Ausstellung im Kupferstichkabinett: Die Glut der kalten Nadel
Das Kupferstichkabinett in der Gemäldegalerie ehrt einen der virtuosesten Radierer des 17. Jahrhunderts: Den Spanier José de Ribera. Seine Grafiken beeindruckten die Auftraggeber und bedeuteten für den jungen Künstler den Durchbruch.
Der Titel der Ausstellung fällt auf – mit seiner Prise Respektlosigkeit vor der ehrwürdigen Kunstgeschichte des Barock. „Er war jung und brauchte das Geld“, so heißt die Kabinettschau mit dem druckgrafischen Werk von José de Ribera. Aber eigentlich ist dieser Spruch eine Entschuldigung für jugendliche Peinlichkeiten. Und das passt in diesem Fall nun überhaupt nicht. Vielmehr ehrt das Kupferstichkabinett den spanischen Künstler als einen der virtuosesten Radierer des 17. Jahrhunderts.
Ribera,1591 in der Provinz Valencia geboren, schuf seine fantastischen Blätter – nur 18 davon sind bekannt – zu Beginn seiner Karriere, zwischen 1620 und 1630. Wahrscheinlich deshalb, weil Radierungen für ihn gerade am Anfang ein einfacher Weg waren, die eigene Kunst in großer Stückzahl zu verbreiten und mögliche Auftraggeber auf sich aufmerksam zu machen.
Ein Sinn für menschliche Gesten und dramatische Szenerien
Ins Auge springt seine Beobachtungsgabe, sein Sinn für menschliche Gesten, die er ohne Repräsentationspathos herausarbeitet. So zeigt er 1624 den am Boden sitzenden Heiligen Hieronymus wie einen Zeitungsleser in die Lektüre vertieft, während es sich sein ikonografisches Attribut, der Löwe, neben ihm wie ein Lebensbegleiter und Haustier bequem gemacht hat.
Andere Szenerien sind hochdramatisch. Da klemmt sich ein Folterknecht das Messer zwischen die Zähne, während er dem bleich gewordenen Märtyrer Bartholomäus die Haut vom Leib abzieht, ein weitere Handlager fixiert mit verschattetem Gesicht unheilvoll den Betrachter, am anderen Bildrand ragen spitze Lanzen einer offensichtlich großen Meute von Schergen bedrohlich ins Geschehen.
Die Technik des "Spaniers" erzeugt Lebendigkeit
Mit feinsten Schraffuren, Strichen und zarten Punkten arbeitet Ribera kahle Schädel, steife Kellerfalten und Hell-Dunkel heraus. Seine Technik erzeugt eine unglaubliche Lebendigkeit. Wie meisterlich der Umgang mit der kalten Nadel und der richtigen Menge an Druckfarbe ist, sieht man im Vergleich mit zwei ausgestellten Kopien des berühmten Blattes vom Martyrium des Heiligen Bartholomäus. Die Kontraste sind viel härter, die Nuancierung weniger fein. Aber dass Nachdrucke von geringerer Qualität auf dem Markt waren, das gab es häufiger. Die große Nachfrage an Riberas Bilderfindungen musste befriedigt werden. Die Druckplatten waren so lange in Gebrauch, bis sie völlig abgenutzt waren. Oder sie wurden gleich kopiert, imitiert und gefälscht.
Nach „Fiesta in Sevilla. Eine Illustrationsfolge des Goldenen Zeitalters in Spanien“ ist die Schau schon die zweite Kabinettausstellung, die das Kupferstichkabinett in der Gemäldegalerie anlässlich der groß angelegten Übersichtsausstellung „El Siglo de Oro. Die Ära Velázquez“ (bis 30. Oktober) präsentiert. Und so lässt sich beim Besuch der Bogen schlagen zu Riberas Malerei. Gemälde wie Grafiken unterzeichnete der Künstler mit dem Beinamen „Spanier“. Offensichtlich kam das gut an bei seinen Sammlern in Neapel, wo sich der Künstler Ende 1616 niederließ, in damals spanischem Territorium. Erst wenige Jahre zuvor war er in Rom wahrscheinlich das erste Mal mit der Kunst der Radierung in Berührung gekommen und erlernte die entsprechende Technik. So wurde er im 17. Jahrhundert zu einem ihrer herausragenden Vertreter.
„José de Ribera – die Druckgraphik. Er war jung und brauchte das Geld“, Kupferstichkabinett in der Gemäldegalerie, Kulturforum, Matthäikirchplatz, bis 6.11., Di, Mi, Fr 10–18, Do 10–20, Sa+So 11–18 Uhr
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