zum Hauptinhalt

Lola-Verleihung: Deutscher Filmpreis - das Millionenspiel

Strahlende Sieger, bleibende Debatten: Das starke Debüt „Oh Boy“ räumt beim Deutschen Filmpreis ab - womit die kulturgebundenen Preisgelder des Staats vorzüglich angelegt sind. Manche andere Auszeichnungen wirken dagegen zweifelhaft.

Es ist noch einmal gut gegangen. Sehr gut sogar, mit dem allseits bejubelten Triumph für den mitreißend melancholischen Berlin-Film „Oh Boy“. Zu gut womöglich, wie manche nachher mutmaßten, für den Debütanten Jan Ole Gerster, der mit seinem DFFB-Abschlussfilm außerdem den Regie- und Drehbuchpreis und drei weitere Lolas gewann. Nicht, dass der frühe Sprung an die Spitze den 35-Jährigen ruckzuck in eine Schaffenskrise stürzt wie einst Steven Soderbergh nach seiner so frühen Goldenen Palme in Cannes für „Sex, Lügen und Video“!

Ganz ausgezeichnet ist es am Freitagabend im Berliner Friedrichstadt-Palast auch für „Hannah Arendt“ gelaufen und dessen Hauptdarstellerin – oder sollte man sagen: Inkarnatorin – Barbara Sukowa. Margarethe von Trotta, Regisseurin des verblüffend frischen Biopics über die streitbare Denkerin, ging zwar leer aus, aber Silber für diesen Film, den viele lange gar nicht auf der Rechnung hatten, erwies sich bei der Gala als sichtbar beglückende Entschädigung.

Irgendwie gut ausgegangen ist die Sache sogar für „Cloud Atlas“, der sich mit fünf Nebenpreisen zumindest numerisch nur knapp dem Überflieger „Oh Boy“ beugen musste. Vor allem erspart die für die Macher fraglos schmerzhafte Tatsache, dass „Cloud Atlas“ in den Top-Kategorien durchweg floppte, der Deutschen Filmakademie wohl eine erneut in aller Schärfe entbrennende Debatte darüber, wohin die vom Bund für kulturelle Zwecke des deutschen Filmwesens spendierten Steuermillionen des Deutschen Filmpreises gehen. Und wohin sie eigentlich gehen sollten.

Insofern haben sich die 1400 Stimmberechtigten der Deutschen Filmakademie, die nunmehr zum neunten Mal branchenintern die Staatsmillionen vergibt, erneut als gewitzte Jury in eigener Sache erwiesen. Die Fragen aber bleiben, zumal seit einigen Jahren überwiegend mit deutschem Geld gedrehte internationale Großproduktionen immer stärker ins Konkurrenzfeld hineindrücken. 2007 belohnte die Akademie Tom Tykwers „Parfum“ noch mit der Lola in Silber – die Constantin-Produktion beruhte immerhin auf der Verfilmung eines deutschen Bestsellers. Letztes Jahr musste sich „Anonymus“, der englischsprachige Spektakelfilm rund um Shakespeare, mit sechs Nebenpreisen begnügen – deutsch waren hier noch eben Regisseur Roland Emmerich und der Drehort Babelsberg.

Bei der 100-Millionen-Dollar-Produktion „Cloud Atlas“ nun, die bei durchaus internationaler Geldbeschaffung ein hundertprozentiges deutsches Ursprungszeugnis vorweisen kann, scheute die Akademie den von manchen Beobachtern als unvermeidlich befürchteten ganz großen Preissegen. Zu dünn schien denn doch der kulturell genuin deutsche Beitrag zu einem englischsprachigen Film nach US-Romanstoff mit überwiegend angelsächsischen Schauspielern und nur Tom Tykwer neben Lana und Andy Wachowski auf dem Regiestuhl. Zu störend auch der Eindruck, dass mit dem deutschen Kultur-Input womöglich vor allem die in der Produktion steckenden 17 Millionen Filmförderungseuro gemeint gewesen sein könnten.

Doku-Preis für den Vorstandsvorsitzenden

Alle solche Fragen – auch jene, wie gut die bereits mit der Nominierung verbundenen 250 000 Euro in „Cloud Atlas“ angelegt sind – könnte die Filmakademie so endgültig wie elegant lösen, wenn sie nach internationalem Vorbild endlich auf die Dotierung ihrer Preise überhaupt verzichtete – schon jetzt macht sie, anders als früher, auffallend wenig Aufhebens von den fetten, mit den Auszeichnungen verbundenen Summen. Oder sie ließe dieses eindeutig kulturförderungsgebundene Geld etwa durch pointierte Jury-Voten jenen auch Jüngeren zukommen, die der Filmkultur in Deutschland die bitter nötigen neuen Impulse verleihen. Auch hieraus lässt sich der erleichtert tönende Jubel für „Oh Boy“ erklären, in dem das Staatsgeld geradezu vorbildlich angelegt scheint. Und der sehr verhalten aufgenommene Dank „für eure unabhängigen Stimmen“, mit dem der Akademie-Vorstandsvorsitzende Thomas Kufus den Dokumentarfilmpreis für „More Than Honey“ entgegennahm.

Auch für ihn und seine Firma Zero One Film ist die Sache diesmal ganz vorzüglich ausgegangen – zwei der drei bereits mit Nominierungsprämien bedachten Dokus stammen aus seinem Hause, und somit ist Kufus mit insgesamt 300 000 Euro Preisgeld einer der großen Gewinner des Jahrgangs. Dem Renommee der Akademie aber schaden derlei Entscheidungen. Bei den Nominierungsverfahren mag sie noch so ausgeklügelt den Branchen-Selbstbedienungsverdacht auszuräumen trachten – das Misstrauen bleibt, solange derlei hohe Summen fließen.

Wie unbeschwert können sich da Schauspieler wie Michael Gwisdek freuen, der der Feierlust des Abends einen Extra-Glanzpunkt aufsetzt. Sie werden, was sie besonders genießen, von ihren Branchenkollegen auf den Schild gehoben, 10 000 hübsche Euro gibt’s obendrauf, und zum Dank die Rede eines Ur-Berliners, die sich gewaschen hat. Gwisdek, mit seinem Sohn Robert – in verschiedenen Filmen – als Nebendarsteller nominiert, erzählt eine wunderbar selbstironische Anekdote, die von feiner, die familiäre Konkurrenz keineswegs bemäntelnder Vaterliebe nur so strotzt. Gemeinsam hätten sie mal Probeaufnahmen gemacht – Aufgabenstellung: die letzten Worte eines zum Tode Verurteilten – und sich nachher jeweils kritisiert. Die Lehre daraus, weniger zu „spielen“, habe er prompt in „Oh Boy“ beherzigt, „und: peng!“ So glücklich kann einen ein Filmpreis machen – und die ganze im Friedrichstadt-Palast versammelte Filmfamilie. Sofern man Michael Gwisdek heißt.

Jan Schulz-Ojala

Zur Startseite