Wird es Capital Bra sein? Oder Hayiti?: Deutscher ESC-Kandidat für Rotterdam von Expertenjury gewählt
Eine „internationale Expertenjury aus 20 Musikprofis“ kann nicht irren? Guter Pop braucht keine Expertise! Eine Glosse.
Wie spannend das schon wieder ist! Es steht natürlich auch in diesem Jahr ein Eurovision Song Contest (ESC) an, in Rotterdam, wie man weiß, wegen des niederländischen Musikers Duncan Lawrence, der in Tel Aviv gewann, und wer für Deutschland antritt, ist entschieden. Wird aber erst am 27. Februar während einer ARD-Show bekannt gegeben.
Bis dahin darf spekuliert werden, ob dieses Mal der Rapper Capital Bra dabei ist. Oder die Rapperin Hayiti. Oder vielleicht Henning May?
Sicher ist: Es kann wirklich nur die allerhöchste Pop-Qualität sein. Denn dieses Mal war eine „internationale Expertenjury aus 20 Musikprofis“ an der Auswahl eines deutschen Top-Pop-Acts beteiligt, ja, und dazu noch eine sogenannte Eurovisionsjury „mit 100 Menschen aus ganz Deutschland“, wie der NDR nicht unstolz am Montag erklärt hat.
Es müsste also mit dem Teufel oder Udo Lindenberg zugehen, wenn nicht nur allerhöchste Popqualität aus Deutschland in Rotterdam an den Start geht, sondern dabei auch was herausspringt.
Platz 18 oder Platz 14 zum Beispiel – im Vergleich zum vergangenen Jahr, da die beiden jungen Sängerinnen Carlotta Truman und Laurita als S!sters Vorletzte wurden, wäre das ein Riesenerfolg. Doch man will mehr, nämlich gleich an den Erfolg von 2018 anknüpfen. Platz vier war das damals, erreicht von einem gewissen Michael Schulte.
Michael wer?, muss man sogleich fragen, und was war das noch mal für ein Song? Was man auch im Fall des Siegers von Tel Aviv fragen könnte, Duncan who? Und wer war sonst noch alles in Israel so dabei?
Ach ja, und was macht eigentlich Lena gerade, außer überall mit Mark Forster gesehen zu werden?
Pop-Trash hat auch so seine Reize
Die Relevanz, die der ESC in der öffentlichen Wahrnehmung und bei angeblich im vergangenen Jahr 200 Millionen Zuschauern in der ganzen Welt hat, steht weiterhin in keinem Verhältnis zu seiner popmusikalischen Relevanz. Es gibt den ESC-Pop und es gibt Pop. Dass dieser Wettbewerb ein so gewichtiger ist, liegt zum einen an seinem Spektakel- und Wettbewerbscharakter, daran, dass hier Nationen gegeneinander antreten, was in einem vereinten Europa auch was leicht Anachronistisches hat; zum anderen daran, dass Pop-Trash auch so seine Reize hat.
Der Siegerbeitrag habe „die nationalen und internationalen Expertinnen und Experten begeistert“, frohlockte der ARD- Unterhaltunsgkoordinator Thomas Schreiber. Umso öfter jedoch bei der ARD vom Pop-Expertentum die Rede ist, desto verdächtiger ist das Ganze. Guter Pop, ein guter Popsong braucht keine Expertise. Der ist in der Regel auf einmal in der Welt, und danach kann er analysiert werden. Aber so funktioniert der ESC leider nicht.