainsbourg
Cool, das waren sie. Das hatte mit Godards „Außer Atem“ angefangen. Jean Seberg und Belmondo machen Paris unsicher, ein spielerisch existenzialistischer Film, für den ursprünglich Anna Karina vorgesehen war. Angeblich hat sie abgesagt, weil sie keine Nacktszene spielen wollte.
Bei Anna Karina, die aus Dänemark stammte und als Model für Schaumbadwerbung und Chanel begann, kam diese offene Naivität dazu, die tatsächlich entwaffnende Neugier war. Große, wache, Witz und Klugheit und Gefahr versprühende Augen, in die man sich leicht vergucken kann.
Mit Godard und Eddie Constantine drehte sie auch noch einen „Lemmy Caution“-Film, das Traumpaar der Nouvelle Vague trennte sich 1965. Nachher sang sie mit großem Erfolg Chansons von Serge Gainsbourg (zusammen mit Jean-Claude Brialy).
1966 spielte sie in Jacques Rivettes „La religieuse“ die Hauptrolle, eine Nonne, und im Jahr darauf war sie in „Der Fremde“ zu sehen, der Visconti-Verfilmung des Romans von Albert Camus, Marcello Mastroianni war ihr Partner. Sie schrieb mehrere Romane.
In Volker Schlöndorffs „Michael Kohlhaas“ spielte sie 1969 die Ehefrau des Rebellen. Rainer Werner Fassbinder engagierte sie 1976 für „Chinesisches Roulette“. Dann trudelt die große Karriere aus. Auch das ist schon schmerzhaft lange her. Anna Karina ist am Samstag in Paris mit 79 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben.
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