Klaus Modick: Rilke-Roman "Konzert ohne Dichter": Der priesterliche Egoman
Klaus Modick nimmt Rainer Maria Rilke ins Visier. Am interessantesten an seinem kleinem, feinen Künstlerroman ist dabei das Nicht-Erzählte.
Am interessantesten an Klaus Modicks kleinem, feinen Künstlerroman ist das Nicht-Erzählte. Zum Erzählten lässt sich sagen, dass Heinrich Vogeler im Zentrum steht. Als Maler, Grafiker, Architekt und Buchgestalter war er um 1900 ein Zentralgestirn des deutschen Jugendstils. Um ihn gruppiert sich die erste Generation der Worpsweder Künstlerkolonie mit Otto Modersohn, Paula Becker, Clara Westhoff und – ja, Rainer Maria Rilke.
Dieser Rilke wird in den Augen Vogelers, dessen Perspektive man folgt, vom vermeintlichen Seelenverwandten zum radikalen Gegenentwurf der eigenen Kunst- und Lebensvorstellungen: zu einem misogynen Egomanen, einem prätenziösen, sendungsbewussten Snob mit Adelstick. Das ist eine wohltuende Frechheit angesichts der Huldigungen, die Dichterpriester wie Rilke oder Stefan George zuletzt erfahren haben – Huldigungen, die immer auch (literatur-)politische Statements darstellen.
Was Klaus Modick nicht erzählt
Modick erzählt, wie Vogeler den zunehmend unerträglichen Rilke aus seinem Worpswede-Fazit, dem großformatigen Gemälde „Das Konzert“, allmählich herausretuschiert. Was er nicht erzählt, ist, wie die Kulturgeschichte den seinerzeit auch kommerziell erfolgreichen Vogeler aus ihrem Kanon retuschieren wird. Das aber dürfte mit dem weiteren Werdegang Vogelers zusammenhängen: Aus dem Jugendstilmaler wird ein Expressionist und ein sozialistischer Realist, der Lebensreformer zum Kommunisten. 1931 siedelt er in die Sowjetunion über, bei Kriegsausbruch wird er wie andere deutsche Emigranten von Stalin deportiert, 1942 stirbt er an den Strapazen.
Modick erzählt das idyllisch-bürgerliche Präludium zum dramatisch-revolutionären Konzert. Und das mit der ihm eigenen Versiertheit, die wenig mit Rilke, viel aber mit Vogeler zu tun hat. Dem hatte „immer schon gefallen, dass den Künstlern in der Antike keine Musen zugeordnet waren, weil sie als Handwerker galten“.
Klaus Modick: Konzert ohne Dichter. Roman. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2015. 240 Seiten, 17,99 €.
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