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Beethoven ist im Moment allgegenwärtig in seiner Heimatstadt Bonn. Auch als Graffiti.
© Ina Fassbender / AFP

Beethoven-Jubiläum in Bonn: Der Komponist als Publikumsmagnet

Große Feier, trotz vieler Baustellen: In Bonn beginnt das Beethoven-Jahr 2020 mit einer umfangreichen Ausstellung in der Bundeskunsthalle.

Wenn die Musikwelt den 250. Geburtstag von Ludwig van Beethoven feiert, möchte Bonn gerne dessen Zentrum und Touristenmagnet werden. Leider gibt sich die Stadt schon seit geraumer Zeit wenig einladend.

Dem Besucher präsentiert sich der Bahnhof als abschreckende Dauer-Baustelle mit gesperrten Gleisen, flatternden Plastikplanen und kaputten Rolltreppen, das Münster am zentralen Platz ist geschlossen.

Und die Musikstadt und ihr Beethoven Orchester kränkeln an erschwerten Bedingungen, das Orchester ist heimatlos, was den Klangkörper dazu zwingt, die Konzerte im Opernhaus zu spielen.

Denn die Sanierung der denkmalgeschützten Beethovenhalle von 1959 wurde auf die lange Bank geschoben. Zeitweise wurde sogar ihr Abriss diskutiert, erst 2011 entschied sich der Rat der Stadt endgültig gegen die Demontage, ein ambitionierter Neubau war aber inzwischen auch vom Tisch.

2016 wurde mit der Sanierung begonnen, nach neuesten Katastrophenmeldungen von der Baustelle ist von einer Wiedereröffnung im Jahr 2024 die Rede. Man wird das Gefühl nicht los, dass sich Beethoven noch immer nicht so richtig auf Bonn reimt.

Beethoven wird mit Nachdruck gefeiert

Doch nun will eine imposante Ausstellung in der Bundeskunsthalle den größten Sohn der Stadt mit Nachdruck feiern und gemeinsam mit dem frisch sanierten Beethoven-Geburtshaus dem nationalen Ereignis einen würdigen Rahmen bieten.

Nicht weniger als zehn Verantwortliche dieses Großereignisses saßen bei der Pressekonferenz auf dem Podium, um zu erläutern, wie man mit den aufeinander abgestimmten Präsentationen Beethoven zum breitentauglichen Publikumsmagneten machen will.

„Beethoven – Welt.Bürger.Musik“ ist die Schau übertitelt, die den Komponisten in ein kulturhistorisches Panorama einbettet und mit 250 hochkarätigen Exponaten Beethoven als Menschen und Kind seiner bewegten Zeit zeigen will.

Die in einer großzügigen Ausstellungsarchitektur luftig und zugleich komprimiert präsentierte Schau geht einerseits chronologisch vor, gliedert die Abfolge aber in fünf Kapitel, die mit instruktiven Zeitleisten (deren Studium allerdings zeitaufwändig ist) und Hörstationen flankiert sind.

Beethoven: „Ich fo(r)dere und man zahlt“

Es beginnt mit den ersten 22 Jahren, die Beethoven in Bonn verbrachte und zeigt, wie diese Jahre den Lebens- und Schaffensweg des späteren Wahl-Wieners prägte. Denn in Bonn wehte damals der Geist des aufgeklärten Absolutismus, die Universität galt als progressiv.

Das zweite Kapitel widmet sich den „Neuen Horizonten“, die sich für Beethoven in Wien ab 1793 auftaten. Es dokumentiert, wie er in der Musikhauptstadt Europas als Komponist und Pianist von der Wiener Hocharistokratie generös gefördert wurde und wie sich die Musikverlage um die Veröffentlichungsrechte seiner Werke bemühten. „Ich fo(r)dere und man zahlt“, schreibt Beethoven selbstbewusst an seinen Freund Franz Gerhard Wegeler.

Überhaupt räumen sowohl die Schau in der Bundeskunsthalle, als auch die Neupräsentation im Geburtshaus mit dem Mythos des einsamen und weltabgewandten Revolutionärs gründlich auf.

In beiden Häusern wird eindrucksvoll dokumentiert, wie gut Beethoven sich als Mensch und Künstler in Freundeszirkeln vernetzte, wie groß die Schar seiner Gönner war und wie gesellig sich sein ritualisierter Tagesablauf mit täglichen Wirtshaus- und Caféhausbesuchen, Theater- und Konzertabenden gestaltete.

Beethoven und Napoleon

Das dritte Kapitel „Wege zum Erfolg“ thematisiert das erste Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, in dem Napoleon Bonaparte Europa durcheinanderwirbelte und mit Kriegen überzog, während Beethoven seine produktivste Schaffensphase einläutete.

„Beethoven war schon zu Lebzeiten ein Popstar, und das war ihm sehr recht!“, sagt Julia Ronge, eine der Kuratorinnen der Schau in der Pressekonferenz salopp und entzaubert gleich darauf eine der Mythen des heroischen Beethovenbilds, indem sie die Wahrheit über die Widmungsgeschichte der „Eroica“ referiert.

Demnach war die Widmung einer Sinfonie damals vor allem ein Geschäft und die Tilgung der ursprünglichen „Bonaparte“-Widmung wohl weniger Beethovens wütender Enttäuschung über dessen Kaiserkrönung geschuldet, sondern der Aussicht auf den zahlkräftigen Widmungsträger Fürst Lobkowitz.

In der Ausstellung geht diese aufschlussreiche Dekonstruktion jener hartnäckigen Beethoven-Legende allerdings unter. Aufschlussreich dagegen sind die Strecken der Schau, die Beethovens lebenslange Krankheitsgeschichte und Behandlungstorturen dokumentieren, seine rasch sich verschlimmernde Taubheit und die verzweifelte Suche nach neuen Heilmethoden und Hilfsmitteln.

Krankheit, Tod und schneller Nachruhm

Das vierte Kapitel widmet sich Beethovens Ruhm und dessen Preis in den Jahren von 1813 bis 1818. Es illustriert die Allgegenwart von Krieg und Elend im damaligen Europa mit einer Auswahl von Radierungen aus Francisco de Goyas berühmten Zyklus „Los Desastres de la Guerra“.

Das abschließende Kapitel behandelt schließlich Beethovens letzte Jahre von 1819 bis 1827, in denen Monumentalwerke wie die „Missa Solemnis“ und die „Neunte“ entstanden sind. Es geht um seinen Tod nach Jahren schwerer Krankheit und um die persönliche Verwahrlosung, sowie den rasch einsetzenden Nachruhm.

Mit einer Kopie des Beethovenfries von Gustav Klimt und der photoplastischen Nachbildung des Wiener Beethoven-Denkmals von Max Klinger will die Ausstellung die posthume Heroisierung Beethovens zwar kritisch beleuchten, tappt aber in die Pathos-Falle, die Aura der Objekte strahlt darüber hinweg.

Alles wird besser - irgendwann

Die Höhepunkte der Schau sind stiller Natur: Die Kopistenabschrift der „Eroica“; das berühmte „Heiligenstädter Testament“ von 1802 mit wüsten Durchstreichungen auf Skizzenblättern, die das vulkanische Temperament des Komponisten anschaulich machen; und ein winziger, nur handtellergroßer Brief des 24-Jährigen an seinen Bonner Freund Heinrich von Struwe mit den denkwürdigen Zeilen: „Wann wird der Zeitpunkt kommen, wo es nur Menschen geben wird, wir werden wohl diesen glücklichen Zeitpunkt nur an einigen Orten herannahen sehen, da werden wohl Jahrzehnte vorbeigehen… .“

Beethoven bewegte schon in jungen Jahren humanistische „Ode an die Freude“-Gedanken in seinem Herzen.

Regine Müller

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