Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes: Die Vermessung der Hasenheide
Pia Linz kartografiert Orte Berliner Stadtlebens, zuletzt den Volkspark Hasenheide in Neukölln. Der Deutsche Künstlerbund stellt sie nun aus.
Der Volkspark Hasenheide in Berlin ist Trimm-dich-Areal, öffentliche Telefonzelle, Drogenmarkt, Wildgehege, Transitstrecke für Radler, Spielplatz und, ja, auch ein Hain für Spaziergänger und Hunde. Pia Linz hat das Geschehen in der waldähnlichen Grünanlage zwischen Neukölln und Kreuzberg mit feinstem Bleistift auf großen Blättern festgehalten, die sie jetzt im Ausstellungsraum des Deutschen Künstlerbunds zeigt: Für ihr Werk hat Linz, 1964 geboren, den mit 25 000 Euro dotierten diesjährigen HAP-Grieshaber-Preis der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst erhalten.
Das Besondere an diesen Zeichnungen: Linz hat unverrückbare Bestandteile des Parks wie Wege, Büsche, Brücken, Unterstände so zu Papier gebracht, wie sie diese gerade vor sich sah. Drehte sie sich um, drehte sie das Zeichenbrett mit. Alles Flüchtige dagegen – Vögel, Menschen, Gesprächsfetzen – hat die Berliner Künstlerin in Worten festgehalten, in winzigen Buchstaben. Bei jedem Wetter war sie unterwegs, im Sommer wie im Winter, mit Fixierspray oder batteriegewärmten Handschuhen. So sind multiperspektivische Landschaftszeichnungen mit Eindrücken aus den Jahren 2012 bis 2014 entstanden – analog, mit der Hand, allen heutigen Möglichkeiten der digitalen Simultandarstellung zum Trotz.
Man kriecht zwischen joggenden Muslimen und zornigen Radfahrern
Drei kleinere Detailstudien hängen an der linken Wand. An der rechten lehnt eine übermannshohe gerahmte Ansicht, aus einzelnen geknickten Blättern zusammengefügt, daneben die ebenso große Vorstudie. Sie zeigt eine Art Grundriss des Parks mit einem Raster, das sich nicht nach Metern, sondern nach Linz’ Schritten bemisst. Damit ist klar: Hierbei handelt es sich um eine höchst subjektive Vermessung der Welt. Wie ein Ausrufezeichen bestätigt dies an der Rückwand ein vielkantiger Hohlkörper aus Acrylglas. In ihn hockte sich Linz hinein, um von innen das, was sie sah, auf dessen transparente Wände zu zeichnen: Heizung, Fenster, Baum davor. Der Blickwinkel bestimmt die Sicht auf die Welt, die Wahl der Methode dagegen die Fähigkeit zu sehen. So steckte Linz früher ihren Kopf in einen durchsichtigen Kegel und malte die Landschaft draußen auf dessen Innenwand – bis sie außer dem Abbild nichts mehr sah. Dagegen nehmen sich ihre neueren Zeichnungen geradezu weltzugewandt aus.
Mit einer bereitliegenden Lupe können Besucher die Details vergrößern, feinste Zweige und Blätter, Notizen zu joggenden Muslimen und zornigen Radfahrern. Das genaue Studium strengt an. Man kriecht ja, wenn man die Notizen ganz unten lesen will, nur bedingt begeistert auf Höhe der Scheuerleisten herum. Doch womöglich wird sich Linz künftig dem Betrachter gegenüber kommunikativer zeigen. Für ihre neue Reihe jedenfalls zeichnet sie an einem Ort, an dem neugierige Passanten sie ständig in Gespräche verwickeln: am Hermannplatz in Neukölln.
Projektraum des Deutschen Künstlerbunds, Markgrafenstr. 67, Kreuzberg, bis 30.10., Di–Fr 14–18 Uhr
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