Tell-Halaf-Ausstellung: Die Welt der Aramäer
Seit 100 Jahren wird am Tell Halaf geforscht – das Vorderasiatische Museum setzt die Arbeit Max von Oppenheims fort.
„Oft war ich monatelang in Nordarabien, Syrien und Mesopotamien mit Beduinen, den freien Söhnen der Wüste, in ihren Zelten zusammen. Ich kannte ihre Seele, ihre Sprache und ihre Sitten genau. Die Leute waren mir lieb geworden, und man empfing mich überall mit offenen Armen“, schreibt Max von Oppenheim 1931 in der Einleitung zu seinem Buch „Entdeckung und Ausgrabung des Tell Halaf“. Oppenheim begegnete den Beduinen auf Augenhöhe und nicht mit kolonialer Attitüde. Daher vertraute ihm auch Ibrahim Pascha den Fund der Steinfiguren bei Ras el Ain in Nordsyrien an. 1899 entdeckte Max von Oppenheim bei einer Probegrabung dicht unter der Erdoberfläche die ersten Basaltfiguren der Aramäer.
Er ließ sie wieder zuschütten und bemühte sich um eine Grabungslizenz, die er nach reiflicher Vorbereitung 1911 dann auch nutzte. Oppenheim engagierte erfahrene Fachleute, die bei Robert Koldewey in Assur und Babylon gegraben hatten, darunter den Grabungsarchitekten Felix Langenegger, den Architekten Löffler sowie den Arzt und Fotografen Seemann. Vorsteher der Karawane und persönlicher Diener war Tannus Maluf, ein christlicher Syrer; Elias Maluf, sein Vetter, arbeitete als arabischer Sekretär der Grabung.
Die Vorbereitung der Grabung war eine logistische Meisterleistung, denn „Tell Halaf ist viele Tagesreisen von den nächsten Städten Deir ez-Zor, Mardin und Urfa entfernt“. Alles, aber auch alles musste mit etwa 1000 Kamelen von Aleppo nach Tell Halaf geschafft werden, „die wissenschaftlichen Geräte, die Werkzeuge für die Grabung, eine Feldbahn mit zwölf Kippwagen und fast das gesamte Material für den Bau unseres Expeditionshauses“, schreibt Oppenheim.
Die Anwerbung von Arbeitern gestaltete sich zunächst schwierig, aber dennoch begann er die Grabung am 5. August 1911 mit einer Belegschaft von zehn Mann. Da Oppenheim gut und bar zahlte und sich mit den Beduinenstämmen verstand, gelang es ihm im Laufe der Zeit, eine treue Mitarbeiterschar zu gewinnen, die auf dem Höhepunkt der Grabung etwa 550 Mitarbeiter, darunter auch Frauen, zählte. „Zeitweilig bildete sich um unser Grabungsgebiet ein riesiges Zeltlager der Familien und Stammesgenossen unserer Arbeiter, in dem mehrere tausend Menschen hausten“, schreibt Oppenheim.
Schon 20 Zentimeter unter der Erde fand er die ersten Skulpturen, legte dann die Fassade des Tempelpalastes frei. „Nach und nach stießen wir auf drei Tierkolosse, Riesengötterstatuen, verschleierte Sphingen und weitere Teile der Fassade“. Damit war die Grabung von Tell Halaf schon erfolgreicher als die von Babylon und Assur – zumindest, was die Größe der spektakulären Funde betraf. Oppenheim hatte eine Lücke auf der Besiedlungskarte gefüllt und die Stadt Guzana der Aramäer aus dem 9. Jahrhundert vor Christus entdeckt.
Da die Grabung von Fachleuten beaufsichtigt wurde, konnte der leidenschaftliche Orientalist von Tell Halaf aus weitere Forschungsreisen unternehmen. 1913 entdeckte er die Steinbilder von Djebelet el Beda, die wesentlich älter waren als die Objekte von Tell Halaf. Auch wenn die großen Götterfiguren für Furore sorgten: Die Buntkeramik aus dem fünften Jahrtausend vor Christus ist mindestens ebenso bedeutend und wurde als „Halaf-Ware“ zum Maßstab der Keramik-Datierung.
1927 bekam Oppenheim wieder eine Grabungslizenz von der französischen Mandatsverwaltung Syriens, und so gelangten 13 Eisenbahnwaggons mit Funden nach Berlin. Der syrische Fundanteil bildete den Grundstock für das Nationalmuseum von Aleppo. In der Bewertung seiner Funde zeigte sich der Archäologe stur, so etwa bei der Datierung der Halaf-Ware oder der Frage nach der Identität der Aramäer.
„Für die damalige Zeit hat Max von Oppenheim mustergültig gearbeitet. Die Dokumentation ist sehr exakt und messgenau, damit kann man auch heute noch gut arbeiten“, erzählt Lutz Martin vom Vorderasiatischen Museum Berlin. Mit seiner Kollegin Nadja Cholidis leitet er das Tell-Halaf-Restaurierungsprojekt. Außerdem führt er zusammen mit Abd al-Masih Bagdo von der Syrischen Antikenverwaltung aus Hassaka seit 2006 die neue deutsch-syrische Grabung auf dem Tell Halaf durch. Oppenheim habe sich vornehmlich für die Bildwerke interessiert, heute stehe die Erforschung der Siedlungsgeschichte im Vordergrund. „Es war ein alter Wunsch von mir, dort weiterzugraben“, erzählt Lutz Martin. Dank des erfolgreichen Restaurierungsprojektes habe Syrien dann die Grabung genehmigt und die Deutsche Forschungsgemeinschaft habe die Finanzierung übernommen. „Wir fingen am 5. August 2006 an, am gleichen Tag wie Oppenheim 1911. Aber das war wirklich Zufall.“
Zunächst ging es um eine Orientierungsgrabung. Wegen des neuen Chabur-Staudammes waren in den siebziger Jahren viele Menschen umgesiedelt und so ein großer Teil der alten Unterstadt zugebaut worden. Das erschwerte das Unterfangen. Jetzt graben die Archäologen dort weiter, wo Oppenheim aufgehört hat: am südlichen Teil des Nordostpalastes und am Westpalast. „Wir haben festgestellt, dass die Zitadelle noch in hellenistischer Zeit besiedelt war, das wäre noch ein Projekt für klassische Archäologen in der Dschezzira“, regt Martin an.
Die Funde sind nicht mehr ganz so spektakulär wie zu Oppenheims Zeiten. Aber eine große Sitzfigur aus assyrischer Zeit sowie aramäische Schriftdokumente, Schmuck und Keramik wurden entdeckt. „Der Tell Halaf ist immer noch für Überraschungen gut“, meint Martin. Die Bevölkerung sei nach anfänglicher Sorge um ihre Häuser sehr interessiert und sensibilisiert. „Wir haben mittlerweile gute Arbeiter. Und abends kommen die Bewohner und schauen, was wir erreicht haben.“
Die Funde gehen nicht mehr nach Berlin, sondern in das Museum von Deir ez-Zor. Dreißig deutsche Mitarbeiter von den Universitäten Tübingen, Halle und München zählt die Grabung jetzt, zusätzlich 110 lokale Kräfte. „Der Tell Halaf ist immer noch eine prominente Ruinenstätte in Syrien“, sagt Lutz Martin.
Rolf Brockschmidt
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