Harvey Weinstein: Die Angst des Produzenten vor der Wahrheit
Neues im Fall Harvey Weinstein: Er soll Privatdetektive auf 91 Personen angesetzt haben, die ihm gefährlich werden konnten.
Jetzt geht der Skandal um den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein in eine neue Runde: Die britische Zeitung „The Observer“ hat eine Liste einsehen können, auf der Weinstein etwa neun Monate vor dem Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe eigenhändig die Namen von 91 Akteuren aus der Filmbranche zusammengestellt hat, die eventuell mit Informationen über sein bis in die 1980er Jahre zurückreichendes Verhalten in die Öffentlichkeit gehen könnten.
Der 65-jährige Weinstein wollte die betreffenden Personen – 43 Männer und 48 Frauen – offensichtlich von Privatdetektiven aushorchen lassen, um zu erfahren, ob und in welcher Form sie etwas zu seinen Ungunsten aussagen wollen oder könnten. Laut „Observer“ tauchen neben sowohl die Namen von Personen aus Los Angeles und New York wie auch aus London auf. Es handelt sich um Schauspielerinnen und Schauspieler, aber auch um Journalisten, PR- und Vertriebs-Spezialisten, Finanzmanager oder auch andere Filmproduzenten. Gelistet sei unter anderem Weinsteins frühere Assistentin Zelda Perkins, die das Londoner Büro der Weinstein-Firma Miramax 1998 verlassen hatte, weil sie nach eigenen Angaben über mehrere Jahre sexuell von dem Produzenten belästigt worden war.
Die Polizeit hat Ermittlungen aufgenommen
Auch diverse Schauspielerinnen stehen laut „Observer“ auf der Liste, darunter Katherine Kendall, Annabella Sciorra und Sophie Dix, Laura Madden und Rose McGowan. Die beiden letztgenannten Frauen waren unter den Ersten, die mit Vorwürfen gegen Weinstein an die Öffentlichkeit gingen.
Insgesamt haben bisher mehr als 50 Frauen Anschuldigungen gegen Weinstein erhoben, unter ihnen auch Stars wie Angelina Jolie, Cara Delevingne, Gwyneth Paltrow und Kate Beckinsale. Sie werfen ihm unter anderem unangemessenes Verhalten, sexuelle Belästigung und sogar Vergewaltigung vor. In Los Angeles, New York und Großbritannien hat die Polizei die Ermittlungen aufgenommen. Weinstein bestreitet, dass es zu nicht-einvernehmlichem Sex gekommen ist.
Laut „Observer“ belegt die Aufstellung, dass Weinstein wusste, dass die „New York Times“ für einen geplanten Bericht Kontakt zu seinen mutmaßlichen Opfern suchte. Neben dem Namen eines Pressesprechers finde sich beispielsweise die Anmerkung „Befreundet mit Jodi Kantor“. Kantor ist Journalistin bei der „New York Times“ und eine der beiden Autorinnen des Artikels, in dem Anfang Oktober über die Vorwürfe gegen Weinstein berichtet wurde.
Weinstein heuerte Privatdetektive an, schreibt der "Observer"
Unklar ist, ob Weinstein den aufgelisteten Personen Verschwiegenheitsvereinbarungen anbieten wollte, oder ob er psychologische Profile seiner mutmaßlichen Opfer anlegen ließ.
Erst vergangene Woche hatte der „New Yorker“ berichtet, dass der Filmproduzent im Herbst 2016 mehrere Firmen für die Recherchen engagiert hatte, darunter Black Cube, ein von früheren Offizieren des israelischen Geheimdienstes Mossad geleitetes Unternehmen. Black Cube hat sich mittlerweile entschuldigt und erklärt, das Honorar für den Auftrag in Höhe von umgerechnet rund 1,1 Millionen Euro an Frauenrechtsorganisationen spenden zu wollen.
Die Schauspielerin Rose McGowan war von einer Mitarbeiterin von Black Cube ausgehorcht worden, die sich als Frauenrechtlerin ausgab und mindestens vier Unterredungen mit McGowan heimlich mitschnitt, hatte der „New Yorker“ berichtet. Kontaktiert wurden auch mindestens ein Journalist. Er durchschaute allerdings die „Seifenopern-Schauspielerei“ des auf ihn angesetzten Agenten.
Ein Sprecher Harvey Weinsteins wies die Berichte des „Observer“ und des „New Yorker“ über das Engagement von Privatermittlern als „Erfindung“ der Medien zurück.
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