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Ina Müller in Berlin.
© Eventpress Hoensch

Ina Müller live in Berlin: Die Sugar Mami

Dreist kommt weiter: Ina Müller singt und sabbelt in der ausverkauften Berliner O2 World. Ihre Stimme ist stark, ihre Witze an der Fremdschamgrenze.

Ina Müller also. Die derbe Fernsehnase, der weibliche Mario Barth, die ole Sabbelschnut, wie das in ihrer geliebten Muttersprache Plattdeutsch heißt. Eine Brachialkalauerin, die beim kopfschüttelnden Publikum hartnäckig den Fremdschämreflex, den Peinlichkeitsdetektor triggert. Da ist Angst angezeigt. Das mögen die Leute. Die O2 World ist ausverkauft. Und das, obwohl die Sängerin und Moderatorin erst vergangenen Juli in Berlin war und die Wuhlheide gefüllt hat.

48 Hallenkonzerte gibt Ina Müller dieses Jahr landauf landab zu ihrem aktuellen Album „48“, die Tickets sind schon jetzt weitgehend weg. Krass: Die Bauerstochter aus Köhlen, Landkreis Cuxhaven, ist eine richtig große Nummer geworden. Und als Phänotyp dreiste, laute, raumgreifende Alphafrau eigentlich nur mit Barbara Schöneberger zu vergleichen. Allerdings singt die Müller besser. Wenn sie denn singt. Am Ende der stürmisch bejubelten Show stehen 19 Lieder auf der Setliste, aber gefühlt hat sie doppelt so lange gelabert wie gesungen. Nee, das ist unfair, ungefähr genauso viel.

Ina Müller, die außer Fernsehshows wie „Inas Nacht“ oder „Inas Norden“ auch Galas wie die Echo-Verleihung moderiert, hat im Showbiz schließlich als Musikkabarettistin angefangen. Als freche dünne Sängerin an der Seite der lakonischen dicken Pianistin Edda Schnittgard im Mitte der Neunziger gegründeten Damenduo Queen Bee.

Statt einer Bühnenpartnerin hat sie nun zwei Backgroundsängerinnen, eine vierköpfige Band, 41 Techniker und eine Technikerin auf der Tour dabei. Als sie die auf der Bühne vors Mikro schleift und fragt, wie sie denn damit fertig würde, dass doch sicher alle Kollegen gerne bei ihr ran wollen, ist das einer der Momente, wo die prustende, kopfschüttelnde Halle denkt „Mein Gott, Ina!“.

Ina Müller kann Country, Rock, Blues, Reggae und Pop

Dafür, dass Ina Müller gehobenen Poprockschlager (ein Stich Bonnie Tyler, ein Stich Nena) für selbstbewusste Hausfrauen zwischen 30 und 60 plus macht, sind übrigens erstaunlich viele Männer da. Kanonenfutter für Müller, die sie bei ihren Saalrundgängen verarscht. Jawohl verarscht. Wer wie sie als Kind immer Kuhscheiße am Hacken hatte, für den sind Maul, Fresse, Arsch ganz normale Wörter. Die meisten Lacher nimmt sie eh auf ihren eigenen von Wechseljahrsbeschwerden gebeutelten Leib. O-Ton stolz: „Ich bin 48, fühle mich wie 48 und sehe wie 48 aus.“ O-Ton lustig: „Mein Körper ist der Jakobsweg für mein Wanderfett“. Dass sie das ansetzen könnte, ist bei dieser Rampensau schlecht vorstellbar. Ina Müller schafft sich auf der Bühne und schont ihre Reibeisenstimme nicht. Ihr sängerischer Habitus ist genauso wenig ordinär wie ihre schwarze Marlene-Hose. Sie kann Country, Rock, Blues, Reggae und selbst der mal Gitarren- und mal Keyboard-getriebene anfangs breiige, hallige Allerweltssound differenziert sich im Lauf des Abends aus. Ein paar Midtempo-Nummern weniger könnten es allerdings bei einer so anrührenden Balladensängerin sein. Schönes Beispiel, dass Sentiment und Witz sich nicht ausschließen müssen, ist die ewig lang präludierte Nummer „Mitte 20“. Da singt Müller zum Barpiano im Stil einer genießerischen, gönnerhaften „Sugar Mami“ von jungen Männern, die sich beim Sex und beim nächtlichen Mücken totschlagen viel besser anstellen als die alten Säcke um die 50. Sie muss es wissen. Ihr langjähriger Freund, der Hamburger Musiker Johannes Oerding ist 31. Er hat – ebenso wie Annett-Louisan- und Roger-Cicero-Texter Frank Ramond am neuen Album der bekennenden Kinderlosen mitgeschrieben.

Kurz vor halb elf ist nach knapp zweieinhalb Stunden Schluss in der O2 World. „Egal was ihr jetzt noch macht, hier könnt Ihr nicht bleiben“, ruft Ina Müller. Soviel ist sicher. Und noch ein, zwei Dinge dazu. Die Frau hat Stimme. Und sie hat Eier. Auch wenn sie weniger werden.

Gunda Bartels

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