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Flix im Atelier.
© Carlsen Verlag by Mari Boman
Update

Comiczeichner in der Coronakrise: „Die Planung fällt gerade in sich zusammen“

Die Folgen der Pandemie haben auch die Comicszene hart getroffen. Bestseller-Zeichner Flix bittet seine Fans um Unterstützung. Hier erklärt er, wie es dazu kam.

Die Folgen der Corona-Pandemie treffen neben vielen anderen Bereichen auch die Comicszene auf vielfältige Weise. Etliche Verlage geraten durch Umsatzeinbrüche in teils bedrohliche finanzielle Schieflagen, vielen Händlern geht es ebenso. Und die Zeichnerinnen und Zeichner, von denen viele ohnehin schon in wirtschaftlich prekären Situationen leben? Vielen von brechen ebenfalls gerade die Aufträge weg.

Der Berliner Zeichner Flix („Spirou in Berlin“, „Schöne Töchter“, „Glückskind“ u.a.), der lange auch für den Tagesspiegel gearbeitet hat, hat darauf jetzt mit einem Aufruf auf der Plattform Steady reagiert, ihn finanziell zu unterstützen. Bis Mittwochabend hatten sich bereits rund 70 Menschen bereiterklärt, Flix einen Monatsbeitrag zwischen 2,50 und 10 Euro zu bezahlen.

Auch andere Zeichnerinnen und Zeichner haben - teilweise schon aus der Zeit vor der Coronakrise - Plattformen, auf denen sie finanziell unterstützt werden können. Am Ende dieses Interviews gibt es eine Liste, die nach und nach erweitert werden soll. Wir haben Flix zur aktuellen Lage befragt.

Multitasking-Meister. Flix' Selbstporträt für die Reihe "Zeich(n)en aus dem Homeoffice".
Multitasking-Meister. Flix' Selbstporträt für die Reihe "Zeich(n)en aus dem Homeoffice".
© Illustration: Flix/Comic-Salon Erlangen

Tagesspiegel: Flix, du giltst bezüglich der Verkaufszahlen Deiner Werke und auch im Hinblick auf Deine öffentliche Wahrnehmung als einer der erfolgreichsten deutschen Comiczeichner. Doch nun hast Du angesichts der Folgen der Corona-Pandemie eine private Spendenaktion gestartet, mit der Du Deine Fans um Unterstützung bittest. Wie kommt’s?
Flix: Seit knapp 20 Jahren zeichne ich Comics und all die Jahre lief es weitgehend stabil. Durch die Corona-Krise fällt nun bei mir, wie bei vielen anderen Menschen auch, die Jahresplanung für 2020 Stück für Stück in sich zusammen. Die Aussichten sind gerade nicht rosig. Darum habe ich gedacht, vielleicht gibt es da draußen Leute, die meine Arbeit mögen und mich in dieser Zeit unterstützen möchten und können. Und zwar nicht durch einen Buchkauf, sondern direkt, damit ich jetzt weiter an meinen Comics arbeiten kann. Eine Art modernes Mäzenatentum.

Wieviel bekommt man als Comiczeichner in der Regel von den Verkaufserlösen für seine Bücher - und wie hat sich die Lage diesbezüglich in den vergangenen Wochen verändert?
In der Regel bekommt man sechs bis acht Prozent vom Nettoladenpreis. Wenn ein Album 16 Euro kostet, erhält der Zeichner also davon ungefähr einen Euro. Das ist bei durchschnittlich 3000 bis 4000 verkauften Exemplaren schon an sich nicht viel, wenn man bedenkt, dass man in der Regel ein Jahr an einem Buch arbeitet. Nun sind die Verkäufe von Bücher in den letzten Wochen massiv eingebrochen. Verlage sprechen von 30 bis 70 Prozent Umsatzrückgang. Die Menschen sparen, das kann ich gut verstehen. Aber das wird sich auf der Honorarabrechnung, die immer Ende des Jahres kommt und die ein wichtiger Bestandteil meiner Einkünfte als Selbständiger ist, bemerkbar machen. Sie wird deutlich niedriger sein.

Du begründest Deinen Spendenaufruf auch damit, dass Vorträge abgesagt werden, Festivals ausfallen, Live-Lesungen nicht stattfinden können und Buchprojekte auf unbekannt verschoben werden. Was bedeuten diese Veränderungen ganz praktisch für Dich?
Lesungen und Workshops sind für mich, neben den Büchern, ein zweites finanzielles Standbein. Die Honorare dafür sind für mein Jahreseinkommen eingeplant. Wenn diese Termine nun abgesagt werden, ist das Geld, das ich nicht verdiene. Aktuell liegen die Ausfälle für 2020 schon bei über 15.000 Euro. Und selbst wenn die Termine auf 2021 verschoben werden und dann tatsächlich stattfinden (was nicht sicher ist), fehlt mir das Geld jetzt in der Kasse. Ähnlich ist es mit Buchprojekten, die geplant sind. Verlage werden vorsichtiger, Vertragsabschlüsse werden nach hinten geschoben, was bedeutet, dass die Vorschüsse erstmal nicht gezahlt werden. Diese Zeit, von der niemand weiß, wie lang sie dauert, muss irgendwie überbrückt werden.

Du hast zwei junge Kinder, um die Du Dich – wie man unter anderem Deinen Postings in den sozialen Medien entnehmen kann – derzeit wegen der Kita-Schließungen offenbar auch viel kümmern musst. Wie lässt sich das mit den Anforderungen des Comiczeichner-Alltags in Einklang bringen, wenn überhaupt?
Meine Töchter sind 3 und 7, und ich muss ganz ehrlich sagen, die beiden meistern die Zeit bisher spitze. Dennoch fällt ihnen mitunter die Decke auf den Kopf, sie vermissen ihre Freunde. Spielen, Hausaufgaben, Mahlzeiten, Sport, Musik, alles findet 24/7 in der Wohnung statt; da bleibt wenig Raum zum konzentrierten Arbeiten. Nachts geht es. Arbeit statt Schlaf, was nicht gesund ist. Und aktuell sieht es so aus, dass das bis Anfang August so weitergehen wird. Denn wir Comiczeichner sind nicht „systemrelevant“. Klar, das wird gehen. Aber es ist ne ordentliche Strecke.

Wieweit sind andere Comiczeichnerinnen und -zeichner in einer vergleichbaren Situation wie Du – und sind manche vielleicht noch härter betroffen, da sie schon vorher wirtschaftlich sehr prekär gelebt haben?
Es geht gerade allen ähnlich. Allen brechen die Einnahmen weg. Und ich fürchte, das wird einige Kolleg*innen zwingen, den Zeichnerberuf an den Nagel zu hängen. Obwohl sie fantastische Sachen machen. Ein herber Verlust!

Neben den negativen Folgen der Coronakrise scheint die Pandemie die Kreativität auch ein wenig zu beflügeln. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler – darunter auch Du - veröffentlichen auf der Website des (abgesagten) Comic-Salons Erlangen sehr anregende „Zeichen aus dem Homeoffice“. Zeichner wie Ralf König setzen den Corona-Alltag zeitnah in neuen Erzählungen um. Und Du hast zudem mit Deinem Atelierkollegen Marvin Clifford die Podcast-Reihe „Art aber herzlich“ gestartet, für die euch möglicherweise ohne Corona die Zeit gefehlt hätte. Wieweit hat die Krise neben all den Schattenseiten auch etwas Inspirierendes?
Krisen haben auch ihr Gutes. Sie zwingen zum Umdenken. Geben Input. Sie fördern Fantasie, den Alltag anders zu gestalten. Arbeitsprozesse zu verändern. Ich habe zum Beispiel gerade meinen gewohnten Ablauf, Comicstrips zu machen, über den Haufen geworfen, um flexibler Zeichnen zu können. Sowas ist toll! Ich mag das. Ich wäre nur gerne hinterher nicht pleite.

Welchen Zeichnern kann man wie helfen?

Auch andere Zeichnerinnen und Zeichner können über Internet-Plattformen direkt unterstützt werden - viele davon nutzen dies schon seit langer Zeit. Im Folgenden stellen wir eine Auswahl vor. Weitere Anregungen sind willkommen, die Liste wird nach und nach ergänzt - Hinweise bitte per E-Mail an toerne@tagesspiegel.de oder über Twitter:

Katja Klengel

Pengboom Society (Haiko Hörnig / Marius Pawlitza)

Leander Aurel Taubner

Anna-Maria Jung

Martina Peters

Carolin Reich

Daniela Schreiter

Ines Korth

Mario Bühling

Sarah Burrini

Illustrie (Stefanie Stew Wegner und Timo Müller-Wegner )

Giske Grosslaub

Herr Scheffel

Rosa Maus (Melanie Schober)

Kamineo

Marika Herzog

Lian

Dozer

chubby-shark

Joscha Sauer

Inga Steinmetz

Hannes Radke

Chris Kloiber

Bringmann & Kopetzki

Daniel Gramsch

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