Peter Simonischek wird 70: Der Kerl kann traumhaft schweben
Toni Erdmann und die "Kunst": Zum 70. Geburtstag des großen Schauspielers Peter Simonischek.
Wir würden uns wohl nicht wundern, wenn an diesem Samstag Toni Erdmann siebzig wird. Bei Kritikern wie bei Fans (die häufig schon identisch sind) ist der Schauspieler Peter Simonischek jetzt zum Toni Erdmann geworden. Seit Peter Falk und seinem Inspektor Columbo oder eine Weile auch Götz George und Schimanski hat es das kaum so gegeben, dass Akteur und Kunstfigur derart zusammengewachsen sind. Auch als Peter Simonischek im Mai, just am Ende der Filmfestspiele von Cannes, wo Maren Ades „Toni Erdmann“ als einer der Preisfavoriten galt, am Wiener Burgtheater Premiere in Goldonis „Diener zweier Herren“ hatte, gab er die komödiantische Titelfigur nicht ohne ironische Anspielung – und zog sich das groteske, blitzschnell legendär gewordene Toni-E.-Gebiss in den Oberkiefer.
Der Witz bei dieser Spätkarriere als Filmikone ist freilich, dass Simonischek, trotz Kino- und TV-Rollen, eigentlich ein Theaterschauspieler ist. Wenngleich nicht unbedingt einer, der Perücken und falsche Zähne braucht. Der gebürtige Grazer mit dem charmant weichen Österreicherakzent sieht, hoch gewachsen und silbermähnig, ja auch gar zu fesch aus, um sich das Gesicht zu verstellen. Außer so genial und zum Rühren komisch wie als Vater einer auf Façon, Funktionalität und Maske getrimmten Business-Tochter in Ades aktuellem Meisterwerk.
Doch gerade das Berliner Publikum liebt Simonischek auch in burlesker Aufmachung. So war er in Yasmina Rezas Welterfolg „Kunst“ vor zwanzig Jahren an der Schaubühne neben dem Bildersammler und dem Hautarzt als nichtakademischer dritter Mann in jenem trio triomphal (an der Seite von Gerd Wameling und Udo Samel) gleichsam der naive Ignorant: ein massiger, geschmacklos kariert gekleideter Klotz zwischen den feineren, kleiner gewachsenen Freunden, die sich über ein teures, monochrom weißes Gemälde (als Projektionsfläche all ihrer Konflikte) saukomisch verzanken. Aber dann ist es in diesem von Zeit zu Zeit immer wieder aufgenommenen Dauerbrenner der vermeintlich Tumbe, den Simonischek mit dem ihm eigenen, auch in „Toni Erdmann“ gepflegten monumentalen Understatement spielt, der schließlich die Knoten der wunderbar männermentalen Gockelkomödie löst.
Durchbruch als Ferdinand in „Kabale und Liebe“
Sein Durchbruch gelang ihm als feuriger, auf Tische und Frauen springender Schiller-Jüngling, als Ferdinand in „Kabale und Liebe“ in Düsseldorf, wo er in Roland Schäfers furioser Inszenierung (1978 auch beim Berliner Theatertreffen) um seine Luise kämpfte, gespielt von Charlotte Schwab, die dann im wahren Leben zwei Jahrzehnte lang Simonischeks Frau wurde; und zusammen haben sie den Sohn Maximilian, auch er ein Schauspieler. Simonischek, seit Ende des 20. Jahrhunderts an der Wiener Burg und fast eine Dekade auch der Salzburger Jedermann, er hat zwanzig Jahre lang, bis 1999, zum Ensemble der Berliner Schaubühne gehört. Dabei eher ein Klassiker-Spieler als ein Supermoderner, und eine seiner vielleicht schönsten Rollen war der Jupiter in Klaus Michael Grübers Inszenierung von Kleists "Amphitryon". Unvergesslich sein Zusammenspiel mit Gert Wameling als geflügelter Merkur seines hohen Herren und mit der irdischen Geliebten (Jutta Lampe), die er als Gottvater verführt und die ihn als verwunderte, verwundete Irdische liebt. Simonischek, der schwere große Kerl, geriet da selbst ins Schweben.
Eben war er in Salzburg der Prospero im „Sturm“. Nie aber war er der alte Libero oder die neue Sechs im Fußball. Wir haben zusammen mal auf einer Party, wo der einzige Fernseher nur im Schlafzimmer der Gastgeberin stand, ein WM-Spiel liegend auf der Bettcouch verfolgt. Die geriet ins Schwanken, wenn Simonischek sich aufregte – aber auch das nur: als sanfter Kenner. Er ist ein Guter und lebe lange hoch!
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