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São-Paulo-Triop. Der nigerianische Musiker Amadi (O. C. Ukeje) sucht in „Cidade Pássaro“ nach seinem Bruder.
© Primo Filmes

Berlinale 2020: Die Panorama-Filme im Überblick

Die Filme in der Sektion Panorama fragen nach Heimat, Herkunft und Identität. Ein weiterer Fokus liegt auf der Ausbeutung der Natur.

Von Nigeria nach Brasilien, aus dem Iran nach Deutschland, von China nach Lesotho – die Menschen in den 36 Filmen des Panorama-Programms überwinden riesige Distanzen. Manche suchen nach Familienmitgliedern, andere nach Arbeit oder Schutz. Sie alle sind dabei direkt oder indirekt mit Identitäts- und Heimatfragen konfrontiert.

Für den nigerianischen Musiker Amandi, der in „Cidade Pássaro“ nach São Paulo kommt, das Regisseur Matias Mariani in ruhigen suggestiven Bildern in Szene setzt.

Ebenfalls auf der Suche nach einem Vermissten ist die iranische Mutter „Pari“ im gleichnamigen Spielfilm von Siamak Etemadi.

Der in Teheran geborene Regisseur hat ihn in seiner eigenen Wahlheimat Athen angesiedelt.

Einwanderergeschichte mit viel Potential

„Woher kommst du eigentlich?“, ist die erste Frage, die Parvis in „Futur Drei“ gestellt wird – mitten beim Rummachen mit einem anderen Mann in einem Club.

Seine Antwort – falls er eine gibt – ist nicht zu hören. Sie könnte Hildesheim lauten, denn hier ist der junge Mann als Sohn iranischer Einwanderer aufgewachsen. Diese Herkunft gerät auf eine für ihn neue Art in den Focus, als er in einem Heim für Geflüchtete Sozialstunden leisten muss und sich dort in einen Iraner verliebt.

Das autobiografisch inspirierte Debüt des 1994 in Köln geborenen Faraz Shariat hat bereits den First Steps Award gewonnen und dürfte auch ein heißer Kandidat im Rennen um den Teddy Award für den besten queeren Film sein.

Verliehen wird er wieder bei einer großen Gala in der Volksbühne – wie immer einen Tag vor der großen Bärenvergabe.

Umweltzerstörung und queere Filme

Das Panorama, das in diesem Jahr erstmals unter der alleinigen Leitung von Michael Stütz steht – 2018 und 2019 war er im Team von Paz Lázaro – ist die traditionelle Berlinale-Heimat der queeren Filme.

Zehn Werke sind es diesmal. Und schon die Eröffnung setzt einen regenbogenfarbenen Akzent: „Las Mil y Una“ von Clarisa Navas spielt in einem argentinischen Sozialbauviertel, wo sich eine Gruppe junger Queers ihre eigenen Räume zu schaffen versucht.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Thema Umweltzerstörung. So lässt etwa Georgis Grigorakis in seinem Spielfilmdebüt Digger die Bagger eines Ölkonzerns auf ein griechisches Dorf zurollen.

Anhand einer Vater-Sohn-Geschichte erzählt er davon, wie die Gemeinde sich über die Frage entzweit, ob sie der Ausbeutung ihres Landes zustimmen soll oder nicht. In Danilo Caputos „Semina il vento“ leben die Menschen schon seit Jahrzehnten mit der Verschmutzung, die Europas größtes Stahlwerk in Apulien anrichtet.

Hier kämpft die Agrarwissenschaflerin Nica um den Erhalt der familiären Ölplantage, was zu einem Generationskonflikt führt. Die Schwarz-weiß-Dokumentation „O reflexo do lago“ von Fernando Segtowick zeigt die Zerstörung, die der Bau eines Wasserkraftwerkes in den 80ern in Amazonien angerichtet hat.

Doku über Schlingensief

Ein weiteres Highlight aus dem Dokumentarfilmprogramm ist „Schlingensief – In das Schweigen hineinschreien“ von Bettina Böhler. Die unter anderem für ihre Arbeit mit Christian Petzold bekannte Editorin hat aus teilweise unveröffentlichtem Material ein Porträt des 2010 verstorbenen Christoph Schlingensief montiert.

Ein Jahr vor seinem Tod war der Künstler in der Berlinale-Jury, Tilda Swinton hatte den Vorsitz. Heute ist weniger Glam, aber vielleicht macht das auch nichts: So lange die Filme stark sind, braucht es keine Stars. Im Panorma gibt es jedenfalls einiges zu entdecken.

Nadine Lange

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