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Der Deutschland-Versteher: Neil MacGregor.
© picture alliance / dpa

Neil MacGregor in Berlin: Deutscher des Herzens

Der künftige Gründungsintendant des Humboldt-Forum Neil MacGregor stellt in Berlin sein Buch „Deutschland. Erinnerungen einer Nation“ vor.

Nachdem Angela Merkels Umfragewerte in den Keller gerauscht sind, kann es nur noch einen Kandidaten für den Platz des beliebtesten Deutschen geben: Neil MacGregor, Schotte von Geburt, Engländer zeit seines Berufslebens und nunmehr Deutscher des Herzens. Denn eine Herzenssache ist es, die den Noch-Direktor des Britischen Museums und künftigen Gründungsintendanten des Humboldt-Forums an Deutschland bindet.

Im vergangenen Jahr hat er eine Ausstellung unter dem Titel „Deutschland. Erinnerungen einer Nation“ in seinem Londoner Museum veranstaltet und unter nämlichem Titel das enorm erfolgreiche Begleitbuch nun auch in deutscher Sprache herausgebracht (C.H.Beck Verlag, 640 S., 39,90 €). Klug ist er außerdem; so klug, dass er die Buchvorstellung im Renaissance-Theater als Plauderei über Deutschland. Der Beifall des vollbesetzten Hauses erreichte ihn nach jedem zweiten Satz, und sollte die Bundeskanzlerin davon erfahren haben, kann sie sich nur gratulieren zu dem Volltreffer, den sie mit der Berufung MacGregors erzielt hat. Der Mann erzählt uns, wer wir sind und worauf wir stolz sein können.

Zum Beispiel auf die mittlerweile mehr gescholtene als gelobte Willkommenskultur: „Nur in Deutschland“, so der mit zauberhaftem Akzent wie einst ein gewisser "Heinrich Pumpernickel" deutsch sprechende MacGregor, habe man "eine moralische Herausforderung für ganz Europa gesehen", das finde er "bewundernswert". In seiner Ausstellung und in seinem Buch findet er noch viele weitere bewundernswerte Dinge, vor allem aber weiß er die auf den ersten Blick nicht so arg bewundernswerte Geschichte Deutschlands und des in seinem Namen zusammengefügten Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation neu zu erzählen. Die politische Schwäche erweise sich als geistige Stärke, sagt MacGregor mit Verweis auf Kant und Hegel, und die religiöse Toleranz nach dem furchtbaren 30-jährigen Krieg sei vorbildlich gewesen für das strikt reglementierte Europa. Und noch eins: „In London oder Paris wäre Luther sofort ermordet worden, sofort!“

Dann zeigt MacGregor in seiner Dia-Show die beiden berühmtesten Stiche Dürers, „Ritter, Tod und Teufel“ und „Melencolia“, die gemeinsam "zum Sinnbild Deutschlands im 19. Jahrhunderts" geworden seien, und anschließend das Eiserne Kreuz, das als Auszeichnung für Offiziere wie Soldaten gleichermaßen eine neue Identität gestiftet habe. Welcher Bio-Deutsche dürfte dergleichen sagen, ohne als Pegida-Anhänger gescholten zu werden? Neil MacGregor darf es, und wir alle dürfen uns glücklich schätzen, diesen Mann als den unseren betrachten zu dürfen.

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