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Schub nach vorn. Endlich tut sich was in der Gemäldegalerie. Die Wandelhalle war schon in den vergangene Jahren für Sonderausstellungen genutzt worden.
©  David von Becker

Ausstellung in der Gemäldegalerie: Die Herrlichkeit des Depots

„In neuem Licht“ holt Bilder aus der zweiten Reihe in die Wandelhalle. Die Ausstellung wird zum Tusch für eine Gemäldegalerie, in der sich endlich etwas bewegt.

Blau hat sich über die Wandelhalle der Gemäldegalerie gelegt, eine neuer Ausstellungssaal ist damit gewonnen, ja fast ein weiteres Museum. Den Eintretenden empfängt nun nicht mehr die schöne Leere, in deren hinterem Bereich der minimalistische Brunnen Walter de Marias sanft plätschert. Berlins Alhambra hat sich mit Kunst aus den eigenen Kammern gefüllt. „In neuem Licht“, so der Ausstellungstitel, holt Bilder aus der zweiten Reihe, aus der Studiengalerie im Untergeschoss auf die vordersten Plätze und feiert den Reichtum der Sammlung.

Tausend Bilder sind in der Dauerausstellung zu sehen, Rubens, Caravaggio, Vermeer. Da schafft es kaum jemand, sich auch noch den Rest eine Treppe tiefer anzusehen. Welche Schätze dort unten im Verborgenen lagern, welche Herrlichkeiten das Depot birgt, wird schlagartig evident. Diese neue Vorspeise könnte auch ein Hauptgang sein, eine Gemäldegalerie light auf 1700 Quadratmetern, denn die 70 ausgewählten Bilder spiegeln die Aufteilung der Kunst in den Sälen rundum wider – rechts nördlich, links südlich der Alpen. Die Ausstellung wird damit zum Drehkreuz, zum exquisiten Leitsystem durch das Haus, Originale von Cranach, Ghirlandaio, Velázquez, Reynolds führen vor, welche Epochen, Schulen sich in den 57 dahinter gelegenen Sälen befinden, den Verlauf von 500 Jahren Kunstgeschichte.

Das Experiment beleuchtet, woran es fehlt

Dieser Schub nach vorn hat sich in der Gemäldegalerie schon lange angekündigt. In den letzten Jahren war die Wandelhalle, deren Klima sich nach einer Prüfung erstaunlicherweise als stabil genug für Gemälde erwies, immer wieder für Sonderausstellungen genutzt worden – „The Botticelli Renaissance“ oder „El Siglo de Oro“. Als die Teheran-Schau im Winter 2016 durch die verweigerte Ausfuhrgenehmigung platzte, stand die bereitgestellte Ausstellungsarchitektur auf einmal unbespielt da. Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen und seit Sommer 2016 Chef der Gemäldegalerie, nutzt nun die Chance, hier eine Probefläche einzurichten. Schon lange musste im 1998 bezogenen Haus etwas passieren: besseres Licht, andere Raumgestaltung, mehr Besucherführung, mehr Wandtexte, auch in Englisch.

„In neuem Licht“ wird zum Tusch für eine Gemäldegalerie, in der sich endlich etwas bewegt. Allerdings beleuchtet das Experiment zugleich, woran es ansonsten fehlt. Der Effekt der Spotlights in der Wandelhalle ist phänomenal, das rote Kleid von Giovanni Antonio Boltraffios Madonna strahlt quer durch die 70 Meter lange Halle. Wer von hier aus durch die offenen Türen in einen der Hauptsäle blickt, glaubt nur noch stumpfe Bildflächen zu sehen. So matt erscheinen die Gemälde der Hauptausstellung im gleichmäßigen Oberlicht, das zugleich zu viel und zu wenig Helligkeit in die Räume bringt.

Reichtum einer Sammlung. „Bildnis einer Frau“ von Michiel van Miereveld ist sonst nur im Untergeschoss zu sehen.
Reichtum einer Sammlung. „Bildnis einer Frau“ von Michiel van Miereveld ist sonst nur im Untergeschoss zu sehen.
©  SMB/Jörg P. Anders, Christoph Schmidt

Zu viel, weil vor allem der Boden und die Decke ausgeleuchtet sind, weil sich das Oberlicht nicht abdunkeln lässt und dadurch die Bilder im Sommer mehr Lux ausgesetzt sind, als ihnen guttut. Zu wenig, weil die Brillanz der Gemälde, ihre Strahlkraft durch das gestreute Licht nicht zur Geltung kommt. Die samtene Wandbespannung wirkt fahl im Vergleich zum strahlenden Blau der Wandelhalle. Ein Umhängen der Bilder erlaubt der Stoff ohnehin kaum, weil rund um die Gemälde mittlerweile alles ausgeblichen ist. Für die Bosch-Ausstellung im vergangenen Jahr musste der kleine Niederländersaal deshalb komplett neu ausgestattet werden: statt mit Samt nun in Farbe, wodurch sich der Raum allerdings akustisch verändert hat und selbst Geflüstertes laut hörbar ist.

Die Gemäldegalerie hat sowohl mit dem Licht als auch mit Wandgestaltung die Quadratur des Kreises zu leisten. Schon laufen erste Gespräche mit dem Architekturbüro Hilmer & Sattler, das schließlich gerade erst im Potsdamer Museum Barberini vorgeführt hat, wie gut sich eine gediegene Galerie mit modernster Technik verträgt. Der Bau profitierte von den in der Gemäldegalerie gewonnenen Erkenntnissen, nun muss Barberini den Berlinern auf dem Weg ins 21. Jahrhundert weiterhelfen. Als unrealisierbar allerdings könnte sich die Verbindung ins Internet erweisen, wie es heute in jedem neuen Museum zum Standard gehört, damit sich die Besucher mit ihrem Smartphone Informationen zu den einzelnen Bildern herunterladen können. In den Stahlbetonbau lässt sich nachträglich nur gegen immense Kosten ein W-Lan-Netz verlegen, davor schrecken die Staatlichen Museen bislang zurück.

Ebenfalls hervorgeholt hat man „Prinz Heinrich Lubomirski als Genius des Ruhmes“ von Elisabeth Vigée-Lebrun.
Ebenfalls hervorgeholt hat man „Prinz Heinrich Lubomirski als Genius des Ruhmes“ von Elisabeth Vigée-Lebrun.
© bpk / Gemäldegalerie, SMB / Jö

So stellt sich die Gemäldegalerie insgesamt in neuem Licht dar. Ihre Makel treten durch die hervorragend von Sarah Salomon eingerichtete Schau zwar deutlicher denn je zutage, aber sie zeigt sich durch diesen Schritt endlich Änderungen gegenüber aufgeschlossen. Der Besucher erlebt ein Museum in progress, das sich in seinem Zentrum schon einmal vorangetastet hat. Das Schönste an dem Langzeit-Experiment, das bis Ende 2018 dauert, wenn in der Wandelhalle die Sonderausstellung „Mantegna und Bellini“ eingerichtet wird, sind allerdings die vielen Entdeckungen.

Da gibt es sogar eine „Fleischecke“. In der hängt eine Genreszene des Niederländers Barent Fabritius mit geschlachtetem Schwein einem Stillleben von Anne Vallayer-Coster gegenüber, das einen köstlichen Schinken zeigt. Und wer vor Mainardis Madonna im Rundbild steht, dessen Blick fällt zugleich auf das Tondo, das Rundbild von Raffael im Hauptsaal der Italiener. Und schon bewegt man sich in diese Richtung.

Gemäldegalerie, Kulturforum, Matthäikirchplatz, bis Ende 2018. Di bis Fr 10 – 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa / So 11 – 18 Uhr.

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