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Ein Rechtsruck bei den Europawahlen blieb aus. Im Bild ein Kunstwerk am Eingang zum Hafen in Göteborg von Runo Lagomarsino mit dem Titel „Europa“. Er ist zur Zeit Gast des Künstlerprogramms des DAAD in Berlin.
© Runo Lagomarsini

Lange Nacht der Ideen: Dort, wo es wehtut

In der DAAD-Galerie versuchen sich während der Langen Nacht der Ideen am 6. Juni drei Autorinnen an einer emotionalen Bestandsaufnahme Europas

Europa steht vor dem Umbruch, mehr als je zuvor. Das haben die Wahlen zum Europäischen Parlament gezeigt. Es wird viel diskutiert: über Brüssel, Gesetzgebung, Institutionen und Bürokratie. Genau darum soll es am 6. Juni in der DAAD-Galerie in der Oranienstraße aber nicht gehen: Unter dem Titel „Europa: Lob des Zweifels“ begeben sich drei Autorinnen aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Moldawien und aus Deutschland in die emotionalen Konfliktzonen der Diskussion über Europa. Ziel ist eine kritische Bestandsaufnahme des Zustands, in dem sich der „Patient Europa“ befindet. Es geht darum, dort nachzuhaken, wo es wehtut. Daran zu erinnern, dass auch Zweifel und Selbstbefragung nötig sind, um Europa am Leben zu erhalten und wieder stabiler zu machen.

„Die europäische Idee kann man nur beleben und mit emotionalen Bezügen füllen, wenn man sich daran erinnert, dass Europa durch gemeinsames Handeln entsteht, durch Zueinanderfinden“, sagt Silvia Fehrmann, die Initiatorin des Projekts. Für sie bedeutet das, die eigene Komfortzone zu verlassen und zu verstehen, was die anderen antreibt. „Übersetzung wird eine zentrale Rolle spielen“, sagt sie – denn die Texte der Schriftstellerinnen, die sie anlässlich der Veranstaltung geschrieben haben, werden auf Deutsch und Englisch vorgetragen. „Wir haben den Titel ,Lange Nacht der Ideen‘ wörtlich genommen“, sagt Fehrmann.

Hintergründe und Standpunkte der drei Teilnehmerinnen sind sehr unterschiedlich: Dubravka Ugresic wurde in Jugoslawien geboren und ging früh ins Exil in die Niederlande. 1994 war die Publizistin und Künstlerin Gast des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Für Ugresic ist Europa eine kulturelle Bezugsgröße, ein noch aufzubauender Text. Sie beschäftigt sich viel mit Migration, wobei es ihr besonders um die Arbeitnehmenden geht. Sie sind essenziell für den weiteren Aufbau Europas, stehen aber eher selten im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Ein Abend des leidenschaftlichen Austauschs

Nicoleta Esinencu stammt aus Moldawien; dort hat die Autorin ein Theater aufgebaut, das sich einen Namen als Plattform für kritische Diskurse erarbeitet hat. Ihr erstes Stück trug den Titel „Fuck You Eu.ro.Pa!“ – und auch ihre späteren Arbeiten beziehen sich immer wieder auf das Bündnis. Dabei beleuchtet sie die Asymmetrien zwischen propagiertem europäischen Ideal und der sozialen Realität und zeigt diese Diskrepanz auf.

Enis Maci, Jahrgang 1993, ist in Gelsenkirchen geboren und konnte mit ihrem Essayband „Eiscafé Europa“ Erfolge feiern. Sie setzt sich mit jenen auseinander, die Europa bedrohen: Rechtsradikalen und Identitären. Während der rechte Rand immer lauter wird, sind die kritischen, progressiven Kräfte in eine Art Schockstarre verfallen. Gegen diese Sprachlosigkeit will Maci ankämpfen. Es soll ein Abend der Diskussion, des leidenschaftlichen Austauschs werden – und auch wenn Europa am Ende noch nicht gerettet ist, so ist doch ein kleiner Schritt getan.

DAAD-Galerie, 6. Juni, 18.30-21.30 Uhr

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