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Viel Glitzer, viele Federn und viel nackte Haut. Die Kostüme der Sambatänzerinnen holen ein bisschen Rio-Feeling nach Berlin.
© dpa

Karneval der Kulturen in Berlin: Sonne, Glitzer, Trommelwirbel: Rio ist in Kreuzberg

Der Umzug beim Karneval der Kulturen ist traditionell der Höhepunkt des Straßenfestes. Mit Sambatänzern, Stelzenläufern und Akrobaten schlängelt sich der Zug durch Kreuzberg. Insgesamt wird mit 1,3 Millionen Menschen gerechnet.

Wie jedes Jahr fühlt sich der große Straßenumzug beim Karneval der Kulturen ein bisschen an wie Rio in Berlin. Bereits eine Stunde vor Beginn formierte sich der Umzug in der Urbanstraße, pünktlich um 12.30 Uhr hat er sich in Bewegung gesetzt - allen voran die farbenfrohen Tänzerinnen der Sambaschule "Sapucaiu no Samba". Eine der aufwändig geschminkten Tänzerinnen im organge-grünen Kostüm, die schon zum vierten Mal dabei ist, versicherte zuvor: "Das macht einfach immer wahnsinnig viel Spaß." In kleinen Sambaschrittchen bewegen sie und ihre Mitstreiterinnen sich nun vorwärts, geschmückt mit buntem Federschmuck, sehr knapp bekleidet, teilweise im strassbesetzten Bikini.

Immer mehr Besucher strömen aus dem U-Bahnhof Hermannplatz. Viele versuchen verzweifelt einen Platz mit gutem Blick auf den Umzug zu bekommen und drängen sich gegen die Absperrungen. Kinder sitzen auf den Schultern ihrer Eltern, ein kleiner Junge ausgestattet mit riesigen, neongelben Ohrenschützern. Wer sich hier mit dem Rad durch die Menge drängt und es anderen in die Kniekehlen rammt, macht sich unbeliebt.

Beste Stimmung in der Sonne

"Karneval der Kulturen ist immer so eine riesige Fressmeile. Da gibt es immer so gutes Essen", sagt ein Mädchen zu ihrer Freundin. Die Musik dröhnt laut, vor einem Späti wird Couscous-Salat und Kuchen verkauft, Würstchen brutzeln auf dem Grill und die Cocktailmixer sind im Einsatz. Ein Stand, der Hüte und Sonnenbrillen verkauft, hat großen Andrang. "Die Sonne scheint, beste Stimmung hier", berichtet unsere Reporterin Sophie Aschenbrenner.

Auch die Politik lässt sich das Spektakel natürlich nicht entgehen: Auf dem Wagen der Sambatänzerinnen, auf dem Live-Musik gespielt wird, steht der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner. Dem Wagen folgen eine Gruppe breakdancender Jugendlicher und die Flamenco-Tänzerinnen von Laura La Risa. Sie sind mit einem über und über mit Blumen geschmückten Wagen unterwegs und strahlen in ihrer bunten Flamenco-Kleidung. Großen Applaus bekommen die prächtig kostümierten Rollstuhlfahrer vom IsL e.V.

Eindrücke vom Karneval im Video:

Mittlerweile ist es in Mitten all der Zuschauer und in der prallen Sonne richtig heiß. Da kommt eine Idee der Berliner Jecken auf Wagen 12 gerade recht: Einige von ihnen sind ganz in blau gekleidet, mit Gürteln behangen, an denen mit Wasser befüllte Plastiktüten hängen.

Route des Straßenumzugs ist für den Verkehr gesperrt

1,3 Millionen Menschen wollen heute gemeinsam feiern - das wird für Verkehrschaos sorgen. Vor allem während des Umzugs beim Karneval der Kulturen vom Hermannplatz durch die Gneisenaustraße und Yorckstraße bis zur Möckernstraße dürfte es schwierig werden, durchzukommen. Außerdem findet am Sonntag zwischen 11 und 24 Uhr sowie am Montag zwischen 11 und 19 Uhr rund um den Blücherplatz das Straßenfest „Global Village Kreuzberg“ statt.

Die BVG empfiehlt mit der M19/M41/140/248/N1 und N42 zum Karneval der Kulturen zu fahren. Zum Straßenfest die U12 und U6 bis zum Halleschen Tor nutzen.

Die Route des Straßenumzugs ist heute für den Verkehr gesperrt. Die Hasenheide, der Südstern, die Urbanstraße, die Gneisenaustraße und die Yorckstraße bis hoch zur Katzbachstraße sind seit 7 Uhr morgens nicht mehr befahrbar. Der Hermannplatz ist seit 10 Uhr gesperrt.

Um 14 Uhr folgt dann noch die Baruther Straße – bis dahin sollten die Straßen aber schon längst so mit Menschen verstopft sein, dass ohnehin kein Durchkommen mehr ist. Mit Ausnahme des Herrmannplatzes, der schon am Sonntag ab 20 Uhr wieder frei sein soll, bleiben diese Straßen bis Pfingstmontag um 5 Uhr gesperrt.

Was mitnehmen zum Karneval der Kulturen, was zu Hause lassen? Hier unsere 10 Tipps zum großen Straßenfest.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, was eine Flamencotänzerin, ein Cocktailverkäufer, eine Organisatorin und ein Zuschauer über das Fest denken - befragt von Sophie Aschenbrenner.

Wer ist warum dabei?

Seit 20 Jahren dabei: Laura La Risa, Flamencotänzerin

Flamenco-Tänzerin Laura La Risa geht es vor allem um eines: „Jeder soll sehen, dass Berlin bunt ist. Dafür tanze ich“, sagt sie. Seit 20 Jahren ist sie mit ihrer Gruppe beim Karneval der Kulturen. Der bedeutet nicht nur fröhliches Feiern, sondern sei die wichtigste Kulturveranstaltung Berlins. Die Tänzerin will zeigen, dass es „in Berlin viele verschiedene Kulturen gibt, die einander akzeptieren, nicht nur tolerieren“. Deshalb solle der Senat die Künstler finanziell unterstützen. „Wir arbeiten ein Dreivierteljahr am Auftritt, nähen die Kostüme und finanzieren alles. Wir sind das Aushängeschild von Berlin“, sagt sie.

Eine Fanmeile könne man auch in Frankfurt veranstalten. Der Karneval der Kulturen aber gehöre nach Berlin wie die vielen Menschen, die hier miteinander leben.

Lieber würde sie eigentlich durch enge Straßen laufen, „wo die Menschen aus den Fenstern schauen“. In den vergangenen 20 Jahren habe sie viele schöne und bewegende Momente erlebt. „Ich freue mich, wenn die Leute sich freuen.“

Mojito geht immer: Erik Hofmann, Gastronom

Erik Hofmann vom Catering-Unternehmen OrangePoint ist einer der dienstältesten Gastronomen auf dem Karneval der Kulturen: 1996 war er zum ersten Mal dabei. Dieses Jahr verkauft er seine Drinks gegenüber der Eurasia-Bühne. „Der Karneval war immer ein Fest, auf dem sich Besucher mit ausländischen Wurzeln wohl fühlen, ausdrücken oder präsentieren und zugleich als fester Bestandteil unserer Multikultur erlebbar sind“, sagt er. Daher seien Fest und der Umzug „eine wichtige, hoch politische Veranstaltung – obwohl nicht als politische Demonstration angemeldet“. Es entstehe eine „losgelöste Stimmung, die man bei anderen Veranstaltungen seltener findet“ – obwohl immer mehr Touristen extra für den Karneval nach Berlin kämen.

Was haben eigentlich die Leute vor fünf Jahren getrunken? Das gleiche wie heute: „Die Klassiker Caipirinha und Mojito sind beim Karneval der Kulturen wie bei anderen Open-Air-Veranstaltungen der absolute Renner“, sagt Hofmann. Dieses Jahr seien auch Cocktails auf Wodka-Basis angesagt, wie Moscow Mule oder Wodka-Mate.

Indische Premiere: Heike Valy, Organisatorin

„Die vergangenen Jahre standen wir immer am Rand des Umzugs und haben verzweifelt auf die indische Gruppe gewartet“, sagt Heike Valy, die Managerin von Berlin Indiawaale. Also beschloss sie, selbst eine zu gründen. Indiawaale ging aus der Facebook-Gruppe „Indians in Berlin“ hervor und nimmt dieses Jahr zum ersten Mal am Karneval der Kulturen teil, mit rund 220 Indern und Indienfreunden.

Es soll eine bunte Mischung werden: Eine Laufgruppe in traditioneller Kleidung, eine „Walking Flag“ in den Flaggenfarben orange, weiß und grün und eine Rikscha. Tanz gibt es auch: Ein extra aus Indien angereister Lehrer hat die Bollywood-Gruppe gecoacht. Zwar sei die Zeit für die Vorbereitungen knapp gewesen, sagt Valy, „aber als Inder ist man relativ spontan“.

Sie selbst ist Berlinerin, aber dank zahlreicher Reisen nach Indien „im Herzen Inderin“. Beim Karneval der Kulturen möchte sie vor allem die Lebensfreude der Inder zeigen. „Die Menschen dort brauchen im Gegensatz zu uns Deutschen nicht viel, um glücklich zu sein“, sagt Valy.

Genießen und feiern: Campbell McInnes, Zuschauer

Campbell McInnes kommt aus Brisbane in Australien und studiert in Berlin klassische Musik. Vergangenes Jahr wohnte er noch in der Gneisenaustraße und war zum ersten Mal beim Karneval der Kulturen. Vor allem die entspannte Stimmung und die Straßenfest-Atmosphäre haben ihn begeistert. „Ich fand es cool, beim Umzug so viel Musik aus den verschiedenen Ländern zu hören – die koreanische Musik hat mich zum Beispiel beeindruckt“, sagt er. So etwas habe er noch nie erlebt. In Brisbane gebe es zwar Veranstaltungen, bei denen einzelne Kulturen gefeiert würden, aber keine, die „das Zusammenkommen verschiedener Kulturen feiert“.

Berlin sei ohnehin die perfekte Stadt für einen Karneval der Kulturen. „Wenn man hier auf die Straße geht, trifft man immer Leute aus den verschiedensten Ländern; ich finde es schön, diese Vielfalt ein Wochenende lang zu feiern.“ Zwar ist der Student mittlerweile aus Kreuzberg weggezogen, auf den Karneval freut er sich trotzdem: Am Sonnabend will er Essen und Getränke „ganz ruhig genießen“, am Sonntag dann beim Umzug feiern.

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