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Alles für Sir Simon. Die Pianistin Mitsuko Uchida, der Tenor Mark Padmore und der Bariton Christian Gerhaher beim Late-Night-Überraschungskonzert.
© Monika Rittershaus

Hommage an Simon Rattle: Ein Dank an den Chef

Beim Late-Night-Konzert in der Philharmonie bedanken sich die Musiker bei Sir Simon Rattle für 16 gemeinsame Jahre.

Natürlich war nicht zu erwarten, dass Simon Rattle für dieses Late-Night-Konzert der Berliner Philharmoniker selbst am Pult steht. Seine Musiker wollen ihm Dank sagen für 16 gemeinsame Jahre, bevor er nach London geht – beruflich zumindest, in Berlin will er wohnen bleiben. Dass sein weißer Lockenschopf plötzlich in Block A aufleuchtet, sorgt trotzdem für einen Aha-Moment in der Philharmonie. Rattle ist der Star des Abends, auch wenn er diesmal „nur“ im Publikum sitzt. Das entspannte Late-Night-Format ab 22 Uhr mit Überraschungsgästen hat er erfunden. Jetzt läutet es – britisch-charmant moderiert von Hornistin Sarah Willis – die Abschiedswoche für ihn ein.

Das kurze Eröffnungsstück für Bläser und E-Gitarre heißt nicht zufällig „Rattle My Cage“, John Adams hat es für den Philharmoniker-Chef geschrieben. Dessen Sitznachbarin springt plötzlich auf, hechtet zum Podium: Magdalena Kožená, Rattles Gattin, gehört zu den „Sir Simon All Stars“, die ihm eine Liedauswahl darbringen, von Johannes Brahms (aus dem Zyklus „Die schöne Magelone“) und Arnold Schönberg (aus dem „Buch der hängenden Gärten“). Am Klavier: erst Ohad Ben-Ari, dann die wunderbar einfühlsame Mitsuko Uchida. Christian Gerhaher schickt seinen raunenden Bariton ins Philharmonie-Rund, danach bezaubert Mark Padmore still, eindringlich und mit einem völlig anderen Singstil im Schubert-Lied „Die Taubenpost“. Und Magdalena Kozená bringt ihre ganze tschechische Sprachkompetenz ein in den Liedern ihres Landsmanns Leoš Janáček. Auch Daniel Harding ist einer der Überraschungsgäste des Abends. Er dirigiert die Philharmoniker in einer witzigen, vom französischen Dirigenten Aurélien Bello arrangierten Suite aus den populärsten Brocken des klassischen Repertoires, darunter Wagners Walküren-Ritt, Szenen aus Bachs Matthäus-Passion und Strawinskys „Sacre du Printemps“.

Gershwin-Glück mit Barbara Hannigan

Es bleibt dann aber der rasanten, wagemutigen, für musikalische Experimente immer offenen Barbara Hannigan vorbehalten, den Saal wirklich zu rocken – mit Auszügen aus Gerswhins Musical „Girl Crazy“. Hannigan ist selbst ein crazy girl, springt vom Sitz auf wie kurz zuvor Kožená, rennt zum Podium, dirigiert und singt sich, elektronisch unterstützt, ins höchste Gershwin-Glück.

Übrigens: „Es gibt zwei Dinge, die professionelle Orchestermusiker niemals tun sollten“, erklärt Moderatorin Sarah Willies, „tanzen und singen.“ Eine Weisheit, die an diesem Abend nur zur Hälfte beherzigt wird. Die Philharmoniker singen ihrem scheidenden Chef ein Abschiedsständchen, und das offenbar gut gecoacht. „Come Again, Sweet Simon“, heißt es, und es enthält einen Satz, der hoffentlich nicht das einzige Fazit der Rattle-Ära bleiben wird: „We learned from you/our English knowledge too“.

Der so Geehrte lächelt etwas verkniffen, als er schließlich aufs Podium kommt, und prostet mit Sekt. Diese finalen Philharmonikertage sind für ihn auch ein Marathon, der – nachdem Simon Rattle noch zwei Mal Mahlers Sechste dirigiert haben wird – am Sonntag mit dem Waldbühnenkonzert seinen Höhe- und Schlusspunkt findet.

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