Pressekonferenz zu "Vice" auf Berlinale: Dick Cheney, ein Mann voller Widersprüche
Christian Bale und Adam McKay über ihren Berlinale-Film "Vice", das Rätsel Dick Cheney und Bales körperliche Transformation für die Rolle.
Es ist ja nicht so, dass es auf Pressekonferenzen zu Filmen über den Lauf der Welt immer nur um das ginge, was diese Welt im Innersten zusammenhält. Die beiden Männer vorne auf dem Podium waren gerade noch ganz bei der Sache, da fällt einem plötzlich ein Schnipsel belangloser Wirklichkeit im Saal auf und reizt ihn zum Kommentar. Im Falle von Christian Bale etwa der blanke Bauchnabel unterhalb des zu kurzen, vielleicht nur nachlässig geknöpften Hemdes eines in den vorderen Reihen sitzenden Journalisten. Oder später das ausladende Riesenobjektiv einer auf ihn gerichteten Kamera, so etwas habe er ja noch nie gesehen. Einen Jux will er sich machen, wie zuvor schon Regisseur Adam McKay, der, gefragt nach der Beziehung zwischen ihm und Bale, wiederholt mit strenger Stimme flapst, es gäbe hier „keinen Kommentar zu meiner Beziehung zu Mr. Bale“. Dann eben nicht.
Ansonsten blieben die beiden durchaus ernsthaft, wirkten in ihren Antworten bisweilen sogar ungemein bildkräftig: Wie Bale sich mit den zusätzlich angefutterten Pfunden in Dick Cheneys Körper gefühlt habe? Der hatte gleich zwei Vergleiche zur Hand: Wie ein Ochsenfrosch, wie eine Bulldogge, und auch als Walross sei er beschrieben worden. Wohlbefinden fühlt sich anders an: „Ich glaube, mein Körper schreit: ,Du stirbst bald, wenn du so weitermachst.’“
Noch keine Reaktionen der Familie
Aber trotz der dem Original angenäherten Statur: Letztlich sei ihm Cheney ein Rätsel geblieben, bekannte Bale, der zu Beginn der Pressekonferenz mit Beifallsjubel empfangen worden war: „Ich habe unendlich viele Fragen, die ich dem Mann stellen würde.“ Und gerne würde er wissen: Vermag so einer noch gut zu schlafen, und wie kann er in scheinbarer Normalität, als liebevoller Ehemann und guter Vater, leben angesichts seiner Gräueltaten, der unzähligen Menschen, die er in einen unethischen Krieg getrieben hat. Dick Cheney – für Bale ein Mann voller Widersprüche, sein Leben letztlich auch „eine tragische Geschichte, etwas Trauriges, sehr Menschliches“. Eine Einschätzung, die der Regisseur teilt. Wenn man schon nach dem Genre des Films frage, dann treffe am ehesten „komische Tragödie“ oder „Shakespearsche Tragödie“ zu.
Wobei für dieses „Charakterporträt“ die Schwierigkeit bestanden habe, das Cheney „nur wenige Brösel“ hinterlassen habe, bemüht, im Hintergrund zu arbeiten. Doch sei für den Film sehr viel recherchiert worden, in alten Medienberichten etwa, und es seien auch eigene Journalisten beauftragt worden, Interviews über Cheney zu führen. Reaktionen aus dessen Familie habe er noch nicht bekommen, sagte McKay. Eine der Töchter habe er im Internet als Follower, geäußert habe sie sich noch nicht.
Andreas Conrad