Hochkulturen im Neuen Museum: Die Alte Welt neu denken
Das Alte China und das Alte Ägypten zählen zu den Hochkulturen der Weltgeschichte. Im Neuen Museum Berlin begegnen sie sich erstmals.
In beiden Hochkulturen schätzte man Hunde und gab sie hochgestellten Toten als Tonfigur mit ins Grab. Die Oberschicht nutzte Kannen und Schalen, die in beiden Kulturen gleich aussehen. Und auch die Pferdetrensen aus dem Alten China und dem Alten Ägypten funktionieren nach demselben Prinzip.
China und Ägypten zählen zu den herausragenden Hochkulturen der Geschichte – sind sich aber nie begegnet. Dennoch werden sie in der Ausstellung „China und Ägypten. Wiegen der Welt“ im Neuen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin zueinander in Beziehung gesetzt. Warum?
Die Idee zur Ausstellung ist eine Kopfgeburt, aber eine reizvolle und, wie man jetzt im Neuen Museum sieht, produktive. Aus dem 2014 mit dem Shanghai Museum geschlossenen Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit der Museen entstand die Idee, das Alte China in Berlin zu präsentieren. Aber das Asiatische Museum sowie die Südamerika-Abteilung in Dahlem stehen wegen des Umzugs ins Humboldt-Forum nicht zur Verfügung, und im Vorderasiatischen Museum im Pergamon Museum war wegen der Bauarbeiten auch kein Platz. So kam es zur Zusammenarbeit mit dem Ägyptischen Museum.
Der Zeitrahmen reicht von 4000 v. Chr. bis ins dritte Jahrhundert
Wie entwickeln sich Hochkulturen, die einander nicht kannten? Wo entstehen Konstanten aus der Notwendigkeit heraus, eine immer komplexer werdende Gesellschaft zu organisieren? Wo unterscheiden sich beide Kulturen? Wie sind sie von ihrer Landschaft und den vorhandenen Rohstoffen geprägt? Damit sich der Vergleich anstellen lässt, gibt die ägyptische Kunst den Rahmen vor. Er reicht von 4000 vor Christus bis ins dritte Jahrhundert nach Christus, als Ägypten schon im Römischen Reich aufgegangen war. Das erlaubt, die für China wesentliche Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr) noch mitzunehmen.
Der reizvolle Vergleich der beiden Hochkulturen beginnt im Griechischen Hof mit zwei Bronzegefäßen, von deren Vitrinen Bänder mit der Inschrift „China“ und „Ägypten“ bis zur Decke reichen und so von überall im Haus gesehen werden können. Rot ist die Leitfarbe für China, Schwarzbraun für Ägypten nach seinem altägyptischen Namen „Kemet“ (Schwarzes Land).
In fünf Kapiteln wird die Herausbildung komplexer Kulturen dargestellt: „Lebenswelten“, „Schrift“, „Tod und Jenseits“, „Glaubenswelten“, „Herrschaft und Verwaltung“ sind Kategorien, die beiden Kulturen gemein sind. So stehen bei den „Lebenswelten“ Hausmodelle und Tierplastiken einträchtig auf roten und schwarzen Sockeln, erkennt man, dass das Waschgeschirr aus Schüssel und Kanne ähnlich aussieht, auch wenn die ägyptischen Objekte rund 1500 Jahre älter sind. In China bezahlte man schon sehr früh mit Kaurimuscheln, dann mit Spaten- und Messermünzen, während das Geld in Ägypten erst mit den Römern Einzug hielt.
Hochkulturen kennen das Bedürfnis nach Luxus, doch die Herstellung dieser Güter hängt von den vorhandenen Rohstoffen ab. In Ägypten war es kunstvoll verziertes opakes Glas, während in China Lackwaren als non plus ultra galten. Überhaupt das Material: Ägyptische Gefäße sind aus Ton und aus Bronze gefertigt, Steinobjekte spielen auch eine Rolle, während in China schon sehr früh aufwändig bearbeitete Bronzegefäße als Ausdruck höchster Kultur fungieren. Etwas versteckt in einem Vorraum kann man sich die Abfolge des Gusses eines Gefäßes anschauen. Die Chinesen legten die Verzierung schon in der Gussform an, eine Meisterleistung der Handwerkskunst. Die Ägypter verzierten ihre Bronzegefäße dagegen erst nachträglich.
Ägypter verehrten viele Götter, Chinesen Geister und Ahnen
Faszinierend ist die Entwicklung der Schrift. Am Anfang sehen sich die Zeichen sehr ähnlich, die Sonne ist ein Kreis mit einem Punkt, Wasser wird durch Schlangenlinien dargestellt. Beiden Kulturen ist die Bildhaftigkeit der Zeichen gemeinsam. Während in Ägypten mit der Ankunft der Römer die lateinische Schrift dominiert, ist die chinesische Tradition der Schrift bis heute ungebrochen.
Nur im Kapitel zu „Tod und Jenseits“ werden beide Kulturen getrennt. Links liegt das sensationelle Gewand eines toten Prinzen aus 2200 Jadeplättchen, die mit insgesamt einem Kilogramm Silberdraht zusammengenäht sind, rechts zeigt eine Mumienkartonnage aus dem Ägyptischen Museum eine ähnliche Auffassung von Bestattung. Grabschmuck und -beigaben kannten beide Kulturen.
Grundsätzlich vermitteln die chinesischen Objekte ein ungewohntes Bild der Kultur, weil sie zu den Anfängen zurückgehen und nicht die Prunkobjekte späterer Kaiser zeigen. Und immer wieder gibt es Objekte, die sich auf den ersten Blick nicht eindeutig zuordnen lassen, wie den Grabwächter mit Hirschgeweih, eine abstrakte schamanistische Figur, die man eher in Nordeuropa verorten würde. Während die Ägypter viele Götter kannten, die sie in Statuen darstellten, sind die chinesischen Gottes- und Jenseitsvorstellungen sehr abstrakt. Hier dominiert der Geister- und Ahnenkult.
Die Reise durch beide Kulturen zeigt, dass es gewisse menschliche Konstanten gibt, aber auch eine große Vielfalt in der Ausgestaltung der jeweiligen Lösungen grundsätzlicher Existenzprobleme, die auch von der Umwelt beeinflusst sind. Auf dem Weg zum Humboldt-Forum ist diese Ausstellung ein hervorragender Denkanstoß.
Bis 3. Dezember 2017, Neues Museum, Museumsinsel Berlin; geöffnet täglich 10–18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr.