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Con amor. Das Orquesta Sinfónica Juvenil Nacional aus Chile.
© Kai Bienert

Chile bei Young Euro Classic: Beethoven herrscht überall

Romantischer Schmelzklang: Der Nachwuchs aus Chile spielt bei Young Euro Classic.

Am Ende entrollen sie ihre Nationalfahne, die Mitglieder des Orquesta Sinfónica National Juvenil aus Chile und ihr Dirigent Maximiano Valdés. Sie haben als Botschafter ihres Landes gespielt. Da ist längst chilenisches Flair in den Großen Saal des Konzerthauses eingezogen, und bekennende Chilenen im Publikum klatschen mit leuchtenden Augen in den Rhythmus der musikalischen Zugabe aus der Heimat. Zum ersten Mal erscheint das Orchester bei Young Euro Classic, und die Stimmung bestätigt, dass Chile angekommen ist bei diesem Festival, das „die besten Jugendorchester der Welt“ aufbietet.

Pate des Abends ist diesmal Sascha Hingst, ein weiteres Fernsehprofil nach Rolf-Dieter Krause, Journalisten, die in der Welt herumkommen und die politischen Aspekte der künstlerischen Beiträge beleuchten. Hingst geht von der Eroica Beethovens aus, die auf dem Programm steht, von den Idealen der Revolution und der Enttäuschung des Komponisten darüber, dass Bonaparte sich zum Kaiser erklärt hat. Der Name des ursprünglichen Widmungsträgers wurde von Beethoven „ausgekratzt“.

Akkorde wie Keulenschläge

Festliches Schwarz ist die Farbe des Orchesters, die Damen schulterfrei in langen Kleidern, die Herren mit roter Krawatte. Der Klangkörper steht unter der Dachorganisation der Fundación Orquestas Juveniles e Infantiles de Chile (FOJI), deren soziales Engagement im Land nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Mit „Retratos australes“ (Porträts aus dem Süden) von Miguel Farias wird eröffnet, einem Stück, das Kraft und Ruhe ausstrahlt, Rhythmen und Repetitionen, die sich festhaken, Könnerschaft, die sich gern verplaudert. Es behandelt chilenische Traditionen, und sein Komponist, geboren 1983, ist anwesend, um mit Beifall gekrönt zu werden.

Über den Gitarristen Luis Orlandini heißt es, er habe in seiner Heimat Chile nicht weniger als 50 Werke chilenischer Komponisten uraufgeführt. Das muss man sich mal vorstellen. Hier spielt er das Konzert von Villa-Lobos, dessen Uraufführung sich mit dem großen Andrés Segovia verbindet. Die zarte Substanz der Töne Orlandinis aber, die leuchtenden Läufe des Melodikers kommen eher in der Kadenz zu ihrem Recht als in den begleiteten Partien, weil das „kleine Orchester“ hier auf der Basis von drei Kontrabässen und fünf Celli zu dicht besetzt ist. Die Akustik des Raums favorisiert solche intimen Soli nicht.

Seit einem Jahr leitet Maximiano Valdés die jungen Symphoniker, deren Eifer er mit Deutlichkeit und dabei keineswegs starren Tempi auf die Es-Dur-Symphonie von Beethoven einstimmt. Er ist eher ein Lenker des Jugendorchesters als ein Interpret mit Sendungsbewusstsein. So trägt die Feinarbeit der Violinen sein Zeichen wie der stürmische Unisono-Anlauf und exaktes Pizzicato der Streicher im Finale. Unter den Bläsern fallen ein Mädchen an der Oboe mit starkem Einsatz und der Flötist mit leichtem „Eroica-Solo“ auf, die Holzbläser übertreffen das Blech. Dissonante Akkorde wie Keulenschläge, der leise Zug des Trauermarsches in klarem Pianissimo, die geniale Folge der Variationen mit Finaleffekt – alles ist eingebettet in einen romantischen Schmelzklang des Orquesta Sinfónica National Juvenil. Aus der chilenischen Flagge leuchtet der Stern der Freiheit.

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