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Durchatmen. Antonello Manacorda, Leiter der Kammerakademie Potsdam
© Nikolaj Lund

Kammerakademie Potsdam und Midori im Kammermusiksaal der Philharmonie: Ein Maestro macht Dampf

Die Kammerakademie Potsdam und Violinsolistin Midori überzeugen mit Mendelssohn und Schubert.

Die Götter mögen Wunderkinder lieben, das Leben auf Erden machen sie ihnen nicht leicht. Dass Midori Gotō, die Geigerin aus Osaka, als Elfjährige im Silvesterkonzert des New York Philharmonic auftreten darf, eröffnet ihr 1982 eine blendende, verdiente Jugendkarriere. Zubin Mehta hat sie gerufen, Dirigenten wie Bernstein, Abbado, Barenboim folgen. Nachdem sie Zusammenbruch, Klinikaufenthalte, Therapien durchlitten hat, kehrt Midori zurück auf die Podien der Welt mit gespicktem Konzertkalender als Reisende zwischen Denver und Köln, Emden, Osaka und Tokio.

In Berlin macht sie Station im Kammermusiksaal der Philharmonie als introvertierte Solistin der vitalen Kammerakademie Potsdam. Obwohl sie ein wertvolles Instrument (Guarneri del Gesù) spielt, klingt der Ton anfangs grell und nicht ganz rein, bis er seine kontrollierte Süße erreicht. Mendelssohn sei nie problematisch, hat die Musikwissenschaft dem Komponisten vorgeworfen. Dass diese Einschätzung zu pauschal ist, zeigt die Bandbreite der Interpretationen, die im e-Moll-Violinkonzert zwischen der Geigerin und dem Orchester entsteht.

Während sie ihre lieblich klingenden Bahnen zieht, die ins Unhörbare münden, fließend, fast frei fantasierend, gibt sie die Führungsrolle an das Orchester ab. Aus diesem Dualismus entstehen neue Konturen und Kontraste. Betont wird, was sonst hinter glitzerndem Violingold zurücktritt. Midori umspielt mit den Girlanden ihres Parts, wie versunken, die spannende Thematik, die dadurch in den Bläsern dominiert. Seltsam, dass sie als herzlich gefeierte Solistin sich auf keine Zugabe einlassen will, sondern in die Autogrammpause enteilt, obwohl ein Pröbchen aus ihrer neuen Bach-Einspielung sich angeboten hätte.

Die Uraufführung der „Großen C-Dur“ von Schubert hat Felix Mendelssohn Bartholdy geleitet. Somit passt es programmatisch, dass die Symphonie im Anschluss an Mendelssohns Violinkonzert erklingt. Locker auf dem Podium stehend, dirigiert Antonello Manacorda auswendig eine Interpretation von geradezu explosiver Deutlichkeit. Die beiden Hörner geben den Ton an, die Temporelationen stimmen, wo Streicher und Bläser in Dialog treten, und Grazie verbindet sich mit „ben marcato“. Als ausgewiesener Violinist huldigt Manacorda den Entwicklungsgesetzen der Schubert’schen Melodik, der Oboe im Andante wie den zweiten Violinen bei dem schönsten Streicherthema. Das Scherzo mit seinem Trio will nicht enden, und doch bleibt Feuer für das Finale und viel Triolenbrillanz. Jubel um das Orchester der brandenburgischen Landeshauptstadt.

Sybill Mahlke

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