Farce über die Finanzkrise: "The Big Short": Der Teufel steckt im System
Der US-Börsencrash 2008 hat Hunderttausende ruiniert. Die Kinofarce "The Big Short" entwirrt die Verwicklungen von damals auf unterhaltsame Weise - mit Stars von Brad Pitt bis Ryan Gosling.
Margot Robbie aus „Wolf of Wall Street“ erklärt im heimischen Whirlpool mit dem Champagnerglas in der Hand, was „Subprime-Hypotheken“ sind. Der Starkoch Anthony Bourdain erläutert anhand eines Meeresfrüchte-Eintopfs aus altem Fisch, wie faule Kredite in wohlklingende Immobilienfonds eingerührt werden. Selena Gomez veranschaulicht die Wettbüromechanismen der Börse an einem Roulettetisch in Las Vegas.
Die Promis wenden sich in Adam McKays „The Big Short“ direkt ans Publikum, denn der Film hat einen klar formulierten Lehrplan: Er will die Ursachen der Finanzkrise von 2008 einem breiten Kinopublikum erklären. Übernimmt Hollywood nun die politische Bildungsarbeit in den USA? „Leider wissen viele Amerikaner immer noch nicht, was damals während des Bankencrashs wirklich passiert ist. Es gibt einen großen Hunger nach Informationen in der amerikanischen Gesellschaft“, sagt Regisseur Adam McKay beim Interview in London. Die US-Medien hätten damals vollkommen versagt und erst gar nicht versucht, die Hintergründe der Krise zu beleuchten.
McKay setzt auf Klartext, wie Michael Moore
McKay ist ein hochgewachsener, schlaksiger Mann, und wenn er spricht, redet er Klartext. Wahrscheinlich traute ihm kaum einer in Hollywood einen solchen Film zu, hatte er doch bisher hauptsächlich eher harmlose Will-Ferrell-Komödien wie „Stiefbrüder“ oder „Anchorman“ inszeniert. Zuletzt schrieb er das Drehbuch zu der Comic-Verfilmung „Ant-Man“. Aber wer genau hinsieht, kann auch in diesen Filmen unter der kommerziellen Lustspieloberfläche einen anarchistischen Groove entdecken, von dem nun auch „The Big Short“ angetrieben wird.
Der Film bringt das Kunststück fertig, die komplexen Zusammenhänge, die zum Platzen der Immobilienblase geführt haben, höchst unterhaltsam auf ein verständliches Maß herunterzubrechen. Dabei zeigt McKay deutlich, dass es sich nicht um einen bedauerlichen Betriebsunfall des Kapitalismus handelt, sondern um das Ergebnis systematischen Betrugs. „The Big Short“ erörtert sein Thema im moralfreien Raum, indem er eine Handvoll neugieriger Investmentmanager ins Zentrum stellt, die das Platzen der Blase voraussahen – und damit ein Vermögen verdienten.
Wenn das die Helden des Films sind, wer ist dann eigentlich der Bösewicht? „Das korrupte System, in dem die Banken zu mächtig sind und die Regierung auf jeder Ebene bestechlich ist. Ich glaube prinzipiell nicht daran, dass der Bösewicht sich auf ein klar zu benennendes Individuum festlegen lässt. Es geht immer um Systeme und deshalb haben wir bewusst darauf verzichtet, einen Schurken zu erfinden“, erklärt McKay seine Erzählweise, die mit den konventionellen Identifikationsstrategien bricht und in ihrer Rasanz oft an einen griffigen Hip-Hop-Song erinnert.
Brad Pitts Firma hat den Film mitproduziert
Schon verwunderlich, dass ein solches Projekt in Hollywood durchkam. Stars wie Steve Carell, Ryan Gosling, Christian Bale und Brad Pitt, dessen Firma den Film mitproduziert hat, seien dabei eine große Hilfe gewesen, so McKay. Aber auch Studios wissen um den Markt für hochwertige Filme, die sie dann gern zur Oscar-Saison antreten lassen. Aber auch wenn „The Big Short“ nun als einer der aussichtsreichen Kandidaten gilt, schützt Ruhm vor Angriffen nicht. Die US-Zeitungen aus dem Murdoch-Konzern haben schon auf den Film eingedroschen.
McKay aber ist sich seiner Sache sicher. Nach Fertigstellung habe es etwa ein Test-Screening mit wichtigen Branchenkennern gegeben, darunter Hedgefondsmanagern sowie Wirtschaftsprofessoren. „Ich dachte, die würden uns zerfetzen. Aber sie kamen aus dem Film und sagten alle: ,Yep, genau so war es.‘ Es gab keine einzige Beschwerde bezüglich der Fakten.“ Auf die Frage, was sie nach der Krise am meisten schockiert habe, hätten alle Anwesenden nur eine Antwort gehabt: unfassbar, dass keiner der Verantwortlichen im Gefängnis gelandet sei.
McKay: Banken kaufen Politiker
An diesem Befund dürfte weder die Diskussion etwas ändern, die McKay mit seinem Film anzustoßen hofft, noch der derzeitige Präsidentschaftswahlkampf, in dem die Bankenkrise, bei der Millionen Menschen ihre Pensionen, Häuser und Jobs verloren haben, absonderlicherweise keine Rolle spielt. McKay erklärt das damit, dass außer Bernie Sanders alle Präsidentschaftskandidaten und Kongressabgeordneten auf die Wahlkampfspenden der Banken angewiesen seien: „Da gehen riesige Summen über den Tisch, und darüber wird nicht gern gesprochen. Hillary Clinton bekommt mehr Geld von den Banken als irgendein anderer Kandidat. Und die Banken lieben Hillary! Die Macht der Banken ist heute größer denn je, und wenn sie noch einmal kollabieren, müssen wir sie wieder freikaufen.“
Da tönt McKay schon fast wie Michael Moore. Der kämpferische Dokumentarist hatte einst bei den Oscars eine Brandrede gegen den Irakkrieg gehalten. Wer weiß, wozu McKay ausholt, wenn er denn bei der Gala Ende Februar ans Mikrofon treten sollte.
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