Kulturvergleich China - Ägypten: Die Macht des Todes
Das Ägyptische Museum Berlin setzt die Hochkulturen Chinas und Ägyptens ab dem 6. Juli in Beziehung zueinander - mit verblüffenden Ergebnissen
Die Sonne – ein Kreis mit einem Punkt in der Mitte. Mit einem identischen Piktogramm haben zu Beginn ihrer Schriftlichkeit die Ägypter und die Chinesen den mächtigen Himmelskörper dargestellt – zwei Kulturen, die einander nie begegnet sind, eine faszinierende Erkenntnis über urmenschliche Gemeinsamkeiten. Später trennen sich die Wege, die Hieroglyphen der Ägypter verschwinden nach der Zeitenwende und werden unter dem Einfluss der Römer durch lateinische Buchstaben ersetzt, während sich die chinesische Schrift kontinuierlich aus ihren Anfängen bis heute entwickelt hat. Eine Erkenntnis aus der Ausstellung „China und Ägypten. Wiege der Welten“, die am 5. Juli im Neuen Museum eröffnet wird und die beide Hochkulturen miteinander vergleicht.
Die Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin plant schon seit Längerem eine engere Zusammenarbeit mit dem Shanghai Museum, einer der führenden Kultureinrichtungen Chinas. Diese Ausstellung bildet nun den Auftakt. „Bisher hatten die Chinesen komplette Ausstellungen eingekauft oder exportiert. Aber eine China-Ausstellung hätten wir nach Dahlem schicken müssen, doch Dahlem ist geschlossen. Also war unsere Idee: Wir machen das gemeinsam, wir vergleichen beide Hochkulturen“, erzählt Friederike Seyfried, Direktorin des Ägyptischen Museums in Berlin. Für die Mitarbeiter des Shanghai-Museums sei das eine völlig neue Erfahrung gewesen, doch sie seien vom Konzept und der Perspektive völlig begeistert gewesen.
Fünf Themenfelder, die in jeder Kultur eine Rolle spielen
„Wir haben uns auf fünf Themenfelder geeinigt, die in jeder Kultur eine Rolle spielen, die eine komplexer gewordene Struktur organisieren muss“, sagt Seyfried. „Jede muss den Alltag in einer Gemeinschaft organisieren, eine Schrift entwickeln. Jede Kultur beschäftigt sich mit dem Tod, er ist ein Generator von Kultur. Der Mensch findet sich damit einfach nicht ab. Daraus entwickeln sich religiöse Vorstellungen, denn man sucht Lösungen für das, bei dem man an Grenzen stößt“, erklärt Seyfried ihr Konzept. Der Mensch sucht Erklärungen für Bedrohungen und Naturgewalten und versuche dafür Lösungen zu finden, jede Kultur auf unterschiedliche Weise.
Das Shanghai Museum verfügt über eine exzellente archäologische chinesische Sammlung. So stammen fast alle chinesischen Objekte aus diesem Haus, das hervorragende Wechselausstellungen zu großen kulturellen Themen bei freiem Eintritt veranstaltet. Höhepunkt der Berliner Ausstellung ist ein mehr als 2000 Jahre altes Gewand eines adligen Verstorbenen, das aus vielen kleinen Jadeplättchen geknüpft ist und ähnlich wie die Mumienhülle den Toten bekleidet hat.
„Ich bin erstaunt über die Qualität der Zusammenarbeit, die es uns ermöglicht hat, dass wir diese außergewöhnlichen Objekte bekommen. Das zeugt von der großen Wertschätzung beider Partner“, betont Friederike Seyfried.
Der zeitliche Rahmen für die Ausstellung erstreckt sich von 4000 v. Chr. bis ins 3. Jahrhundert. Eigentlich ist Ägypten im Jahre 30 nach Christus eine römische Provinz, doch kulturell wirkt das alte Ägypten nach, und so konnte noch die für China wichtige Han-Dynastie in die Ausstellung integriert werden. Die Objekte folgen nicht dem üblichen europäischen Chinabild, sondern setzen viel früher mit den Vorstufen des Kaiserreichs ein. „Beide Kulturen sind sich in der Zeit nie begegnet und nehmen ihren Weg der Zivilisation. Dabei entwickeln sie für sich jeweils logische Lösungen für komplexe Gebilde“, sagt Seyfried.
Dennoch haben beide Kulturen weit über ihre Grenzen hinaus Handel getrieben. Die frühe Zinnbronze des Alten Reiches in Ägypten basierte auf importierten Zinnbarren aus dem Mittelmeerraum, denn in Ägypten gibt es keine Zinnvorkommen. Erst viel später wurden eigene Verfahren entwickelt, Bronze in Ägypten herzustellen.
"Die Welt war schon damals gobalisiert"
Oder Lapislazuli. Der kostbare blaue Stein wird schon im 4. Jahrtausend in Ägypten genutzt, aber die Vorkommen liegen einzig und allein im heutigen Afghanistan. Auch das Auripigment, ein arsenhaltiges Pigment für gelbe Farbe, komme nur an Vulkanen vor. Also muss es über den Handel importiert worden sein. „Die Welt war schon damals globalisiert“, sagt Seyfried.
Für sie als Ägyptologin habe die Zusammenarbeit mit den chinesischen Kollegen sehr viel gebracht. Es sei sehr wertvoll, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen – in diesem Falle sehr weit. „Manche Dinge werde ich in der Ägyptologie neu betrachten. Hat etwa der Schamanismus auch in Ägypten eine Rolle gespielt; so wie wir wissen, dass das in China so war? Haben wir vielleicht etwas übersehen?“, fragt sich Seyfried.
Es sei sehr aufregend gewesen, die unterschiedlichen Herrschaftsstrukturen miteinander zu vergleichen. Aber bei aller Euphorie mahnt Seyfried auch zur Vorsicht: „Wir vergleichen zwei große Kulturen, aber Ägypten ist dann doch im Vergleich zu China ein besiedelter Winzling, der sich zu einer Hochkultur entwickelt hat.“ Immerhin habe sich Ägypten in den ersten 1000 Jahren ohne Druck von außen entwickeln können. Ganz anders die Situation in China. Hier geht es um eine viel größere Fläche, ein anderes Klima, eine vielfältige Geografie und viele Kulturen, die miteinander konkurrieren, ein ständiger Prozess von Kämpfen und Kriegen – ein langwieriger Einigungsprozess. Doch könne man aus dem Vergleich beider Kulturen lernen, wie Landschaft und Klima die unterschiedlichen Entwicklungen der Kulturen prägen.
Damit die Besucher den Überblick behalten, wird es im Untergeschoss des Neuen Museums ein Farbleitsystem geben, das bis in die Vitrinen reicht: Rot steht für China, Dunkelbraun für Ägypten, für Kemet, das schwarze Land, so die altägyptische Bezeichnung. Golden werden die Vitrinen sein, die die Gemeinsamkeiten behandeln.
Jedes Objekt steht entweder auf einem roten oder dunkelbraunen Sockel, das erleichtert die schnelle Zuordnung der Exponate und lädt zu interessanten Vergleichen ein, denn das Verhältnis von Rot und Dunkelbraun wechselt je nach Thema und Situation.
Ab dem 6. Juli im Neuen Museum Berlin auf der Museumsinsel, bis 3. Dezember 2017.