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Glamour südlich der Sahara. Kinshasa entwickelt sich zur Modemetropole.
©  Anne Schönharting/Ostkreuz für Goethe-Institut

Festival Wassermusik (1): Die Farben des Kongo

Afrikas zweitgrößte Stadt entwickelt sich zur Modemetropole. Die Webserie „Kinshasa Collection“ erzählt davon. Im Berliner Haus der Kulturen der Welt wurde jetzt die zweite Staffel vorgestellt - mit einer Modenschau.

Schluss, aus, es reicht! Düpiert verweigern die kongolesischen Modemacher den deutschen Filmleuten die Mitarbeit. In ihrer Werkstatt erklären sie: C’est fini! Der Regisseurin hatte die folkloristische Kollektion nicht gefallen, sie und die Kamerafrau zogen sich Kleider über, um zu zeigen: Auf weißer Haut geht so was gar nicht! Voilá, Eklat. Europäische Arroganz? Wenn etwas gar nicht geht, dann das. Zerknirscht wird sich entschuldigt, die gute Laune kehrt zurück.

Unter Zeitdruck sind Regisseurin Dorothee Wenner und ihr Produzent Pascal Capitolin unterwegs in der Demokratischen Republik Kongo, wo sie mit minimalem Budget einen Trailer über die Modemetropole Kinshasa drehen. Sie suchen coole Mode, in Ateliers und Boutiquen, bei Stylisten, Designern, Mannequins. Der Trailer soll die dubiose Agentur „Afrika auf Augenhöhe“ zur Finanzierung eines Filmprojekts über das avantgardistische Afrika animieren. Hintergedanke der Agentur ist die Öffnung neuer Märkte südlich der Sahara, das Geschäft mit Afro-Glamour jenseits von Elend und Armut.

„Kinshasa Collection“ (www.kinshasa- collection.com) ist eine Web-Serie über das reale, irre Abenteuer, den geforderten Trailer zu drehen, ein „making of“ als brillant humorvolles, innovatives Filmexperiment, gefördert vom Goethe-Institut, der Bundeskulturstiftung und dem Medienboard Berlin-Brandenburg. Start der zweiten Staffel war am Freitag, flankiert von einer rappelvollen tropischen Modenschau im Berliner Haus der Kulturen der Welt, eröffnet durch den fulminanten Rapper Wilfried Luzele aka LovaLova. Passend folgte ein Konzert mit funkigem Äthio- Soul von „Alemayehu Eshete and the Polyversal Souls“. Koproduzent und einer der Serienstars ist der kongolesische Filmemacher Tshoper Kabambi. Umtriebig organisiert er vor Ort die Treffen mit den Sapeurs. „Sape“ ist das französische Wort für Klamotten, ein Sapeur ein flott gekleideter Afrikaner, dessen Eleganz Nonkonformismus signalisiert; Vorbild war der legendäre Bandleader Papa Wemba.

Speed und Spirit

„Kinshasa Collection“ hat Speed und Spirit, ist transkontinentale Docufiction, investigative Tropenkomödie und aufklärende Kritik in einem. Westliche Modehäuser wirken wie gestrickte Einfallslosigkeit, blickt man auf Kinshasas explosive Modefantasie, den Charme der Improvisation. Hier ist alles kombinierbar, Hauptsache très chic. In sämtlichen Farben leuchten die Stoffe, kubistisch oder floral, besetzt mit Pailletten, glitzerndem Strass. Leitmotiv von Kinshasas Modewelt, sagt Regisseurin Wenner, sei die Erkenntnis: „Jeder Mensch ist ein Original“.

Wer diese Modewelt verstehen will, muss nach China reisen, raten die Kongolesen. Also packt das Filmteam die Koffer, denn in Guang-Zhou lebt Madhi Kwete Madikumu, Modeexperte und Händler aus Kinshasa, Kenner der im Kongo beliebten Produktpiraterie mit Imitationen von Versace, Chanel, oder Gucci. In Kinshasa trägt man T-Shirts, Kleider, Hosen am liebsten mit riesigem Logo-Aufdruck, stilprägend ist dort der Mix aus Piratentextilien und afrikanischer Pagne, den typischen bunt bedruckten Stoffen. Kizobazoba nennt sich der Style auf Lingala, vertreten von Labeldesignern wie Daniel Mbuezo oder Cedrick Nzolo aka Demi Dieu. Unbekümmert und schwungvoll gehen sie Pakte zwischen Stilen ein und unterbieten nebenbei den Handel mit importierter Second- Hand-Kleidung aus dem Rotkreuz-Kosmos.

Als Überraschungen eingefügt in die Serie sind Kurzfilme afrikanischer und chinesischer Filmemacher – das Filmkonzept spiegelt auf die Weise auch das Kizobazoba-Prinzip. Gleichwohl entwickelt sich nahezu magisch ein Spannungsfaden in der Erzählung zu Markt und Mode, zu skrupelloser Globalisierung und kreativer Kooperation zwischen Kontinenten. Als Jean-Luc Godard 1963 „Le mépris“ drehte, seinen Film über das Scheitern eines Filmprojekts, ging es ihm um Protest gegen den Kommerz von Hollywood. „Kinshasa Collection“ wirkt auch wie eine zauberhafte, optimistische Antwort auf Godards Haltung, wie ein musikalisches Echo aus der Gegenwart.

Caroline Fetscher

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