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Ein genauer Hinhörer. Harry Kupfer ist immer produktiv.
© dpa

Harry Kupfer zum 80. Geburtstag: Die Kunst ist seine Heimat

An Berlins Komische Oper Berlins kam Harry Kupfer 1981. Als er sie im Jahr 2002 verlässt, hat das Haus 37 Inszenierungen von ihm im Repertoire. Jetzt wird der Regisseur und Opernfürst 80 Jahre alt.

Es ist schon ein erstaunliches Comeback, das er da hinlegt, pünktlich zu seinem 80. Geburtstag. Sein Salzburger „Rosenkavalier“ markierte im vergangenen Sommer Harry Kupfers Rückkehr auf die internationale Bühne, in der kommenden Saison wird er in Frankfurt am Main Glinkas „Ein Leben für den Zaren“ inszenieren, in München „Lady Macbeth von Mzensk“ und an der Berliner Staatsoper „Fidelio“. Ganz weg war er natürlich nie, aber es wurde doch recht still um ihn nach seinem Abschied von der Komischen Oper im Jahr 2002. Ein spätes Loslassen war das, in den Augen so mancher Beobachter gar ein zu spätes: 37 Kupfer-Inszenierungen hatte das Haus zu dem Zeitpunkt im Repertoire, fast drei Jahrzehnte war er hier Chefregisseur gewesen. Und hatte parallel dazu in den neunziger Jahren auch noch Unter den Linden mit Daniel Barenboim die zehn großen Wagner-Musikdramen herausgebracht.

Das Berliner Publikum wollte damals etwas Neues sehen, andere Regiehandschriften kennenlernen. Es dauerte dann allerdings nur ein paar Jahre, bis man die Qualitäten der Kupfer’schen Kunst wieder zu schätzen lernte, ex negativo. Weil sich viele „mit an den Haaren herbeigezogenen Ideen oder grellen Bildern interessant machen“ wollten, wie es der Regisseur jüngst in einem Interview mit der „Opernwelt“ formuliert hat. Was die handwerkliche Souveränität seiner Personenführung betrifft, vermag jedenfalls kaum einer der jüngeren Regisseure mit Harry Kupfer zu konkurrieren. Weil bei ihm stets der Mensch im Mittelpunkt steht, weil er alle Anstrengung darauf verwendet, die Beziehungen der handelnden Personen untereinander szenisch sichtbar zu machen.

Kupfer und das "Musiktheater"-Konzept

Geprägt wird der 1935 in Berlin geborene und in Leipzig ausgebildete Kupfer vom „Musiktheater“-Konzept Walter Felsensteins, der erstmals in der Operngeschichte eine wirkliche Gleichberechtigung von Gesang und Darstellung anstrebt. Den virtuosen Umgang mit Chormassen lernt er dann bei Carl Riha in Chemnitz, während seiner klassischen „Ochsentour“ durch die Provinz, die Kupfer 23-jährig in Halle startet und die ihn über Stralsund und Weimar nach Dresden und 1981 an die Komische Oper führen wird.

Ihre bildliche Kraft schöpfen die Kupfer-Produktionen aus der Kritik am DDR-Regime, die das Publikum leicht zu dechiffrieren versteht. Gleichzeitig aber ist er auch als Reisekader unterwegs im kapitalistischen Ausland, inszeniert in Amsterdam und Kopenhagen, ab 1978 dann auch bei den Bayreuther Festspielen. Nach einem der Gastengagements im Westen zu bleiben, ist für Kupfer aber keine Option – weil er sich in seiner Heimat als Künstler gebraucht fühlt.

Seelenlandschaften und feine Charakterzeichnungen

Mit dem Zusammenbruch der DDR fällt für Kupfer auch der Bezugsrahmen weg, seine wichtigste Reibungsfläche. So manche szenische Lösung wirkt danach zahnlos und routiniert. Ganz anders beim Salzburger „Rosenkavalier“ 2014: Da zeigte sich nicht nur der Tagesspiegel begeistert von den „Seelenlandschaften“, die der Regisseur zu schaffen vermochte, von der feinen Charakterzeichnung als Resultat eines genauen musikalischen Hinhörens und einer tief gehenden Beschäftigung mit dem historischen Kontext. „Die Zeit ist ein sonderbar Ding“, lautet der berühmteste Librettosatz der Strauss-Oper. Für Harry Kupfers Alterswerk scheint sie jetzt gekommen zu sein.

Frederik Hanssen

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