Berlin: Der König der Museumsinsel
Ohne Wilhelm von Bode müsste Berlin auf viele Kunstschätze und auch auf das nach ihm benannte Museum verzichten – nur beim „Mann mit dem Goldhelm“ lag er falsch
Wie kaum ein anderer ist Wilhelm von Bodes Name untrennbar mit der Berliner Museumsinsel verbunden. Ohne Zweifel darf sie zu den bedeutendsten Sammlungen in Nordeuropa gerechnet werden. Als Doktor und Professor, als Exzellenz und Wirklicher Geheimer Rat verkörperte Wilhelm von Bode das Bildungs- und Großbürgertum einer allmählich verlöschenden Epoche. Sein Weg von Braunschweig nach Berlin war keineswegs frei von Brüchen und Rückschlägen, von Niedertracht und gesundheitlichen Beschwerden, und doch war er überaus erfolgreich darin, Kunstgeschichte einer größeren Öffentlichkeit nahe zu bringen.
Dafür herrschte nach der Reichsgründung 1871 ein äußerst günstiges Klima – und die Mittel waren auch vorhanden. Die junge reichshauptstädtische Gesellschaft suchte Anschluss an die großen Metropolen Europas. Dienlich war der Karriere von Bodes aber auch der persönliche Umgang Wilhelm II. Wer in der Gunst des Kaisers stand, hatte oftmals leichtes Spiel, damit aber auch viele Feinde. Von Bode verstand sich ihm gegenüber auf den respektvollen Ton; er wahrte die Etikette, doch nicht ohne eine Spur des derben Berliner Volksmunds einfließen zu lassen, auf den Seine Majestät selbst abonniert war. So soll er bei einigen kritischen Anmerkungen über sein Wirken den Kaiser mit den Worten beruhigt haben: „Majestät, hier muss schon wieder ein Schweinehund gestänkert haben.“
Wilhelm von Bode wurde am 10. Dezember 1845 in Calvörde nahe Braunschweig geboren. Sein Vater war Jurist und Reichstagsabgeordneter. Der Vater versuchte, den seit seiner Gymnasialzeit von Gicht-, Asthma- und Migräneanfällen heimgesuchten Jungen in eine Juristenlaufbahn zu lenken. Doch nach dem ersten Rechtsstudium in Göttingen von 1864 bis 1867 reifte in Wilhelm der Entschluss, ins kunstgeschichtliche Fach zu wechseln. Bode begann in Braunschweig ein Referendariat am Amtsgericht. Dort lernte er den Aachener Kunstsammler Barthold Suermondt kennen, der ihm den Einstieg in die Welt der Sammler und Kunsthändler in Europa ermöglichte.
Bode studierte vor allem die flämische und holländische Kunst in Belgien und in den Niederlanden. Durch erste Aufenthalte in Wien unterbrochen, schloss Bode 1869 ein zweites Studium an der Berliner Humboldt-Universität an. 1870 promovierte er in Leipzig über „Frans Hals und seine Schule“. Durch ein Familienstipendium konnte er hier kostenlos promovieren.
Frans Hals, heute unzweifelhaft ein Höhepunkt der Berliner Gemäldesammlung, ist genau genommen durch Bode erst entdeckt worden. Seine Zeitgenossen, allen voran der in Kunstdingen bewanderte 100-Tage-Kaiser Friedrich III., hielten Hals allenfalls für einen zweitklassigen Künstler. Und das Wort der Kaiser und Kronprinzen hatte Gewicht, entschied es doch oftmals über Ankauf oder Ablehnung eines Kunstwerks für die Berliner Museen. 1872 avancierte Bode zum Assistenten an der Skulpturen-Abteilung der Königlichen Museen, 1890 wurde er zudem als Assistent an der Gemäldegalerie berufen. Seine unzähligen Reisen nach Venedig, Florenz, Budapest, St. Petersburg, nach England, Paris und immer wieder in die Niederlande festigten seine Kenntnis von den Kunstwerken wie auch die Beziehungen zu Kunstsammlern und -händlern.
Schon bei seiner Berufung an die Museen hatte Bode einen mächtigen Feind. Der Generaldirektor Graf Usedom war dem jungen Gelehrten nicht gewogen. Die fein gesponnenen Intrigen der kaiserlichen Familie verästelten sich bis in alle gesellschaftlich relevanten Kreise hinein. Graf Usedom war ein Günstling des Kaisers Wilhelm I., aber in Kunstfragen kein wirklicher Fachmann. Umso mehr provozierte es den Grafen, dass der kränkelnde Kronprinz Friedrich die Ankaufsvorschläge des noch jungen Bode weitgehend berücksichtigte. 1879, bis zur Ernennung des neuen Generaldirektors Richard Schoene, des ersten Wissenschaftlers auf diesem wichtigen Posten, musste sich Bode ständiger Intrigen erwehren. Das förderte, wie er selbst es sah, seine Migräneattacken, die mehr und mehr in ein nervösen Beinleiden übergingen, so dass er in den letzten Lebensjahren kaum noch laufen oder lange stehen konnte.
Bode gehörte auch zu den ersten Kunstkennern, die das frühe Werk Rembrandts in das Licht setzten, in dem es heute noch verdientermaßen steht. Und doch hatte er sich in einem prominenten Fall getäuscht. An der Schwelle zum 20. Jahrhundert hatte Bode den „Mann mit dem Goldhelm“ in arg vernachlässigtem Zustand ankaufen lassen. Sein Weggefährte, der Restaurator Hauser konnte das verschmutzte Bild wieder herstellen. 20 000 Mark wurden für dieses Gemälde ausgegeben. Erst fast ein Jahrhundert später, in den 80er Jahren, musste man sich nach einer aufwändigen und damals neuartigen Untersuchung am Berliner Hahn-Meitner-Institut eingestehen, dass das um 1650 entstandene Bild nur dem Umkreis von Rembrandt zuzuschreiben ist.
Abgesehen von diesem Fall hatte Bode in aller Regel eine glückliche Hand. Viele Schätze in Berlin sind ohne ihn nicht denkbar. So kamen Ruisdaels, Terbochs, Dürers ins Haus. Überhaupt Dürer. 1893 war es Bode auf Vermittlung des Direktors der Londoner National Gallery gelungen, ein Werk von Dürer zu erwerben, das als solches zunächst nicht zu erkennen war. Das Meisterwerk steckte in einem schweren florentinischen Rahmen, den Bode noch in London abnehmen ließ Auf der ringsum vom Rahmen verdeckten Malerei fand sich – zum Leidwesen der Engländer – das Dürer-Monogramm.
1880/81 reifte im Generaldirektorium der Museen der Plan für ein Renaissancemuseum. Politische Umstände beförderten dieses Projekt, galt in jener Zeit die Renaissance doch für das Bürgertum als die Epoche, auf die man sein Selbstverständnis baute. Verworfen wurde das anfangs erwogene alte Grundstück der Königlichen Porzellanmanufaktur, auf dem später das Gebäude des Preußischen Landtages entstand. Stattdessen entschied man sich für die Nordspitze der Cöllnischen Insel, heute als Museumsinsel bekannt. Die Entwürfe zum Kaiser-Friedrich-Museum wurden dem kaisertreuen Architekten Ernst von Ihne übertragen, der das Gebäude in dem von Wilhelm II. favorisierten neobarocken Stil ausführte. Damit sollte das vierte der insgesamt fünf Museumsgebäude außen die monarchistischen Traditionen verkörpern, während es im Innern als Hort der bürgerlichen Welt gelten sollte.
Die Vermengung der Stile konnte Bode nicht recht sein, doch er schaffte den Spagat. Auch als Vertreter des Bürgertums war er sich keineswegs zu schade, an den Landpartien, Teegesellschaften und Soireen des Hofes teilzunehmen. Bode war ein gern gesehener Gast beim Kronprinzen Friedrich wie später bei Wilhelm II. So gelang es Bode immer wieder, diesem Mittel für das Museum zu entlocken. Die unter Bode ausgebaute Renaissancesammlung sollte nicht in Sälen mit neobarocker Ausstattung präsentiert werden, vielmehr sollten Türen, Kamine, Wandverkleidungen, Mobiliar aus der gleichen Epoche wie Skulpturen und Gemälde stammen.
1906 berief Wilhelm II. den renommierten Kunsthistoriker zum Generaldirektor. Bode hatte das Amt bis zu seiner Pensionierung 1920 inne. Da war er bereits 75 Jahre alt. Allein, die Mittel des Kaiserhauses reichten für das ehrgeizige Projekt zu einem neuen Museum nicht aus. Bode hatte frühzeitig ein feines Netz in der Berliner Gesellschaft geknüpft, indem er einem mächtigen und finanzstarken Bürgertum beim Aufbau ihrer Privatsammlungen behilflich war, aber gleichzeitig erwartete, dass die Kunstsammler als Mäzene vor allem für das Kaiser-Friedrich-Museum auftraten. Neben vielen anderen fruchtbaren Beziehungen sei nur an den Bankier James Henry Simon erinnert.
Der Höhepunkt der Karriere Bodes war die Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums am 18. Oktober 1904. Der Tag war nicht zufällig gewählt. Es war der 73. Geburtstag seines Namensgebers. Wilhelm von Bode überlebte die Monarchie. Erst 1920 ging er in den Ruhestand. Am 1. März 1929 starb er. Auch in der Weimarer Republik hoch geachtet, wurde sein Leichnam in der Basilika des Museums aufgebahrt. Ebenso verdient trägt das neobarocke Gebäude seit März 1956 den Namen seines geistigen Vaters. Das Bodemuseum wird nach langjähriger Restaurierung voraussichtlich zur Hundertjahrfeier am 18. Oktober 2004 wiedereröffnet.
Volker Wagner
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