Filmfestival Venedig: Die Stunde der Königinnen
Zwei Britinnen brillieren am Lido: Helen Mirren ist in der Komödie „The Leisure Seeker“ zu sehen, Judi Dench im Melodram „Victoria & Abdul“.
Sie feiern ihn als JFK des Hollywoodkinos, keiner vereint Glamour und Politik derzeit besser als er. Ob er nicht der nächste US-Präsident werden wolle, wird George Clooney beim Filmfestival in Venedig gefragt. Jeder sei gut für den Job, Hauptsache möglichst bald, kontert der Regisseur der Vorstadt-Satire „Suburbicon“.
Die Venezianer lieben ihren Giorgio sowieso, schließlich hat er seine Amal hier geheiratet, gibt sich auf dem Filmfest zum achten Mal die Ehre und absolviert die Autogramm-Show zur Gala genauso elegant wie die Trump-Kommentare auf der Pressekonferenz. Eine dunkle Wolke hänge über seinem Land, aber die Leute seien wütend. „Wütend auf sich selbst, wütend darüber, wohin Amerika steuert und die Welt.“
Am Sonntag weichen die schwarzen Wolkengebirge über der Adria der leichteren Muse. Es ist die Stunde der Königinnen, von Judi Dench als Queen Victoria in Stephen Frears’ Melodram „Victoria & Abdul“ (der Film läuft außer Konkurrenz), und von Helen Mirren, die 2006 am Lido als Queen Elizabeth triumphierte, ebenfalls mit Frears. Der italienische Regisseur Paolo Virzi krönt Mirren zur Königin der Highways: In „The Leisure Seeker“ tritt die krebskranke Ella mit ihrem dementen Ehemann John (Donald Sutherland) im 70er-Jahre-Wohnmobil eine letzte Reise an, von Massachusetts bis nach Key West.
Eine Hommage an eine unverbrüchliche Liebe, ein Fest der Freiheit im Angesicht des Todes, eine köstliche Komödie über die Bürde des Alters: Komödien sind selten in Löwen-, Palmen- und Bären-Wettbewerben, aber warum nicht. Auch wenn der Film sich am Ende als weniger nachhaltig erweisen wird als etwa „La Villa“, ein an der provencalischen Küste angesiedeltes Familiendrama von Robert Guédiguian. Der greise Vater erleidet einen Schlaganfall, die Kinder reisen an, jedes mit seiner Lebensbürde. Hochsensibles Kino, von der Körpersprache bis zur beiläufigen Poesie der Dialoge – was wiederum kann keiner so gut wie die Franzosen.
Und Judi Dench als Victoria, die den indischen Moslem Abdul (Ali Fazal) zu ihrem Lehrmeister macht, zum Ärger des Hofstaats? Stephen Frears’ Romanze verhandelt höchst kurzweilig Kolonialismus und Klassendenken im britischen Empire. Routiniert, gewitzt, nach einer wahren Begebenheit, jedoch ohne die politische Präzision von „The Queen“. Aber wie Judi Dench sich von einer missmutigen, schnarchenden, schmatzenden Monarchin in eine wahre Souveränin verwandelt, dafür gebührt ihr ein formvollendeter Hofknicks.