Eröffnung des Museum Barberini: Der befreite Blick
Von Édouard Manets Meereslandschaften zu Claude Monets Seerosen: Das Museum Barberini in Potsdam eröffnet mit einer glanzvollen Impressionisten-Ausstellung.
Der Hinweis fehlt auch vier Jahre später nicht, bei der Übergabe des vollendeten Museum Barberini. Der erste Spatenstich für den Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Palais erfolgte 2013 genau 250 Jahre, nachdem Friedrich der Große in Potsdam seine Bildergalerie neben dem Schloss Sanssouci eröffnet hatte. In diese Tradition stellt sich auch der Sammler und SAP-Mitbegründer Hasso Plattner mit seinem Museum am Potsdamer Alten Markt. Es ist ein glücklicher Moment der Geschichte, dass dieser städtisch so wichtige Ort, einst einer der schönsten barocken Plätze Deutschlands, durch eine bauliche Rekonstruktion zurück gewonnen ist. Vor allem aber, dass die prächtige Hülle kein weiteres Hotel birgt, wie ursprünglich geplant, sondern Heimstatt für ein Museum geworden ist.
Die kulturelle Nutzung hat Tradition. Im Palais Barberini, das Friedrich II. 1771/72 nach dem Vorbild des römischen Palazzo von Lorenzo Bernini in seiner Residenzstadt erbauen ließ, wohnten zwar in den später hinzugefügten Gartenflügeln immer Familien, aber es fanden auch Konzerte statt, gab es ein Kino, unterrichteten Maler in ihren Ateliers. Zeitweilig residierte die Stadtbücherei in der Humboldtstraße 5-6, wie die Adresse heute wieder heißt. Der preußifizierte Palazzo nahm nicht nur durch seine eindrucksvolle Fassade, sondern auch durch das Leben dahinter eine wichtige Rolle im öffentlichen Bewusstsein ein.
Ein perfekter Museumsbau
Die glücklichen Momente doppeln sich nicht nur im Museum Barberini in Form und Funktion, sie verdreifachen sich durch den Inhalt, die Eröffnungsausstellung „Impressionismus. Die Kunst der Landschaft“. Die über 90 Bilder feiern den Augenblick, eine Szene am Wasser, im Wald, auf einer Wiese. Die Luft flirrt, die Sonne setzt Reflexe auf den sanft schaukelnden Wellen im Fluss, das Licht bricht sich auf den eisigen Kristallen des Schnees. Schon wenig später könnte es anders sein. Die von schweren, verschnörkelten Goldrahmen getragenen Naturaufnahmen huldigen noch immer der Gegenwart, auch wenn die Zeit sie längst eingeholt hat.
Damals galt es als Skandalon, dass die Maler den akademischen Kanon ignorierten und den Betrachter einfach in den Mittelpunkt rückten: Sie zelebrierten die reine Wahrnehmung. Dieser Widerspruch zwischen damaligem Regelbruch und heutigem Klassiker, Musealität und Spontaneität im Bild, passt zum Barberini, das von Paradoxen lebt: ein privates Haus, getragen von der Stiftung Hasso Plattner, mit öffentlichem Anspruch, ein historisierendes Ambiente mit modernster Ausstattung.
Bei den Vorbesichtigungstagen Anfang Dezember im leeren Haus standen die Räume, die Architektur im Mittelpunkt. Thomas Albrecht vom Münchner Architekturbüro Hilmer & Sattler und Albrecht schuf einen perfekten Museumsbau, der im Inneren das Barockisieren lässt und auf drei Etagen ideale Ausstellungssäle bietet: hohe Decken mit Vouten, edelstes Eichenparkett, die neueste Technik verborgen in Wand und Boden.
Die Leihgeber, die Eremitage in Sankt Petersburg, die Hamburger Kunsthalle, das Musée de L’Orangerie in Paris, die National Gallery in Washington hätten ihre Bilder sonst nicht hergegeben. Den ehrgeizigen Plänen von Museumsdirektorin Ortrud Westheider – drei hochkarätige Ausstellungen jährlich, die sich aus dem Bestand der Sammlung Plattner destillieren – steht damit nichts entgegen.
Ihren Einstand gibt sie nun mit der Impressionisten-Schau. Das Konzept kennt man vom Bucerius-Forum in Hamburg, woher sie kommt: Gezeigt wird ein Publikumsrenner, Picasso, Paula Modersohn-Becker, Gerhard Richter, Hieronymus Bosch oder die alten Ägypter, aber wissenschaftlich fundiert und mit einer neuen Fragestellung. Westheider gelingt das auch mit den Impressionisten, denen in den letzten Jahren hundertfach Themenausstellungen gewidmet waren. Erstaunlicherweise hat sich noch niemand so dezidiert dem Sujet Landschaft zugewandt und warum die Vorläufer der Moderne gerade hier ihre Aufbruchsversuche machten.
Landschaftsmalerei der Impressionisten in acht Kapiteln
Für sie war die freie Natur das Experimentierfeld schlechthin. Wie genau die Künstler es nahmen, zeigen aktuelle Fotografien der gemalten Orte aus exakt der gleichen Perspektive. Die Silhouette der Kreidefelsen Petites-Dalles, die Monet 1884 in der Normandie malte, gibt es noch immer, auch das Haus am Seine-Ufer bei Bougival von Sisley aus dem Jahr 1873 oder Signacs Strand-Ansicht von Port-en-Bessin von 1883.
Die Ungeheuerlichkeit für die Zeitgenossen bestand darin, dass diese Motive in vager Ferne lagen, die eigentliche künstlerische Aufmerksamkeit dem Wasser, dem Himmel, im Wald dem Grün der Blätter, auf dem Acker dem Gelb der Ähren galten. Bestimmte Ansichten malten sie wieder und wieder zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten, um die jeweilige Wirkung des Lichts festzuhalten, die Farbe zum eigentlichen Akteur werden zu lassen. Allein das Malen in Serie wurde damals als Affront gegen das Singuläre eines Motivs begriffen.
Im Barberini fächert sich die Landschaftsmalerei der Impressionisten in acht Kapitel auf. Gezeigt wird der Weg von der anfänglich noch kompakten Marinemalerei eines Eugène Boudin und der griffigen Meereslandschaft eines Édouard Manet bis hin zu den violett und pink flirrenden Steilküsten Claude Monets. Die Künstler zog es entlang der Seine immer weiter aus der Stadt, hinaus aufs freie Feld. Die eigentliche Attraktion bestand für sie dort im Spiel des Lichts, in der Veränderlichkeit der Farbe. Zur Vertiefung legte sich Monet in Giverny eigens einen Garten an. Bevor er darin seine Motive in voller Blüte fand, die üppig erblühten Hortensien oder die eigens aus Japan angelieferten Seerosen, widmete er sich dem landwirtschaftlichen Gelände rundum, jenseits des Gartenzauns. Ein banaler Heuhaufen wurde auf diese Weise zum Hauptmotiv geadelt.
Monet geht voran auf dem Weg zur Abstraktion, sein gewaltiges quadratisches Seerosen-Bild am Ende des letzten Impressionisten-Saals setzt den Schlussakkord, das All-over ist erreicht. Dem Auge bietet sich keine Horizontlinie mehr zur Orientierung, der Blick verschwimmt mit dem Grün des Sees, dem Violett der flach auf dem Wasser liegenden Blätter. Nur da und dort durchstößt ein gelb-weißer Blütenkopf den dunkelfarbigen Grund. Von hier ist es nur noch ein Sprung zu den „Klassikern der Moderne“, denen im Barberini eine eigene Ausstellung gewidmet ist. Sie spannt den Bogen von Liebermann über Munch, Nolde und Kandinsky bis zu Gerhard Richter und Andy Warhol. Was in der Hauptausstellung bedacht ausgewählt, fokussiert, thematisch begründet erscheint, wirkt nun allzu breit angelegt, auch wenn die ausgewählten Beispiele den Gang der Kunstgeschichte hervorragend illustrieren. Sollen also vor allem Werke aus Plattners Kollektion gezeigt werden, um die Bandbreite zu illustrieren? Die Bildlegenden verraten es nicht, dort steht in aller Diskretion „Privatsammlung“, was auch auf andere Quellen verweisen könnte.
Die noble Zurückhaltung des Museumsgründers sorgt hier eher für Verwirrung, man wüsste gerne was von ihm stammt, auch bei den Impressionisten. Das fällt umso leichter bei den „Bürgern von Calais“, die im lichtdurchfluteten Mittelsaal des Haupttraktes aufgestellt sind. Gemeinsam mit dem berühmten „Denker“, der sich am Boden krümmenden Danaide aus Gips und der Welle aus Marmor kommen diese späten Bronze-Nachgüsse aus dem Musée Rodin in Paris – hoher Besuch, der auch für die Zukunft Maßstäbe setzt. Die Staatlichen Sammlungen zu Dresden gaben ihren gipsernen Jean d’Aire hinzu, der in den Händen die Stadtschlüssel von Calais hält.
Zukünftiger Schwerpunkt auf Kunst aus der DDR
Noch leichter fällt die Zuordnung bei den „Künstlern in der DDR“, der dritten Eröffnungsausstellung. „Aus der Sammlung des Museum Barberini“ heißt es eindeutig, ein Vorgeschmack auf einen künftigen Schwerpunkt des Programms, denn Plattner hat sich als später Liebhaber von DDR-Kunst hervorgetan. Im Herbst wird es eine eigene Ausstellung geben. Mit welch gutem Auge sich der Sammler auch auf diesem Gebiet betätigt hat, zeigen die Werke von Tübke, Metzkes, Heisig, selbst noch die fleischigen Verknäuelungen eines Liebespaares von Sitte.
Einen Höhepunkt bildet auch hier wie zuvor bei Monet und den Seerosenbildern der letzte Saal. Er ist für Wolfgang Mattheuer reserviert, dessen Malerei es über ein Jahrzehnt nach seinem Tod neu zu entdecken gilt. Mit seinem „Jahrhundertschritt“, einer fünf Meter großen Skulptur im Innenhof des Palais, hat Plattner ihm und wohl auch sich ein Denkmal gesetzt. Die eine Hand zum Hitlergruß gestreckt, die andere zur Proletarierfaust geballt, vereint die Figur die beiden politischen Extreme des vergangenen Jahrhunderts in sich. Das Paradox und seine Überwindung bleibt Programm.
Museum Barberini, Humboldtstr. 5-6, Potsdam. Eröffnungen am 20. 1. mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, am 21. 1. von 15 bis 21 Uhr für das große Publikum. Ausstellungen regulär ab 23. 1. bis 28. 5.; Mi bis Mo 11 – 19 Uhr. Katalog (Prestel) 39,95 €. Unserer Samstagsausgabe wird eine Beilage zur Eröffnung beiliegen.