Comic-Bestenliste: Die besten Comics 2013 - Andreas Platthaus' Favoriten
Welches sind die besten Comics des zu Ende gehenden Jahres? Das wollen wir von unseren Lesern und von Comic-Kritikern wissen. Heute: FAZ-Redakteur Andreas Platthaus.
In den vergangenen Wochen haben wir unsere Leser gefragt, welches für sie die besten Comics der vergangenen zwölf Monate waren. Parallel dazu war wie bereits im vergangenen Jahr wieder eine Fachjury gefragt. Sie besteht aus Anne Delseit (AnimaniA, Comix), Lutz Göllner (zitty), Volker Hamann (Reddition), Matthias Hofmann (Alfonz), Martin Jurgeit (Comix), Stefan Pannor (Spiegel Online), Frauke Pfeiffer (Comicgate), Andreas Platthaus (FAZ) und Lars von Törne (Tagesspiegel).
Jedes Jurymitglied war aufgefordert, unter den im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienen Titeln seine fünf Favoriten zu nennen und die Auswahl kurz zu begründen. Daraus ergab sich eine Shortlist, über die die Jury jetzt endgültig abgestimmt hat. Das Ergebnis wurde am Donnerstag im Tagesspiegel veröffentlicht.
Hier dokumentieren wir die Favoriten von Andreas Platthaus, stellvertretender Feuilleton-Ressortleiter der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Autor mehrerer Bücher zu Comics und anderen Themen.
Platz 5
Jiro Taniguchi: „Der Kartograph“ (Carlsen)
Was für eine Idee von Jiro Taniguchi: Er nimmt seine berühmteste Comicfigur, den „Spanzierenden Mann“, und versetzt ihn hundertfünfzig Jahre zurück in die späte Edo-Zeit. Da ist nun also wieder ein Mann zu Fuß unterwegs durch die Stadt, die später Tokio heißen wird, doch ihn treibt nicht nur die schiere Lust am Laufen, sondern auch der Ehrgeiz, sein land durch akribische Landvermessung in die Moderne zu führen. Diese Motiv nimmt auf brillante Weise Japans Ambivalenz im neunzehnten Jahrhundert auf, und zugleich nutzt Taniguchi die Geschichte zu einer großen Hommage an die Holzschnittkünstler jener Epoche, allen voran Hiroshige. Wie dieser lässt der moderne Mangaka in seinen Bildern ganz nebenbei das Alltagsleben des historischen Japans auferstehen.
Platz 4
Baru und Jean Vautrin: „Bleierne Hitze“ (Edition 52)
Schon die ersten fünf Seiten dieses blutrünstigen Krimis sind ein Meisterstück: Wie Baru die flirrende Hitze der Vautrinschen Buchvorlage einfängt, das schafft sonst keiner. Und die gnadenlos boshafte Charakterisierung einer durch und durch verkommenen französischen Landbevölkerung, deren Angehörige jeweils nur auf das eigene Wohl aus sind und dafür über Leichen gehen, auch nicht. Die traditionelle Expressivität wie Explosivität von Barus Figuren kommt hier in einem Maße zur Geltung wie seit „Autoroute de Soleil“ nicht mehr. Und im Vergleich mit diesem Geniestreich kann „Bleierne Hitze“ fast bestehen.
Platz 3
Rutu Modan: „Das Erbe“ (Carlsen)
Eine höchst sarkastische und zugleich bewegende Erzählung, die das schonungslose Bild einer israelischen Familie zeichnet, deren Großmutter erstmals in ihre alte polnische Heimat zurückkehrt, wo ein großes Geheimnis ruht. Geld- und Neugier sind gleichermaßen treibende Faktoren des Geschehens, und Rutu Modan hat ihren eigentümlichen Zeichenstil mit den schwächer konturierten Dekors gegenüber dem Vorgängerband „Blutspuren“ noch weiter perfektioniert. So gelingt ihr eine leichthändige Farce vor bitterbösem historischen Hintergrund. Und die Dialoge sind einer Theaterbühne würdig.
Platz 2
Volker Reiche: „Kiesgrubennacht“ (Suhrkamp)
Ich bin natürlich Partei, weil ich den Band herausgegeben habe, aber meine Begeisterung wäre auch sonst nicht geringer. Volker Reiche hat eine neue Form der Comic-Autobiographie geschaffen, indem er die Reflexion über das, an was er sich aus seiner Nachkriegs-Kindheit erinnert, als Intermezzi in die Erzählung integriert – und das im Dialog mit seinen aus „Strizz“ bekannten Tierfiguren, so dass in der befremdlichen Atmosphäre einer durch häusliche Gewalt vergifteten Jugend auch ein vertrautes Element bleibt. Und wie hier in den Erinnerungspassagen konsequent die kindliche Perspektive in deren ganzer Ambivalenz beibehalten wird, das soll Reiche erst mal einer nachmachen.
Platz 1
Chris Ware: „Jimmy Corrigan“ (Reprodukt)
Dieser Band hat zwölf Jahre gebraucht, um ins Deutsche übersetzt zu werden, und die Wartezeit hat sich gelohnt. Denn nun kann man das zentrale Werk der jüngeren Comicgeschichte in einer höchst sorgfältigen Übertragung lesen, die zudem auf geradezu unheimlich perfekte Weise in die aufs Genaueste komponierten Panels eingepasst werden konnte. Das macht die deutsche Ausgabe fast noch bemerkenswerter als das Original.
Die Favoriten der anderen Jurymitglieder veröffentlichen wir nach und nach in den kommenden Tagen. Am 19. Dezember geben wir die Gewinner der Gesamtauswahl bekannt.
Andreas Platthaus
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