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In seinem Dokumentarfilm "Knives Out" porträtiert Regisseur Wojcieszek junge Polen, die PiS-Anhänger sind. In seiner Heimat will kein Verleih den Film herausbringen, weshalb Wojcieszek es jetzt per Crowdfunding versucht.
© Promo

Film und Politik in Polen: „Die meisten Künstler schließen einfach die Augen“

Der regierungskritische Theater- und Filmregisseur Przemyslaw Wojcieszek und sein Dokumentarfilm über jugendliche PiS-Anhänger, dessen Vertrieb er mit einer Crowdfunding-Party in Berlin finanzieren will.

Przemyslaw Wojcieszek spart nicht mit harschen Worten, wenn er die politische Situation in Polen beschreibt: „Jaroslaw Kaczynski lässt sich am besten mit Erdogan vergleichen. Er ist ein selbstgerechter Egoman, der Polen in ein autoritäres System führen will.“ Der Film- und Theaterregisseur verfolgt die Entwicklung in seinem Heimatland mit Sorge. Zugleich ist er einer der wenigen Künstler, die sich trauen, die Situation öffentlich anzuprangern. Das hat seinen Preis: Wegen seiner Einwände hat sich der 42-Jährige den Zugang zu staatlichen Fördertöpfen verbaut. Besonders niedergeschlagen wirkt er trotzdem nicht.

„Ich mache mir um meine Existenz keine Sorgen. Lieber arm sein und moralisch frei als umgekehrt. Ich bin nicht der Typ, der sich jetzt patriotischen Stücken zuwendet, nur weil es der Kulturminister verlangt“, sagt der Pole und fährt sich nervös durch die Haare. „Die Theater sind staatlich gefördert. Keiner will sich zu weit aus dem Fenster lehnen, um nicht Gefahr zu laufen, den Job zu verlieren. Mir ist das egal.“ Polens Kulturminister Piotr Glinski sei, so Wojcieszek, ein Lakai Kaczynskis. Der Direktor des polnischen Fernsehens, Jacek Kurski, sein duckmäuserischer Untertan. „Nur ein Beispiel: Als ein Beitrag über eines meiner Theaterstücke im polnischen Fernsehen gezeigt werden sollte, intervenierte Kurski und verhinderte eine Ausstrahlung. Später sagte er, es sei zu technischen Problemen gekommen.“ Trotzdem seien zensorische Eingriffe wie diese eine Ausnahme, ergänzt Wojcieszek. Statt Verbote auszusprechen, würden die Minister eine Atmosphäre der Angst kreieren, die effektiver sei. „Denn das führt zur Selbstzensur. Die meisten Künstler in Polen schließen einfach die Augen. Sie wollen sich keine Probleme machen.“

Zunächst wollte keine Bühne sein Theaterstück "Nationalhymne" aufführen

Wojcieszek ist selbst Opfer dieser Entwicklung geworden. Als er sein neuestes Theaterstück „Nationalhymne“ fertigschrieb, wollte es kein Theater aufführen. „Nur Jacek Glomb vom Theater in Legnica hat sich getraut. Er hat mir und meinen Schauspielern eine Heimat gegeben, trotz politischen Gegenwinds. Auf Grund seines Renommees genießt er Schutz, das hat mich gerettet“, sagt Wojcieszek spürbar erleichtert. Das groteske Stück nehme die politische Ausschlachtung der Flugzeugkatastrophe von Smolensk aufs Korn, bei der 2010 der polnische Präsident Lech Kaczynski ums Leben gekommen ist.

Politgroteske. Wojcieszeks Stück „Nationalhymne“ wurde am Theater Legnica uraufgeführt.
Politgroteske. Wojcieszeks Stück „Nationalhymne“ wurde am Theater Legnica uraufgeführt.
© Karol Budrewicz

„Bei der aktuellen Politik der Regierungspartei PiS dreht sich alles nur um Smolensk, „ sagt Wojcieszek. Jaroslaw Kaczynski wolle von den realen Problemen ablenken und instrumentalisiere den Tod seines Bruders. „Die Katastrophe ist zum Fetisch geworden.“

Statistiken belegen: Vor allem junge Polen haben für Kacyznski gestimmt

Dennoch wurde Kaczynski demokratisch gewählt, er hält die absolute Mehrheit im Parlament. Wie lässt sich dieser Erfolg erklären? Wojcieszek zieht die Mundwinkel zusammen, als wäre ihm das Wahlergebnis peinlich. „Das Versprechen, 500 polnische Zloty pro Kind zu zahlen, also rund 160 Euro, und die Staatskassen zu plündern, war der Erfolgsgarant“, resümiert der Regisseur. Außerdem beobachte er eine Entpolitisierung der Jugend, die sich von schnellen Versprechungen vereinnahmen lasse. „Die jungen Polen brauchen das Geld. Außerdem sind sie enttäuscht von der Vorgängerregierung, die keine klaren Werte vermitteln konnte.“

Statistiken belegen es: Ausgerechnet junge Polen haben für Kaczynski gestimmt. Die genaueren Gründe versucht Wojcieszek in seinem neuen Film „Knives Out“ zu erklären. Er porträtiert vier polnische Jugendliche und eine Ukrainerin, wie sie in einer alkoholdurchtränkten Nacht über die Situation in ihrem Land debattieren. Ressentiments kommen zur Sprache, die Angst vor Flüchtlingen, die Arbeitslosigkeit, die schlechten Berufschancen und die Perspektivlosigkeit, die keine Generation so gut nachvollziehen kann wie die aktuelle. „Viele junge Polen fahren entweder ins Ausland oder radikalisieren sich“, sagt Wojcieszek. „Auch wenn sich die Situation ökonomisch verbessert: Der Mehrheit geht die Veränderung nicht schnell genug.“

Wojcieszeks ganze Ersparnisse stecken im Film "Knives Out"

Eigentlich wollte der Regisseur den Film im Kino zeigen, aber aufgrund des regierungskritischen Themas fand er keinen Verleih. Auf Subventionen hat er keinen Anspruch, also muss der Filmemacher die Distribution völlig allein organisieren. Deshalb kommt er an diesem Freitag nach Berlin, wo er im Club der polnischen Versager eine Benefizfeier veranstaltet. „Crowdfunding ist für mich die einzige Möglichkeit, den Film in die Kinos zu bringen. Ich bin so gut wie pleite.“ Seine ganzen Ersparnisse stecken in dem Film. Es geht, fügt er hinzu, um seine künstlerische wie private Existenz.

In Berlin erfährt er viel Unterstützung für seine Projekte, daher will er es hier versuchen. „Es gibt viele weltoffene Menschen, die nach Berlin gezogen sind, um Kaczynskis Polen zu entfliehen“, resümiert Wojcieszek. Die Gruppe der Exilanten wird größer. Auf deren Hilfe hofft der Regisseur jetzt. Tomasz Kurianowicz

Wojcieszeks Benefiz-Party findet am Freitag, den 22. Juli, im Club der polnischen Versager statt, Ackerstraße 168, 10115 Berlin, ab 20 Uhr.

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