Shindy und das Buch: Der Schöne und die Millionen
Es müssen nicht immer Sarrazin, Hitler oder die Bäume sein: Der Deutschrapper Shindy steht mit seiner Autobiografie auf Platz eins der Sachbuchcharts.
Das Jahr 2015 war ein gutes für den Rapper Shindy, der mit bürgerlichen Namen Michael Schindler heißt. Er bekam gleich zwei goldene Schallplatten, die eine für sein Soloalbum „Fuckbitchesgetmoney“ (im Original in Versalien geschrieben und mit diversen anderen Zeichen versehen, zum Beispiel einem $), die andere für ein Album, das er mit seinem Kollegen und Labelbetreiber Bushido eingespielt hat, „Classic“ (auch hier steht ein Dollarzeichen im Titel). Nun wird sich mancher fragen: Shindy? Wer ist das denn? Spielt der nicht vor allem im Pop-Undergound, wie so viele deutsche Rapper, so sie nicht Cro oder Sido heißen?
Der Verlag hat "den Blödsinn allen Ernstes" gedruckt
Schon bald dürfte solche Fragen niemand mehr stellen. Denn das Jahr 2016 könnte noch besser für Shindy werden als 2015. Das verdankt sich keinem weiterem Album, sondern seinem ersten Buch. Shindy hat seine Autobiografie geschrieben. Oder besser: schreiben lassen, von dem Journalisten und „GQ“-Redakteur Josip Radovic. Bei dem bedankt er sich im übrigen wie bei so vielen am Ende des Buches, unter anderem den Menschen seines Verlags, weil die „einen 27-Jährigen eine Biografie schreiben lassen, den Blödsinn allen Ernstes drucken, verkaufen und mir auch noch einen fetten Vorschuss dafür bezahlt haben.“
Doch scheint der Münchener Riva-Verlag genau gewusst zu haben, was er da tat: Shindy steht mit „Der Schöne & die Beats“ auf Platz eins der Sachbuchbestsellerlisten in Deutschland, vor Thilo Sarrazin, vor der historisch-kritischen „Mein-Kampf“-Ausgabe, vor Peter Wohllebens Baumbuch, mit einer Auflage von bislang 60 000 Exemplaren. Es muss also noch ein anderes Deutschland zu geben - eines das sich nicht primär mit dem Wald, dem Nationalsozialismus und Untergangsszenarien beschäftigt, sondern viel mehr an einer Aufsteiger- und Angebergeschichte aus der Jugendkultur interessiert ist. Die nicht zuletzt aber eine Geschichte aus einem Land ist, das längst zu einem Einwanderungsland geworden ist.
Ein Vorbild für Millionen Jugendliche?
Shindy entstammt einer deutsch-griechischen Beziehung, seine Großeltern mütterlicherseits kamen aus Griechenland und betrieben im schwäbischen Bietigheim-Bissingen eine Hotel-Gaststätte. Shindy erzählt in seinem Buch, wie er erst aufs Gymnasium ging und Zeitungen austrug und sich dann zu einem berüchtigten Rapper mauserte (sein erstes Album „NWA“ wurde auf den Index gesetzt), der erst viel mit Kay One unterwegs war, sich mit dem aber entzweite. Er landete bei Bushido, auf dessen Ersguterjunge-Label und unter den Fittichen des libanesisch-stämmigen Neuköllner Geschäftsmanns Arafat Abou-Chaker.
Abou-Chaker hat auch das Nachwort besorgt, ein über 30 Seiten zählendes Nachwort im übrigen (jedem seine Sicht der Battle-Dinge!), und schreibt über Shindy: „Er hat sich seinen Traum, von seiner Kunst zu leben, erfüllt. Er ist auf dem besten Wege, Millionär zu werden. Ein Vorbild für Millionen von Jugendlichen.“ Wie man am Erfolg von „Der Schöne & die Beats“ ablesen kann: Die Jugend hat verstanden, sie will jetzt auch Millionen verdienen.
Dass sie das versucht, in dem sie zunächst ein analoges Printprodukt kauft und womöglich Seite für Seite liest, ist dabei der überraschendste Nebeneffekt.
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