Hamburg beim Theatertreffen 2018: Ein Narr auf dem Thron
Hamburg ist beim Berliner Theatertreffen zweimal dabei: Falk Richter inszeniert Jelineks „Am Königsweg“ und Antú Romero Nunes kommt mit seiner „Odyssee – eine Irrfahrt nach Homer“.
„Achtung, hier kommt der neue König“, warnt Ilse Ritter. Doch ihre Worte sind machtlos. Wenn sich der Blick auf das weiße, zeichenhaft klug gestaltete Bühnenbild von Katrin Hoffmann öffnet, ist das Entsetzen längst da. Verkörpert durch einen Tänzer (Frank Willens), der zuckend, fallend, sich wieder aufrichtend den gesamten Raum durchmisst. Gewalt- und katastrophenreiche, fast portalgroße Videoprojektionen sowie drängend-dröhnende Sounds tun ihr Übriges. Der Alptraum ist längst Realität geworden: Donald Trump ist Präsident der USA.
Falk Richter hat Elfriede Jelineks „Am Königsweg“ am Deutschen Schauspielhaus uraufgeführt und ist nun mit seiner fulminanten, vielschichtigen Inszenierung zum Theatertreffen eingeladen. Die österreichische Dramatikerin und Nobelpreisträgerin begann mit dem Schreiben ihres jüngsten Stücks noch an jenem Novemberabend, an dem Trump gewählt wurde. Es ist ein Text voller Metaphern und Anspielungen. Donald Trump selbst kommt nicht vor. Vielmehr geht es um Könige als Stellvertreter, um moderne Monarchen. Und um ihre Gier nach Geld und Macht, um Volksverachtung und Selbstinszenierung.
Letztere bereitet Benny Claessens als König äußerst sorgfältig vor: Er schiebt eine Pferde-, eine Löwenstatue, einen Thron auf die Bühne, polstert den Boden mit Brokatkissen und großzügigen Nerzen. Und dann beginnt er die Bee Gees zu singen. „I started a joke, which started the whole world crying, Oh but I didn’t see that the joke was on me, oh no.“ Es ist eine großartige Szene, in der Claessens im schweinchenrosa Königsumhang und schweinchenrosa Kniestrümpfen (Kostüme: Andy Besuch) selbstherrlich durch den Raum tanzt, sich in den Kissen seiner Macht wälzt, mit einem Wasserball als Erde spielt – um anschließend wie ein cholerisches Kind auf den Boden zu stampfen und „Alles meins! Alles meins!“ zu brüllen.
Falk Richter schafft kluge Bezüge und überraschende Auftritte. Mit grandiosen Darstellern und einer permanenten Überlagerung von Video, Musik, Tanz, Schauspiel und Text gelingt ihm ein zynischer, dichter, assoziationsreicher und auch kurzweiliger Abend über jahrtausendealte Menschheits- und Machtgeschichten.
Sinnlich und klug inszeniert Nunes die antike Tragödie
So wortgewaltig diese Theatertreffen- Einladung daherkommt, so textarm ist die andere, die aus der Gaußstraße, der kleinen Spielstätte des Thalia Theaters. In seiner „Odyssee – eine Irrfahrt nach Homer“ verzichtet Regisseur Antú Romero Nunes auf Sprache im eigentlich Sinne. Der „Text“ ist hier eine selbst erdachte, irgendwie nordisch klingende, und ausreichend verständliche Kunstsprache. „Min pappa wør en støre mann“: Die Sagen des griechischen Helden werden in Rückblenden „erzählt“, aus der Perspektive seiner beiden Söhne Telegonos (Thomas Niehaus) und Telemachos (Paul Schröder). Zur Beisetzung des Vaters, in einer schwarz verhängten Aussegnungshalle (Bühne: Jennifer Jenkins, Matthias Koch) begegnen sie einander; zunächst unwissend, dass sie Brüder sind. Der eine – Sohn der Zauberin Kirke – ist Musiker und Magier, der andere, Penelopes Sohn, ein weltberühmter Rapper. Vorsichtig nähern sie sich an, erfreuen sich an Seifenblasen, neiden einander das Pausenbrot, bauen sich schließlich einen Joint und spielen – bekifft die Legenden des Heldenvaters nach.
Der Abend ist randvoll mit Anspielungen auf Homer. Pathetisch, albern, sinnlich und klug zelebriert Nunes die große antike Tragödie. Die beiden grandiosen Schauspieler brauchen dazu nur wenige Mittel – Sarg, Schild, Kranz, Tuba, Kettensägen – und natürlich Musik. Diese reicht von Bach über Abba bis zu sphärisch hohen Kinderstimmen, die „Old Abram Brown“ singen. Das Theatertreffen mag für dieses kleine Feuerwerk eine riskante Bewährungsprobe werden – aber das ist es allemal wert.
„Am Königsweg“: 12.5., 19.30 Uhr, 13.5., 18 Uhr. „Odyssee“: 17.5., 15 Uhr, 18.5., 21 Uhr, 20.5., 15 Uhr, Haus der Berliner Festspiele
Katrin Ullmann