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Frankreichs Shootingstar Léa Seydoux - unlängst noch im Cannes-Gewinnerfilm „Blau ist eine warme Farbe“ - nun als "Belle"
© 2014 Concorde Filmverleih GmbH

Filmkritik: "La belle et la bête": Die letzte Rose

Die Wiederverfilmung von „La belle et la bête“ trägt dick auf: Regisseur Christophe Gans verwandelt das Märchen in ein düsteres Fantasiestück. Die Schöne ist Frankreichs neuer Shootingstar Léa Seydoux - ihr Biest ein altbekannter Finsterling.

Jean Cocteau, dieser frühe Magier des französischen Kinos, verfilmte das Märchen zum ersten Mal, 1946. Jean Marais gab die Bestie, Josette Day die Belle. Voller Symbolik und abgründiger Poesie gilt Cocteaus Werk zugleich als Vorläufer des Fantasy-Films.

Wer zählt die Leinwand- und TV-Adaptionen seitdem? Walt Disney nahm sich gleich drei Mal des ungleichen Paares an, der Fernsehfilm mit Maximilian Simonischek ist kaum zwei Jahre alt. Nun also Christophe Gans. Mit ihm wird aus dem Märchen vollends ein Fantasy-Stück. Léa Seydoux („Blau ist eine warme Farbe“) ist Belle, Vincent Cassel das Biest.

Wohl bei keinem Märchen drängt sich eine quasi-freudianische Deutung so auf wie bei „La belle e la bête“: Die Jungfrau an sich, durch Erziehung und Erfahrung vollkommen unvorbereitet, ausgesetzt in einem fremden Haus, trifft in der Hochzeitsnacht auf das Tier im Mann. Die alle gutwilligen Jungfrauen ermutigende Nachricht ist: Haltet durch, am Ende wird das Tier wieder zu dem Prinzen, den ihr geheiratet habt, wenigstens ein bisschen!

Kernfrage für das Biest: Ist die Beseelung des Mannes möglich?

Auch bei Gans lautet die Grundfrage: Ist eine Beseelung des Mannes möglich? Nach der Liebe des alten, verarmten Kaufmanns für seine jüngste Tochter zu urteilen, spricht manches dafür. Er bringt ihr aus dem verwunschenen Schloss, in das er versehentlich gerät, die Rose mit, die sie sich gewünscht hat. Aber ausgerechnet diese Rose – letzter Unterpfand des Lebendigen? – will sich der verwunschene tierische Schlossherr nicht nehmen lassen. Die Jungfrau tritt wie durch die ganze abendländische Kunstgeschichte so auch hier den Opfergang an: Nehmt mich statt seiner! Das ist die Entsühnung durch Reinheit.

Das Schloss des Ungeheuers ist wünschenswert krähenumschwärmt und dornenbekränzt, Léa Seydoux – vom Dasein noch gänzlich unbeschriftet – ist vor allem schön, wogegen sich Vincent Cassel in seiner Löwenmaske ohnehin im Dauer-Incognito befindet.

Christophe Gans bietet beinahe alles auf, was die digitale Technik hergibt. Jean Cocteau hätte es kaum für möglich gehalten. Doch das Paradoxe geschieht: Je voller dieser Film, desto leerer wird er. Was für ein seltsamer horror vacui, dem Gans am Ende mit offensivem Kitsch zu begegnen sucht. Der begräbt dann selbst die noch immer schöne Botschaft unter sich, dass alle Erlösung mit dem Verzicht auf Eigennutz beginnt. Wie der erlöste Cassel da am Ende in Schönheit im Wasserbecken treibt! Das Fazit: Die Beseelung der Bestie gelingt, nicht so die des Films.

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