„Tulpenfieber“ mit Alicia Vikander: Die nackte Kanone
Zu viel Melodram, zu wenig historische Akkuratesse: Justin Chadwicks Romanverfilmung „Tulpenfieber“ über verbotene Liebe im barocken Amsterdam.
Aus einem trivialen Roman kann man einen guten Film machen. Die Kinogeschichte ist voller Beispiele, angefangen mit „Dr. Mabuse“. Aber ein trivialer Roman lässt sich auch problemlos in einen noch schlechteren Film verwandeln. Ein Beispiel dafür ist „Tulpenfieber“, Justin Chadwicks Verfilmung von Deborah Moggachs gleichnamigen Bestseller.
„Tulpenfieber“, das war eine frühkapitalistische Spekulationsblase, die dadurch ausgelöst wurde, dass im 17. Jahrhundert Zwiebeln aus den Überseekolonien nach Holland eingeschifft wurden, aus denen tropisch bunte Blumen wuchsen. Die Blase platzte, als immer mehr Zwiebeln den Markt überschwemmten und die Spekulanten ruinierten, unter ihnen Rembrandt. „Sie kamen aus weiter Ferne und waren so wunderschön, dass die Leute den Verstand verloren“, heißt es zu Beginn des Films. Der Maler Jan van Loos, von Dane DeHaan zum Barockrebellen gemacht, will eine ultrarare, mutierte Tulpenzwiebel verkaufen, um mit seiner von Alicia Vikander gespielten Geliebten in die Neue Welt zu fliehen. Sie lieben einander, seit er sie porträtierte, wovon ihr Ehemann, ein reicher Kaufmann, nichts ahnt. Christoph Waltz verkörpert ihn mit stoischer Nussknackerhaftigkeit hinter einem prunktellergroßen spanischen Kragen. Ob der Maler jemals Verstand besessen haben kann, erscheint fraglich, denn sobald er Geld bekommt, strebt er von seiner Staffelei in Spelunken und Bordelle. Womit das Drama beginnt.
Den Grachten nach zum Ballermann
Seine stärksten Momente hat der Film, wenn der dänische Kameramann Eigil Bryld Bilder erschafft, die ans goldene Zeitalter der Holländischen Malerei erinnern. Da legt sich Rembrandts berühmtes Helldunkel über das Patrizierhaus des Kaufmannspaares, bis es zum großen Stillleben erstarrt, und wenn Vikander im ultramarinblauen Kleid mit einer Tulpe am Fenster posiert, scheint sie direkt einem Vermeer-Interieur entsprungen zu sein. „Nicht bewegen!“, ruft der Maler, doch anders als das stille Vermeer-Biopic „Das Mädchen mit dem Perlenohrring“ hält sich der Film nicht an die Ermahnung.
„Tulpenfieber“ hat von fast allem zu viel: zu viel Lärm, zu viel Krawall, zu viel Melodram. Durch die engen Gassen von Amsterdam schieben sich tagein, tagaus grölende, dauerbrünftige Menschenmassen, als wollten sie den Grachten zum Ballermann folgen. Liebe wird auf einem Küchentisch zwischen gerade gelieferten Meeresfrüchten gemacht, die Familie isst ihre Suppe von einem gemeinsamen Löffel, und bevor Waltz seine eheliche Pflicht verrichtet, sagt er: „Ich glaube, mein kleiner Soldat ist bereit.“ Nach vollzogener Vereinigung meldet er: „Kanone abgefeuert.“ So deftig war das Barockzeitalter.
Das Drehbuch stammt vom inzwischen 80-jährigen britischen Dramatiker Tom Stoppard, der einst schon „Shakespeare in Love“ schickte. Neben der zunehmenden Komödienstadlartigkeit kann man ihm auch mangelnde historische Akkuratesse ankreiden. Im streng protestantischen Amsterdam gab es um 1700 keine Nonnen mehr, die mit Judi Dench als Äbtissin in ihrem Ursulinenkloster hätten Tulpen züchten können. Und ein Liebespaar, das sich in den Dünen getroffen hätte, um Fluchtpläne zu besprechen, existierte garantiert auch noch nicht. Kein Mensch wäre vor dreihundert Jahren auf die Idee gekommen, den Strand zum Vergnügen zu betreten. Für Krebssammler und Fischer war er ein Ort harter Arbeit. Das Meer galt als Bedrohung, nicht als Sehnsuchtsziel. Spätestens hier säuft die Glaubwürdigkeit von „Tulpenfieber“ ab.
In 15 Berliner Kinos; OV im CineStar Sony Center; OmU in den Hackeschen Höfen, im Neuen Off und im Odeon.
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