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Aus der Werkstatt Lucas Cranach d. Älteren: Die Geburt Christi, um 1515.
© Thomas Scheidt / Bildarchiv Foto Marburg

Ausstellung im Bode-Museum: Die Kunst, Freunde zu sammeln

Das Berliner Bode-Museum zeigt Meisterwerke aus der Privatkollektion Marks-Thomée.

In seinem 1945 im amerikanischen Exil erschienenen Erinnerungsbuch „Der bunte Spiegel“ beschreibt der Kunstschriftsteller Max Osborn neben vielen anderen Zeitgenossen auch den Berliner „Museums-Imperator“ Wilhelm von Bode und dessen engen Vertrauten Max J. Friedländer. Der gemeinsame Vorraum vor deren Dienstzimmern im Kaiser-Friedrich-Museum, dem heutigen Bode-Museum, „sah Tag für Tag das Gedränge der Fachleute, Sammler, Museumsmänner, Kunsthändler aus der ganzen Welt. Man lernte sich kennen, man besprach die Kunstwelt-Begebenheiten, man zeigte sich gegenseitig, was man dem Orakelspruch des Kunstoberpriester-Paares Bode-Friedländer unterwerfen wollte, ja man bereitete sogar Geschäfte vor und schloss sie ab. Es war wie im Vorzimmer eines mächtigen Staatswürdenträgers.“

Wir wissen nicht, wie sich der preußische Landrat Fritz Thomée aus dem westfälischen Altena erstmals dem hohen Berliner Orakel genähert hat. Fest steht, dass sich der passionierte Jäger und Sammler in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts regelmäßig von Bode und Friedländer beraten und bestärken ließ. Bode pflegte aus Kalkül und Überzeugung den Kontakt zu Sammlern, stets in der Hoffnung, dass diese ihre Schätze irgendwann an „seine“ Berliner Museen übergeben würden.

Die unter Bodes Einfluss aufgebauten privaten Sammlungen, allen voran die von James Simon, sind entweder tatsächlich in Museumsbesitz übergegangen oder wurden in alle Welt zerstreut. In privater Hand erhielt sich kaum etwas, sieht man von der unlängst in der Villa Grisebach versteigerten Sammlung RohdeHinze ab – und der Sammlung Marks-Thomée, die nun, nach einer ersten Station im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen, in einer repräsentativen Auswahl im Bode-Museum gastiert.

Gemessen an den für den Zusammenhalt bedeutender Sammlungen abträglichen Zeitläuften in deutschen Landen ist es ein Wunder, dass sich in der rheinisch-westfälischen Provinz nicht nur ein paar bemerkenswerte Bilder und Skulpturen in Familienbesitz (wie Tilman Riemenschneiders fein beobachtetes Relief des Marientodes oder die aus der Werkstatt Rogier van der Weydens stammende Replik der Mitteltafel des Bladelin-Altars; das Original hängt in der Gemäldegalerie am Kulturforum), sondern der historisch gewachsene Kosmos einer vor hundert Jahren entstandenen Altmeistersammlung erhielt.

Verloren ist zwar das übervolle, bürgerliche Repräsentation mit musealen Ansprüchen verknüpfende Ambiente des Fritz Thomée, dessen Nachfahre und heutiger Sammlungseigner Werner Marks für den Katalog vor bauhausweißen Wänden posiert. „Madonna im Bungalow“ war 2013 Sebastian Preuss’ Weltkunst-Beitrag über die Sammlung Marks-Thomée überschrieben. Geblieben jedoch sind Bestand und Zusammenhang der Sammlung selbst, in all ihren Facetten, Verästelungen, Schrullen und Abwegen, die nun im Bode-Museum zu neuem Leben erwachen. Das Ensemble bedeutet mehr als nur die Summe seiner Teile.

Ein Charakterkopf muss dieser Beamte „mit Antiquitätenfimmel“ (Thomée über Thomée) in der Tat gewesen sein, was nicht nur sein Porträt nahelegt, 1922 gemalt vom Lenbach-Schüler Leo Samberger in München. Thomée, der als Landrat den Wiederaufbau der mittelalterlichen Burg Altena betrieb und dabei so weit ging, sich mit einem seiner Kritiker duellieren zu wollen, begann auch als Sammler gut westfälisch. Nur weniges hat den Bildersturm der Wiedertäufer in Münster 1534/35 überstanden, doch mit dem Johann Wolt zugeschriebenen „Kreuz tragenden Engel“ sowie Heinrich Brabenders „Christus als Schmerzenzmann“ erwarb Thomée gleich zwei Meisterwerke der raren Münsteraner Sandsteinskulptur der Spätgotik.

In Raten bezahlte der Sammler 1916/17 die um 1335 in Köln geschnitzte Thronmadonna mit Kind ab, die zwar einem verbreiteten Typus angehört, jedoch nicht nur mit ihrem himmlischen Lächeln, sondern durch eine wunderbar differenzierte originale Farbfassung überzeugt.

In späteren Jahren wandte sich Thomée verstärkt der holländischen, flämischen und sogar italienischen Malerei zu, wofür exemplarisch eine 1930 im Kölner Kunsthandel erworbene Kopie von Raffaels „Nelkenmadonna“ aus der Werkstatt des Sassoferrato steht. Thomée, dessen Schätze 1930 in einem eigenen, privat finanzierten Sammlungskatalog wissenschaftlich bearbeitet wurden, rettete seine Passion auch durch schwierige Zeiten. Während der Weltwirtschaftskrise erwarb er durch Tausch mit einem anderen Sammler ein bedeutendes niedersächsisches Löwen-Aquamanile des 13. Jahrhunderts; 1942, zwei Jahre vor seinem Tod, kaufte er eine in Limoges um 1540 emaillierte Hostienbüchse mit der Darstellung des ungläubigen Thomas.

Der liebe Gott hätte es „mit uns beiden doch so gut gemeint, dass er uns den Hang zum Sammeln gab“, zitierte Thomée 1927 anlässlich seiner Pensionierung den Kölner Domkapitular und Sammlerfreund Alexander Schnütgen – und gelangte zu dem schönen Schluss, die eigentliche Gottesgabe sei es, „Freunde zu sammeln.“ Sicher beides eine Frage der Leidenschaft.

Bodemuseum, Am Kupfergraben, Museumsinsel, bis 18.  Oktober; Di bis Fr 10 – 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa / So 11 – 18 Uhr. Der Katalog (Belser Verlag) kostet 39,90 €.

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