Beach-Boys-Spielfilm "Love & Mercy": Die Surferjungs, die keine waren
Das Biopic „Love & Mercy“ zeigt den Höllensturz und die Auferstehung des Beach-Boys-Genies Brian Wilson. In intensiven Bildern beschwört er die Licht- und Schattenseiten des legendären Kalifornien-Gefühls.
„Manchmal habe ich Angst, wo das alles herkommt“, sagt Brian Wilson, der in seiner jüngeren Inkarnation der sechziger Jahre von Paul Dano gespielt wird, gleich im Vorspann. „Als ob da noch ein anderer wäre in meinem Kopf.“ Ein nächtlicher, manischer Monolog, der in psychedelische Geräusche, Syntheziser-Sirren und Sitar-Akkorde übergeht und nach einem schrillen Crescendo in absoluter Stille endet. Wilson liegt bäuchlings auf seinem Bett, das er die nächsten drei Jahre, gebannt von Ängsten, Psychosen und den Stimmen in seinem Kopf, kaum noch verlassen wird. Und dann erklingt die Surfhymne „I Get Around“ – absolut himmlische Musik.
Ein Lächeln fürs Image
Die Unbeschwertheit, das sonnendurchflutete Kalifornien-Gefühl, das die Songs der Beach Boys verströmen, war hart erarbeitet. In den Anfangsjahren stand die Band, zu der die Brüder Brian, Dennis und Carl Wilson, ihr Cousin Mike Love und Brians Schulfreund Alan Jardine gehörten, unter der Knute des Vaters Murray Wilson, der seine drei Jungs buchstäblich zu ihren Erfolgen prügelte. Der Film setzt 1966 ein, kurz vor den Aufnahmen für das epochale Album „Pet Sounds“ – da ist der Vater bereits als Manager gefeuert. Aber er taucht immer noch auf im Haus der Kinder, ein pfeifeschmauchender Kotzbrocken (Bill Camp), beschimpft Brian und macht sich über dessen Songs lustig. In einer beklemmenden Szene teilt der abservierte Patriarch dem Sohn mit, dass er die Rechte an den Stücken der Beach Boys zum Spottpreis verkauft habe. „Sie taugen nichts, deshalb sind sie auch nichts wert.“
Akribisch sind in „Love & Mercy“ Szenen aus der Bandgeschichte nachgestellt. Fernsehauftritte mit Backgroundtänzerinnen im Bikini, Super-8-Aufnahmen, bei denen die Musiker grinsend, ein Surfbrett vor sich hertragend, im Swimmingpool versinken. Die Welt sollte wissen, dass die Beach Boys mindestens so fröhlich und lustig wie die Beatles waren. Mit der Wirklichkeit hatte dieses Image wenig zu tun, und die Fiktion ließ sich immer mühsamer aufrechterhalten. Um weiter funktionieren zu können, benutzte Brian Wilson Aufputschmittel. Dann entdeckte er LSD und fand es „mind-blowing“. Nur ein Beach Boy, der Drummer Dennis Wilson, konnte surfen. Und der ist ertrunken.
Die Befreiung durch die Liebe: ein echter Hollywood-Moment
Der zweite Teil von „Love & Mercy“ spielt in den achtziger Jahren, er zeigt den Sänger, den jetzt John Cusack verkörpert, am Tiefpunkt seines Lebens. Auf den Zusammenbruch Ende der sechziger Jahre ist der totale Stillstand gefolgt. Besser gesagt: eine Gefangenschaft. Denn der Sänger, der den Kontakt zu seiner Familie und der Band abgebrochen hatte, lieferte sich dem Psychiater Dr. Eugene Landy (Paul Giamatti) aus. Als Manipulator ist Landy dem Vater Brian Wilsons mindestens ebenbürtig, er kümmert sich um Brians Geld, was heißt, dass er einen Großteil davon selbst einsteckt, er bestimmt, wen Wilson treffen darf und versucht sich in einer grausam-grotesken Szene sogar als dessen Produzent. Der Psychiater ist ein Scharlatan, aber diesmal fehlt dem Musiker, anders als zwanzig Jahre zuvor beim Vater, die Kraft zur Rebellion.
Für solche Krisensituationen hat Hollywood immer ein Rezept: Boy meets Girl. Das erste Rendezvous lässt Regisseur Bill Pohlad an einem so originellen wie klaustrophobischen Ort stattfinden: in einem Cadillac-Vorführwagen, der in einem Autohaus steht. Die sehr blonde, sehr toughe Autoverkäuferin Melinda Ledbetter (Elizabeth Banks) steigt mit dem sehr derangierten, sehr hilflosen Brian Wilson in das Auto ein. Sie hört sich seine Geschichten an, sie lächelt und sagt, sie würde ihn gerne wiedersehen. Sie rettet den Musiker aus den Klauen des Seelenklempners und ist heute seine Ehefrau. Ein Rührstück – sogar ein wahres!
„Love & Mercy“ ist ein bewegendes Melodram und ein großartiger Musikfilm. Die schönsten Momente zeigen Brian Wilson bei der Arbeit. Wenn er seinen Flügel mit Haarnadeln präpariert, die Sessionmusiker mit immer neuen Harmoniewechseln quält, auf schreibtischgroßen Synthesizern improvisiert, Hunde ins Studio holt, um sie bellen zu lassen, und mit einer Fahrradklingel klingelt. So entstehen Jahrhundertsongs wie „God Only Knows“, „Caroline No“ und die Pocket Symphony „Good Vibrations“. Wie gesagt: himmlisch.
In Berlin im Cinemaxx, Kant; OmU im Babylon Kreuzberg, FaF, Hackesche Höfe, Odeon, Kulturbrauerei und Rollberg
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