ARTfi 2014: Konferenz zu Kunst und Kapital: Die neue Sichtbarkeit
Bei der Berlin Art Week 2014 kooperieren nicht bloß Galerien und Institutionen. Erstmals findet auch eine Konferenz zum Thema Kunst und Kapital statt - die ARTfi.
"Deine Miete macht mich jedes Mal neidisch", bekennt ein New Yorker Galerist auf der Durchreise. "Und ich könnte weinen, wenn ich sehe, welche Sammler bei dir kaufen", antwortet der Kollege aus Berlin. Er hat die Geschichte vor einiger Zeit selbst erzählt, um anschaulich zu machen, wie ungleich sich die Vorteile seiner Ansicht nach auf die Standorte verteilen: In New York oder Miami leben Kunstkäufer, die Zeitgenössisches zuverlässig - und nicht selten für Millionenbeträge - erwerben.
In Berlin ist dieser Typus eher rar. Gleichwohl kann man hier seit einigen Jahren eine stattliche Zahl passionierter Sammler beobachten, die ihre Kollektionen entweder an Institutionen verleihen oder in privat finanzierten Räumen für jeden zugänglich zeigen. Ihnen stehen allerdings gleich ein paar Hundert Galerien gegenüber, deren Existenz letztlich von der in jeder Hinsicht erfolgreichen Kunstvermittlung abhängt.
Lust am Experiment plus Pioniergeist
Diese Konzentration fußt auf der einzigartigen Situation der jungen Hauptstadt, die nach dem Mauerfall 1989 Freiräume bot, von denen man in anderen Metropolen bloß träumen kann. Für Künstler wie Galeristen sind die Bedingungen immer noch so optimal, dass sie London, New York oder Paris verlassen, um in Berlin ihre ambitionierten Pläne zu verwirklichen.
Die einen arbeiten in weitläufigen Ateliers, die ihnen inzwischen oft gehören. Die anderen zeigen aufstrebende Künstler in großzügigen, gern zentral gelegenen Galerieräumen. Anderswo müssten sie ungleich schärfer kalkulieren und überlegen, mit welchen marktgängigen Positionen sie den nötigen Umsatz erzielen. Natürlich gibt es Rückschläge. Seit 2012 haben mit Giti Nourbakhsch, Martin Klosterfelde, September, Moeller Fine Art und bald auch Joanna Kamm mehrere wichtige Galerien geschlossen.
Noch aber zählt man parallel ebenso viele Neueröffnungen. Hinzu kommt eine bewundernswerte Dichte von autonomen Projekträumen, die gar nicht gewinnorientiert arbeiten wollen. Sie fungieren jedoch als Plattform: Junge Künstler zeigen dort erstmals ihre Arbeit, und nicht selten sickern sie von dort in den professionellen Ausstellunsbetrieb.
Die Lust am Experiment plus Pioniergeist bei überschaubarem finanziellen Risiko - für diese Mischung ist Berlin zu einem Synonym geworden. Die Aufbruchsstimmung vermittelt sich immer noch, selbst wenn die hiesige Galerieszene längst auf professionellem Niveau agiert. Bester Beleg dafür ist das Gallery Weekend, 2004 ins Leben gerufen und längst das zentrale Event im Frühjahr – immer mit einem festlichen Dinner wie zuletzt im Flughafen Tempelhof, wo über tausend internationale Gäste zusammenkamen.
Galerien und Messen sind Motor für Kunstszene
Als zweite wichtige Veranstaltung kristallisiert sich die Berlin Art Week heraus, die vom 16.bis 21. September zum dritten Mal stattfindet. Wieder waren es Galeristen, die ursprünglich die Initiative ergriffen und nach dem abrupten Ende der Berliner Kunstmesse Art Forum 2011 ihre alternativen Formate einfach fortsetzten, obwohl sie ergänzend zum zentralen Art Forum gedacht waren: die Art Berlin Contemporary (ABC) als kuratierte Verkaufsausstellung von Galerien, die unzufrieden mit der Hauptmesse waren. Und die sogenannten Satellitenmessen Preview und Berliner Liste für all jene, die keinen Platz auf dem Art Forum gefunden hatten. Inzwischen gibt es auch die Preview nicht mehr, nachdem im vergangenen Jahr zu viele Galeristen enttäuscht von den mangelnden Umsätzen waren.
An ihre Stelle rückt aktuell die Positions Berlin: gegründet vom Berliner Galeristen Kristian Jarmuschek, der auf Anhieb 50 Galerien von Tokio bis Riga versammeln konnte. Mindestens genauso wichtig aber ist eine Erkenntnis der kulturellen Institutionen und der Stadtverwaltung, auf die man nach dem Ende des Art Forums gefährlich lange warten musste: dass nämlich Galerien und ihre Handelsplätze, die Messen, ein Motor für die Kunstszene sind.
Aus dieser Einsicht wächst die Berlin Art Week nun zu einem dichten Programm, an dem die Nationalgalerie ebenso teilnimmt wie die Kunst-Werke oder die Akademie der Künste, die in dieser Zeit spektakuläre Ausstellungen eröffnen. Zum ersten Mal dabei ist ARTfi - the Fine Art & Finance Conference. Sie widmet sich am 17. September dem Thema Artinvestment und lotet die Chancen, aber auch Risiken von Kunst als Kapitalanlage aus.
Experten wie Philip Hoffman, Generaldirektor des Londoner Beratungshauses The Fine Art Fund Group, oder Noah Horowitz als Direktor der ältesten New Yorker Kunstmesse Armory Show sollen Einblick in die komplexen Strukturen des Kunstmarkts geben. Unterstützt werden sie von privaten Sammlern wie Christian Boros aus Berlin oder dem Franzosen Sylvain Levy, der sein Interesse vor einigen Jahren auf zeitgenössische chinesische Kunst verlagert hat.
Im Marktgeschehen Platz genommen
Dass sich Kunst und Kapital so sichtbar miteinander verbinden, mag nicht jedem auf Anhieb gefallen. Er kann in Berlin jedoch Feldforschung betreiben und sehen, wie stark das Thema gerade in jüngster Zeit an Bedeutung gewinnt. Nicht allein, weil der Kunstmarkt immer globaler wird und damit auch die Konkurrenz erstarkt. Sondern weil Berlin längst im internationalen Marktgeschehen Platz genommen hat. Aus der subkulturellen Szene der Neunziger sind etablierte Galerien wie Contemporary Fine Arts (CFA), Neu oder Guido Baudach hervorgegangen.
Andere namhafte Protagonisten wie Max Hetzler, die Galerien Sprüth Magers oder Capitain Petzel sorgen dafür, dass die Werke international renommierter Künstler regelmäßig in Berlin zu sehen sind: egal ob Cindy Sherman, Ernesto Neto, Robert Longo oder Glenn Brown. Die meisten dieser Galerien nehmen an relevanten Messen wie der Art Basel oder der Frieze in London teil. Nicht zuletzt machen lokale Faktoren, etwa die spürbar steigenden Mieten, selbst den Berliner Markt zunehmend rauer.
Kaum sichtbar im Kunstmarkt
So rechnet das in Berlin ansässige Institut für Strategieentwicklung (IFSE) in seiner "Galeriestudie 2013" für die Stadt mit rund 400 Kunstgalerien, deren Bandbreite von kleinen Räumen ohne große Umsätze bis zu jenen reiche, die "deutlich mehr als eine Million Umsatz jährlich" erwirtschafteten. Nur einem Viertel attestierte das Institut jedoch eine "Sichtbarkeit im Kunstmarkt". Alle zusammen kämen auf eine Fläche von über 60 000 Quadratmetern, auf der jährlich mehr als 6000 Künstler präsentiert würden.
Vergleichbares sucht man in anderen europäischen Städten vergeblich. Schließlich aber zieht die Studie auch das Fazit, dass höchstens ein Viertel die nötigen Gewinne mache, um auf Dauer davon leben zu können. Damit fällt die Bilanz des Instituts ähnlich alarmierend aus wie die des Berliner Start-up-Gründers Magnus Resch. Der 30-Jährige startete vergangenes Jahr die Datenbank "Larry’s List", in der man sich über Kunstsammler in aller Welt informieren kann. Gerade ist sein Buch "Management von Kunstgalerien" erschienen, in dem er behauptet: Knapp 40 Prozent aller Galerien in Deutschland machen Verluste, weil sie sich nicht als kommerzielle Unternehmen sehen. Natürlich gibt Resch Tipps zu ihrer Optimierung.
Berlin wird Handelsplatz für Gegenwartskunst
Einen anderen Zwiespalt erkennt das Magazin "Texte zur Kunst" in seiner aktuellen Ausgabe "Berlin update". Dort heißt es über den "Mythos der Marktferne" gleich im Kommentar von Magazin-Gründerin Isabelle Graw: "Offiziell punktet Berlin weiterhin mit seiner informellen Ökonomie, den Ressourcen Zeit und Raum." Tatsächlich sei die Stadt dabei, ein Handelsplatz für Gegenwartskunst zu werden - und schlage aus ihrem Ruf als kreative Produktionsstätte der Künstler zusätzliches Kapital. Solche konträren Positionen machen es ebenso spannend wie notwendig, den Berliner Kunstmarkt näher zu beleuchten. Vieles ist anders, als es auf den ersten Blick scheint. Selbst die Klage über mangelnde Käufer steht zur Disposition, wenn zur Art Week eine gemeinsame Website der wichtigsten Berliner Sammler online geht - und man erstaunt zur Kenntnis nehmen wird, wie viele es geworden sind.
Und dann ist da noch das Statement des vielfachen Messegründers und langjährigen Direktors der Art Basel, Lorenzo Rudolf, der ebenfalls während der ARTfi sprechen wird. Wenn "ein kosmopolitisches Umfeld mit einer vibrierenden Kunstszene der Schlüssel zum Erfolg einer Kunstmesse" wäre, formulierte er jüngst in einem Interview, "wäre die Art Basel längst gestorben, und Berlin müsste Standort einer der wichtigsten Kunstmessen sein". Das sei aber nicht der Fall. Weshalb noch nicht? Vielleicht weiß Rudolf auch die Antwort darauf.