"Die Akte Trump" von David Cay Johnston: „Der Umgang mit ihm ist extrem gefährlich“
Ein Gespräch mit dem Donald-Trump-Biografen David Cay Johnston über den Charakter des neuen Präsidenten der USA.
Mr. Johnston, ein paar Tage vor der US-Wahl sagten Sie, Donald Trump hätte keine Chance, US-Präsident zu werden. Jetzt wird er am 20. Januar dieses Amt antreten. Warum lagen Sie da so falsch?
Ich habe wiederholt gesagt, dass es unwahrscheinlich ist, dass er gewinnt, ungefähr bis vier Tage vor dem Wahltag, als sich in Umfragen trotz Trumps entsetzlich schmutzigen Wahlkampfs herausstellte, dass immer mehr Weiße aus der Arbeiterklasse für ihn stimmen würden. Dazu wurde es insgesamt zunehmend undurchsichtiger, wie sich die Wähler entscheiden würden. Und es war dann so, dass viele demokratische Wähler, die vor vier Jahren noch Obama gewählt haben, nicht für Clinton gestimmt haben oder gar nicht zur Wahl gegangen sind.
Wenn man Ihr Buch über Donald Trump liest, „The Making of Donald Trump“, in der deutschen Übersetzung „Die Akte Trump“, hat man den Eindruck, man wohne einer Art Horrorshow bei – mit einem immens gefährlichen, bisweilen aber ziemlich lächerlichen Helden.
Trump ist ein Troublemaker, das ist sein Hauptberuf, darin gefällt er sich. Das beginnt damit, dass er immer wieder erzählt, er habe in der Schule seinen Musiklehrer verprügelt, weil dieser nichts von seinem Fach verstand. So steht es auch in seiner Biografie „The Art Of Deal“. Doch das ist eine Legende, das stimmt nicht. Bei Recherchen haben mir viele seiner Nachbarn und ehemaligen Mitschüler erzählt, dass er sich vor allem auf die Schwächeren gestürzt hat. Letztendlich ist Trumps geistige Entwicklung auf dem Niveau eines 13-Jährigen geblieben. Zum Beispiel, wie er sich über Frauen äußert. Die beurteilt er nur nach ihren Körpermaßen. Er hat über den Brustumfang und die Körbchengröße einer seiner Töchter gesprochen, da war diese nicht einmal ein Jahr alt.
Trump ist emotional unterbelichtet. Er denkt nur in den Kategorien von Rache, von Auge um Auge, Zahn um Zahn, ihm geht es um nichts anderes als Geld, Macht und Ruhm. Und darum, der größte Liebhaber aller Zeiten zu sein. Er versteht sich als moderner Midas, der alles, was er anpackt, zu Gold macht.
Wann haben Sie Donald Trump das erste Mal getroffen?
Das war 1988, in Atlantic City. Ich führte mit ihm ein Interview, weil er wegen seiner zwei Casinos eine der prominentesten Persönlichkeiten der Stadt war. Ich arbeitete für den „Philadelpha Inquirer“ als Investigativreporter. Er kam mir vor wie eine Art P. T. Barnum, wie ein Zirkusdirektor, der Einblicke in sein Kuriosiätenkabinett erlaubt: eine Mischung aus Zampano und lächerlicher Figur. Wie mir Wochen später viele Menschen aus dem Casino-Business erzählten, hatte Trump keine Ahnung, wie man ein Casino eigentlich führt, geschweige denn von den Regeln der Spiele.
Ich konnte das nicht glauben: Er führt zwei Casinos und kennt das Geschäft nicht? Als wir erneut aufeinandertrafen, habe ich ihm vier Fragen mit richtigem Unsinn über das Spiel und die Casinos gestellt – und er baute diesen Unsinn sofort in seine Antworten ein. Ich war entsetzt: Dieser Mann ist ein Hochstapler. Er ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Man muss ihn trotzdem höchst vorsichtig behandeln, weil der Umgang mit ihm extrem gefährlich ist. Er versucht immer wieder die Leute zu kompromittieren und mit Klagen zu überziehen.
Auch Sie selbst?
Ja, es gibt ein Foto, das zeigt ihn mit mir und meinem zweiten Sohn Andrew, als wir zusammen essen waren. Mit diesem Foto versuchte er, mich zu kompromittieren. Er schrieb meinem Sohn eine Karte mit dem Foto und den Worten „Du hast einen großartigen Vater“ und Ähnlichem, um meine Unabhängigheit auf die Probe zu stellen.
Sind Sie nicht auch ein wenig fasziniert von der Person Donald Trumps?
Nein, ganz und gar nicht. All das, was ich in dem Buch geschrieben habe, ist in keinster Weise persönlich. Als ich in den frühen achtziger Jahren bei der Los Angeles Times war, habe ich viel mit dem Los Angeles Police Department zusammengearbeitet und über Mordfälle berichtet. Mich interessierte nicht, was der Mörder für einer ist, was er für eine Persönlichkeit hat, sondern vor allem, dass er ein Mörder ist. Dasselbe mit Trump: Er ist ein totaler Manipulator – und ich versuche, die Dinge ans Licht zu bringen, die er den Leuten nicht erzählt, die Verfehlungen. Ich steige in die dunklen Abgründe der Politik und der Wirtschaft. Wie er von der Regierung geschützt wurde, als er 1990 kurz vor dem Bankrott stand.
Ich zeige, dass er mit Kriminellen und Hochstaplern zusammengearbeitet und Verbindungen zur Mafia hat, schon seit dem Bau seines Trump Towers. Das hat mit Faszination nichts zu tun, ich mache meinen Job.
Sein Charakter würde nur aus Action bestehen, aus Handlung, so beschreiben Sie Trump. Aber ist das lebensfüllend, ein Unruhestifter zu sein?
Donald Trump denkt nur daran, zu bekommen, was er sich in den Kopf gesetzt hat - und das Erstaunliche ist, dass er damit immer wieder durchkommt. Natürlich ist es schwer herauszufinden, was jemand wirklich denkt. Doch kann man nach seinen Handlungen auch Urteile treffen. Trump hat seine Biografie geschönt. Er hat zum Beispiel nie ein richtiges Studium an der University of Pennsylvania absolviert, sondern nur ein Undergraduate-Studium dort. Dann ist da die Geschichte mit der Trump-University, da hat es gerade einen millionenschweren Vergleich mit Klägern gegeben. Oder er brüstete sich mit Affären, die er nie hatte, so wie mit der französischen Sängerin und Sarkozy-Frau Carla Bruni, All das führe ich in meinem Buch auf. Er glaubt ernsthaft, er sei anderen genetisch überlegen, das haben er und auch einer seiner Söhne einmal gesagt.
Was böse Ahnungen an den Faschisten in Trump aufkommen lässt.
Das hat bei ihm aber keinen philosophischen oder ideologischen Hintergrund, sondern ist nur seinem Größenwahn geschuldet.
Besteht nicht die Möglichkeit, dass sich so jemand, gerade jetzt, in einem Amt wie dem des US-Präsidenten, ändern kann?
Ich glaube das nicht, meine Güte, er ist 70 Jahre alt, wie soll sich denn da einer ändern? Ich wäre der erste, der ihm dazu gratulieren würde, falls er ein guter Präsident werden sollte. Natürlich gibt er sich jetzt relativ moderat, nachdem er gewonnen hat. Ich hatte den Eindruck, er war selbst am meisten überrascht davon, und bislang hat er auch noch keine wirkliche Verantwortung. Wenn er sich jetzt gleich wie ein ungezogenes Kind aufspielen würde, so wie er das im Wahlkampf gemacht hat, mit seinen Ausfällen gegen Latinos, Muslime, Frauen und sonstwen, wäre das schlecht. Das weiß sogar er.
Aber schauen Sie, mit wem er sich jetzt umgibt: Steve Bannon, sein Chefberater, ist ein totaler Rechtsaußen. Jeff Sessions, ein ausgewachsener Rassist, soll Justizsenator werden. Peter Schweizer, der Autor des Buches „Clinton Cash“, ein Buch über die Mischung aus Gemeinnutz, Eigennutz und Korruption bei den Clintons, hat gestern auf CNN gesagt, dass es dieselben Probleme bei Trump geben wird. Allein die geschäftlichen Verbindungen Trumps zu russischen Oligarchen werfen Tausende von Fragen auf.
Wird Trump der schlimmste Präsident, den die USA jemals hatten?
Schwer zu sagen. Wir hatten einige schlimme Kaliber. Zum Beispiel Warren Harding, der 1920 gewählt wurde, am liebsten soff, pokerte und zugab, keine Ahnung vom Regieren zu haben. Wir hatten im 18. Jahrhundert einen Rassisten und Indianerhasser im Amt, Andrew Jackson. Wir hatten einen ähnlich Ahnungslosen wie Trump als Präsidenten. Der wusste gar nichts von der Welt, George W. Bush – der aber kein schlechter Mensch ist. Und wir hatten einen Paranoiker wie Richard Nixon. Aber einen, der mit Kriminellen Geschäfte macht? Nein.
Gibt es denn überhaupt irgendwelche guten Seiten an Donald Trump?
Er hat den Trump Tower gebaut. (lacht) Sein Name ist zu einem Label geworden. Jeder US-Haushalt kann mit dem Namen Trump etwas verbinden, das war ja lange vor der Wahl und dem Wahlkampf so. Ja, doch, ich bewundere, wie er es von Queens nach Manhattan und in die USA geschafft hat, wie er als zwar reiches Kind, aber doch als ein Niemand aus Queen sich zu einer Marke gemacht hat. Das ist eine Leistung.
Aber was seinen Charakter betrifft: Gibt es gar nichts Positives über ihn zu sagen?
Er ist nicht intelligent. Er ist nicht fleißig. Er hat kein historisches Verständnis. Er ist unglaublich ignorant. Er ist nicht selbstreflektiert. Er ist nicht freundlich. Er ist nicht warmherzig. Menschen, vor allem Frauen, sind für ihn nur Objekte. Er ist nicht seriös. Er hat keine Moral. Er hat sein Leben nichts anderem gewidmet, ich sagte es, als dem Geld, der Macht..., wollen Sie noch mehr hören?
Also müssen wir uns nun fürchten? Wird es zu einer Katastrophe kommen mit ihm als Präsident der Vereinigten Staaten?
Man kann das jetzt nicht voraussagen. Amerika wird Trump überleben, aber nicht ohne Schaden. Es gibt jetzt haufenweise Berichte, wie an Schulen mexikanische, schwarze oder muslimische Jugendliche von ihren Mitschülern angefeindet werden, wie man sie auffordert, dahin zu gehen, wo sie vermeintlich herkommen. Ich glaube auch, dass diese Präsidentschaft sich für gut 90 Prozent der Amerikaner wirtschaftlich negativ auswirken wird. Donald Trump denkt nur an sich, nicht an die, die ihn gewählt haben.
David Cay Johnston, 67 ist Investigativjournalist und hat unter anderem für die "Los Angeles Times" und die "New York Times" gearbeitet. Er ist Autor diverser Bücher, sein erstes, „Temples Of Chance“ über die Casino-Branche, erschien 1992. Für die Enthüllung von Steuerungleichheiten erhielt er 2001 einen Pulitzer-Preis. Seine Trump-Biografie „Die Akte Trump“ erscheint bei Ecowin, Salzburg, übersetzt v. Regina Berger, Robert Poth und Annemarie Pumpernig (352 S. 24 €.)
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