Wohnungsbaupolitik: Ein Ministerium verschwindet
Einst hatte Bauen in der Bundesrepublik ein eigenes Ministerium. Kommt die GroKo, verschwindet es in Horst Seehofes neuem Super-Innenministerium. Und das in Zeiten neuer Wohnungsnot.
Horst Seehofer wird – immer vorausgesetzt, die Groko kommt tatsächlich zustande – der Minister eines Ressorts, das die Bundesrepublik Deutschland noch nicht gesehen hat. Innen, Bauen und „Heimat“ unter einem Dach – wenn, dann ist hier das Epitheton „Superministerium“ am Platz.
Über den Tätigkeitsbereich „Heimat“ wird aufs Heftigste lamentiert. Worüber nicht geredet wird, ist die Ansiedlung des Bereichs Bauen und Stadtentwicklung beim Innenressort. Dabei ist das der eigentliche Paukenschlag. Denn die Wohnungsproblematik – plakativer noch „Wohnungsnot“ – wird eines der zentralen Themen deutscher Politik der kommenden Jahre sein, in Bund, Ländern und Gemeinden gleichermaßen. 1949, zur Gründung der Bundesrepublik, herrschte bitterste Wohnungsnot. Folglich war das Bundesbauministerium eines der ersten mit Kabinettsrang, 1961 um Städtebau erweitert; 1972 auch noch um „Raumordnung“ – es war das sozialdemokratische Jahrzehnt der Planungsgläubigkeit.
Alles wird in ein aufgeblasenes Super-Innenministerium verlegt
Wie auch immer, an der Berechtigung und Notwendigkeit eines eigenen Ministeriums wurde nicht gezweifelt, und erst der allseits triumphierende Neoliberalismus rückte die staatliche Wohnungsvorsorge in den Hintergrund. Mit der zu Ende gehenden Regierung Merkel III musste sich das Bauwesen mit dem Umweltschutz die – in diesem Falle – Ministerin teilen. Jetzt aber, Anfang 2018, da die Versäumnisse der vergangenen zehn, fünfzehn Jahre in allen deutschen Städten schmerzlich spürbar sind, werden Bauwesen und Städtebau in ein aufgeblasenes Super-Innenministerium verlegt. Was immer man vom Wartestands-Minister Seehofer halten mag – und das muss überhaupt nichts Schlechtes sein –, als Verfechter staatlicher Bau- und Wohnungspolitik ist der eingefleischte Sozialpolitiker bislang nicht aufgefallen. Und als Innenminister eigener Machtfülle werden ihm Migrations- und Integrationsfragen allemal näher liegen und liegen müssen.
Natürlich geht die ministerielle Substanz nicht verloren. Die Abteilungen von „BMBau“, wie man früher kürzelte, werden weiterarbeiten, egal, wer für sie am Kabinettstisch sitzt. Nur dass der Kabinettsvertreter künftig mit dem für sich schon riesengroßen Bereich der Innenpolitik identifiziert werden und für ihn in alle Kameras sprechen wird. Das Bauen aber, der Wohnungsbau, die Ordnung der Städte und Räume, das alles verliert seine ohnehin nur mehr halbe Stimme nahezu ganz. „Unser Ziel sind gleichwertige Lebensverhältnisse im urbanen und ländlichen Raum in ganz Deutschland“, heißt es im Entwurf des neuen Koalitionsvertrags, einleitend in Kapitel IX: „Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum gerade in wachsenden Städten und Ballungsräumen ist weiterhin groß.“ Wenn die Koalitionäre das ernst meinen, müssen sie daraus die politischen Schlüsse ziehen. Ein eigenes Ministerium, sicht- und hörbar durch den oder die Amtsinhaber/in, ist der erste, symbolisch so wichtige Schritt.